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Bernhard Ruß will Landrat in den Haßbergen werden


Autor: Klaus Schmitt

Sand am Main, Mittwoch, 05. Februar 2014

Bernhard Ruß (SPD) möchte die Nachfolge von Haßberge-Landrat Rudolf Handwerker antreten. Der Sander Bürgermeister traut sich die Aufgabe zu, weil er über die kommunalpolitische Erfahrung verfügt und sich in die Themen eingearbeitet hat.
Bernhard Ruß am Träubel-Brunnen auf dem Sander Kirchplatz. Im Hintergrund ist das Rathaus mit seinem Dienstzimmer.  Foto: Klaus Schmitt


Wer das Dienstzimmer des Bürgermeisters Bernhard Ruß (SPD) im Sander Rathaus betritt, richtet seinen Blick sofort auf den großen Schreibtisch, der nach Arbeit aussieht, und gleich danach auf einen Aktenschrank, der dahinter steht und zahlreiche Ordner enthält. Jeder Ordner ein Thema - aber nicht nur Sander Angelegenheiten.

Die Diskussion um den umstrittenen Nationalpark Steigerwald wird ebenso dokumentiert wie die Änderungen beim Betreuungsgesetz für Kinder. Er hat sich, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung versichert, in viele Themen intensiv eingearbeitet. Vor allem in Themen, die den ländlichen Raum betreffen. Ruß sieht sich als ein entschlossener Anwalt des ländlichen Raums, und er blickt über den Kirchturm hinaus.

Windkraft am liebsten vor der Haustür

Das darf man wörtlich nehmen.

Beim Blick aus dem Fenster seines Amtszimmers hat er den Turm der Kirche St. Nikolaus vor sich. Wenn er weiter schaut, sieht er den Sander Hermannsberg, und dahinter ist der Ebersberg mit dem Zeller Forst, ein Areal, das er als Windrad-Standort für bestens geeignet einschätzt. Damit ist er bereits beim Thema Energiewende, das nicht nur die Sander, sondern den ganzen Landkreis bewegt.

Künftig möchte sich Ruß ausschließlich um Landkreis-Themen kümmern. Er will neuer Landrat des Landkreises Haßberge und damit Nachfolger von Rudolf Handwerker (CSU) werden, der nach 24 Jahren Dienstzeit aus dem Amt ausscheiden wird.

Der 59-jährige Ruß, der seit 1993 Bürgermeister in Sand ist, hält den Zeitpunkt für richtig. Große Sander Themen seien abgearbeitet. "Dringende Projekte stehen nicht an. Man kann jetzt eher gehen", meint er, als beispielsweise bei der vergangenen Kommunalwahl 2008, als in Sand große Maßnahmen liefen. Ruß hat sich die Kandidatur "lange überlegt" und ist zu dem Entschluss gekommen: "Ich traue mir das zu. Ich bin im Landkreis verankert. Wenn ich etwas verändern will, dann muss ich die Möglichkeit dazu haben. Der Landrat hat eine starke Position", um etwas zu verändern, weiß Ruß, und diese Chance will er nutzen.

Der rote Faden

Ruß hat eine genaue Vorstellung davon, wie Kommunalpolitik geht. Man müsse kämpfen und überzeugen. "Was ich behaupte, muss ich belegen können. Den roten Faden muss man in der Hand haben", sagt er. Wie ein roter Faden entgleiten kann, zeigt nach seiner Ansicht die unglückliche Diskussion um das Thema "Nationalpark im Steigerwald - ja oder nein?" Anfangs waren sich alle Beteiligten einig, den Naturraum intensiv zu untersuchen, um daraus Schlüsse für eine wirtschaftliche Nutzung ableiten zu können.

Jedoch bevor noch eine Studie angefertigt und vorgelegt wurde, war sie schon wieder vom Tisch. Es wurde eine Diskussion geführt, ohne eine ausreichende Basis zu haben, bedauert Ruß. Es seien keine Grundlagen zusammengetragen worden. "Dieser Weg wäre richtig gewesen. Das ist normales, vernünftiges Handeln." Ruß bedauert, dass dieser Weg verlassen worden sei, und jetzt stehe auf der einen Seite der Bund Naturschutz mit seinem Anspruch auf einen Nationalpark. Und auf der anderen Seite stehe das kategorische Nein vieler Betroffener und der Staatsregierung in München.

Mehr als sechs Jahre?

Wenn Ruß zum Landrat gewählt würde am Sonntag, 16. März (oder zwei Wochen später in einer Stichwahl), dann bekäme er die Zeit, um seine Vorstellungen umzusetzen. Genügend Zeit? Ruß ist bereits 59, das heißt aber nicht, dass er nach nur einer Legislaturperiode schon aufhören würde. Ruß: "Mir macht das Spaß. Wenn ich fit bin..."

