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Berufe mit Herz, Hand und Verstand


Autor: Lisa Kieslinger

LKR Haßberge, Samstag, 17. Sept. 2016

Zum sechsten Mal findet der "Tag des Handwerks" statt. So kurz nach dem Ausbildungsbeginn ein guter Zeitpunkt, um sich im Kreis mal genauer umzuschauen.
Für die beiden Azubis Fabian Müller aus Prappach und Timo Schauer aus Ebern (von links) war schon bald klar, dass sie in ihrem Beruf gerne mit Holz arbeiten würden. Für sie ein faszinierender Rohstoff. Besonders naheliegend dabei: die Lehre zum Zimmerer. Fotos: Lisa Kieslinger


Räumliches Vorstellungsvermögen, handwerkliches Geschick und Körperbeherrschung - das sind Fähigkeiten, die ein Zimmerer-Lehrling auf jeden Fall mitbringen sollte. Höhenangst sollte er auch nicht haben, denn der Zimmerer muss beruflich hoch hinaus. Für den 18-jährigen Timo Schauer aus Ebern ist das alles kein Problem. Er ist gerade im zweiten Lehrjahr im Betrieb der Familie Reugels in Haßfurt. Schon als Kind habe er gerne mit Holz gearbeitet. Nach mehreren Praktika in einer Zimmerei war ihm klar: "Das ist mein Beruf."

Die Zimmerei Reugels versucht jedes Jahr einen Azubi einzustellen, doch manchmal ist das nicht einfach. "Es waren auch schon Jahre dabei, da haben wir gar keine Bewerber gehabt", erklärt Petra Reugels. Ihr Mann Hermann Reugels hat 1985 die Firma gegründet.



Nicht jeder ist für den Beruf geeignet

Im Durchschnitt bekommen sie zwei bis drei Bewerbungen von Jugendlichen, die sich für eine Lehrstelle interessieren. Doch manche seien für den Beruf auch nicht geeignet. "Unser Ziel ist es, unsere Azubis gut durch die Prüfungen zu bringen", erklärt Petra Reugels. Dafür müssten die Noten auf einem gewissen Niveau sein. "In der Berufsschule sind die Azubis sonst schnell überfordert."

Auch Friseurmeisterin Franziska Hauck hat schon erlebt, wie schwer es sein kann, einen geeigneten Azubi zu finden. Im letzten Jahr wollte sie einen Lehrling einstellen. Drei bis vier haben ein Praktikum bei ihr gemacht. Doch es habe nicht gepasst. Teilweise wollten die Jugendlichen selbst nicht mehr.

Doch nicht nur in Sachen Ausbildung hat die Friseurmeisterin Schwierigkeiten, jemanden zu finden: Seit Juni sucht sie nach einer Vollzeitkraft für ihren Laden in Haßfurt. Ohne Erfolg. "Ende August hat eine bei mir angefangen, nach zwei Wochen aber wieder aufgehört, weil sie woanders anfangen wollte." Das mache es wirklich schwierig, motiviert zu bleiben.


Auszubildende ab August

Doch zum Ausbildungsbeginn am 1. August - so ist es bei Friseuren üblich - hatte Franziska Hauck Erfolg bei ihrer Suche: Sie hat eine Auszubildende eingestellt. Der Friseurmeisterin ist es wichtig, ihr Wissen weiterzugeben. "Und die Branche braucht gut qualifizierten Nachwuchs", erklärt sie. Doch sie gibt auch offen zu: "Wenn ich selbst den Bedarf nicht hätte, wüsste ich nicht, ob ich ausbilden würde. Die Kosten sind schon sehr hoch und der Nutzen am Anfang relativ niedrig." Ihr Ziel sei es definitiv, die Auszubildenden nach ihrer Lehre zu übernehmen, allein um eine gut qualifizierte Kraft im eigenen Team zu haben.

Insgesamt wurden laut Handwerkskammer Unterfranken zum Ausbildungsstart (Stichtag 31. August 2016) 190 neue Lehrverträge im Handwerk im Kreis Haßberge unterzeichnet. Das entspreche einem Plus von 22,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch wie kann das sein? "Der Landkreis Haßberge hat im Vergleich zu anderen Regionen bei den neuen Lehrverträgen jeweils zum Jahresende der letzten Jahre einen Rückgang verzeichnet", erklärt Daniela Kraus von der Handwerkskammer Unterfranken.

Ein Plus in diesem Jahr sei erwartet worden. "Doch dass das Plus so groß ist, zeigt, dass das Engagement der Betriebe vor Ort, Lehrlinge zu finden, sich auszahlt", meint Kraus. Insgesamt seien aktuell 553 Lehrverträge in handwerklichen Betrieben im Kreis Haßberge registriert. Doch wer zum 1. September noch keine Lehrstelle bekommen hat, soll laut Matthias Klar von der Arbeitsagentur nicht die Flinte ins Korn werfen. Allein im Handwerksbereich sind im Landkreis Haßberge aktuell noch 50 Ausbildungsstellen auf der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer für Unterfranken ausgeschrieben. "Die freien Lehrstellen erstrecken sich von A wie Anlagenmechaniker bis Z wie Zimmerer", erklärt Daniela Kraus. Auf Anfrage bei manchen Firmen stellt sich zwar heraus, dass die Lehrstelle inzwischen vergeben wurde. Doch es lohnt sich trotzdem reinzuschauen. Denn auch für 2017 sind die Betriebe schon wieder auf der Suche nach Azubis. "Das Handwerk bietet super Möglichkeiten. Und die Karrierechancen sind sehr hoch", erklärt Klar.


Schulnoten täuschen manchmal

Für alle Handwerksbetriebe, die in diesem Jahr keinen Azubi gefunden haben, hat Matthias Klar einen Tipp. "Manchmal lohnt es sich, einen Jugendlichen länger anzuschauen." Viele entfalten erst in der Praxis, was sie drauf haben. Schulnoten können manchmal täuschen.

Das weiß auch Franziska Hauck. Für sie spielen Schulnoten weniger eine Rolle. "Friseurin kann man auch ohne Abschluss werden. Damit habe ich gar keinen Stress." Doch es sei wichtig, dass der Azubi sich für das Handwerk interessiert, Talent mitbringt und mit Menschen umgehen kann.

Und das findet der Azubi am besten bei einem längeren Praktikum heraus. Laut Matthias Klar können Betriebe im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung (EQ) Jugendliche an ihre Arbeit heranführen. "Das ist wie ein Langzeitpraktikum, das über die Arbeitsagentur gefördert wird", erklärt Klar. Und so ein EQ könne für beide Parteien von Vorteil sein: Der Betrieb sieht, ob ein Jugendlicher zu ihm passt. Und der Jugendliche kann sich den Beruf in der Praxis genauer anschauen. Eine Win-Win-Situation.