Der Weg ist das Ziel

Was spricht dagegen, dass ein junger Mensch im nahen Bamberg studiert und im Kreis Haßberge wohnt? Das tut er, wenn Fahrt und Wohnung hier günstiger sind als ein Zimmer in Bamberg und wenn er bequem und rasch pendeln kann. Damit das klappt, muss nach Ansicht von Bernhard Ruß der öffentliche Personennahverkehr verbessert werden. Das Zauberwort für den Landratskandidaten der SPD lautet VGN (Verkehrsverbund Großraum Nürnberg). Das subventionierte System erstreckt sich bereits in den Eberner Raum, aber nicht in die anderen Teile des Landkreises. Und Ziel muss es laut Ruß sein, dass nicht nur die Tagestouristen aus Nürnberg in den Kreis Haßberge gelangen, sondern auch Studenten, Schüler und Pendler zügig in die Zentren außerhalb des Landkreises. Solche Verkehrsverbindungen sind für Ruß ein Standortvorteil und halten junge Leute im Kreis. Das Thema "muss man anpacken", fordert er. Der Landrat "muss Gas geben". Bislang sei auf dem Feld zu wenig passiert, beklagt er.

Anreize für Ärzte

Die Erhaltung der Haßberg-Kliniken mit ihren drei Häusern in Haßfurt, Ebern und Hofheim sowie eine funktionierde Hausärzte-Versorgung sind für Bernhard Ruß Themen, die in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Die Aufgaben auf medizinischem Gebiet würden "immer mehr verflochten" und seien allein vor Ort nicht zu lösen. Dazu brauche der Landkreis auch die Landes- und Bundespolitik. Ruß ist froh, dass sich die Haßberg-Kliniken positiv entwickelt haben, und damit der Landkreis für Hausärzte attraktiv wird, brauche es Anreize. Um niedergelassene Ärzte zu gewinnen, müssten diese Mediziner beispielsweise berufliche Vorteile haben, könnte sich Ruß als ein Instrument vorstellen.

Internet: Ein K.o.-Kriterium

Wenn der ländliche Raum überleben will, braucht er das schnelle Internet. Darin sind sich alle Kommunalpolitiker einig. Die schnellen Verbindungen sind für Firmen ebenso entscheidend wie für Privatleute. Es reicht nach Ansicht von Bernhard Ruß nicht, dass der Freistaat die Förderung pro Gemeinde nahezu verdoppelt hat (auf fast eine Million Euro). Man müsse auch wissen, wie man das Thema angeht, sagt der Landratskandidat der SPD.

An der Realität orientiert

Zwar habe jede Kommune einen Anspruch auf Förderung, aber keinen Anspruch auf ein Angebot eines Anbieters, und das kommt laut Ruß nur, wenn das Fördergebiet so angelegt ist, dass es attraktiv ist. "Ich weiß, wie man das angehen muss", betont Ruß. Technische Details sind ebenso wichtig wie die Kooperation der Kommunen (was jetzt im Landkreis geschieht) und die Orientierung an der Realität. Beispiel: Wenn eben maximal nur 30 Mbit in einer Straße technisch möglich sind, dann sollte man nicht 50 Mbit fordern.

Für eigene Energie

Der Landkreis muss in Zusammenarbeit mit den 26 Kommunen die Energiewende "endlich auf die Reihe bringen". Die Umsetzung der Energiewende ist Bernhard Ruß ein besonderes Anliegen, und bisher ist nach seiner Meinung nicht alles richtig gelaufen. "Wir könnten wesentlich weiter sein." Die Energiewende ist "ein Grund, warum ich kandidiere", erklärte der Bewerber der SPD für den Landratsposten unserer Zeitung. Bereits 2010 hat er gefordert, dass Windräder in den Wald gehören. Er hätte sich für den Steigerwald ein Zonierungskonzept (Standortareale auch in Schutzgebieten) gewünscht. Vor der eigenen Haustür liege mit dem Ebersberg/Zeller Forst ein Gebiet mit viel Wind, geeignet für Windräder, wie ein Gutachten ausweist, und es gebe in drei Steigerwald-Gemeinden positive Beschlüsse: Sie wollen Windräder haben (bekommen sie aber laut Regionalplan nicht). Ruß fordert eine "vernünftige Überprüfung", und der Landrat müsse sich bei der Standortfrage viel stärker ins Zeug werfen, als dies bisher geschehen sei.

Gemeinsame Schulpolitik

Bildungs- und Schulpolitik ist zwar in erster Linie Landespolitik, aber ein Landrat hat eine "starke Position", um sich einzumischen, und das sollte er nach Ansicht von Bernhard Ruß auch tun. "Den Prozess mitbegleiten" nennt der Sander SPD-Landratskandidat diese Form der Einflussnahme, die nötig sei, um maßgerechte Bildung bieten zu können. Immer größere Mittelschulverbünde mit immer weiteren Busfahrten für die Kinder und Jugendlichen, leer stehende Schulhäuser in den einen Orten und Schulbauten in den anderen Orten sowie Regelklassen als Voraussetzung für Ganztagesklassen - all das sind nach Meinung von Ruß Faktoren, die verbessert werden müssen.

Erfolgreiche Modelle

Man dürfe dem Staat nicht allein überlassen, was vor Ort umgesetzt wird. Er könnte sich vorstellen, dass alle Stellen, die mit Schulen zu tun haben, an einem Tisch zusammenkommen und Entscheidungen treffen, und dazu gehört laut Ruß auch der Busunternehmner. Solche Modelle gebe es bereits - erfolgreich.


Zur Person Bernhard Ruß


Privat Bernhard Ruß ist 59 Jahre alt, verheiratet und hat eine Tochter (25 Jahre). Er hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Fächer Deutsch, Geschichte und Erdkunde für das Lehramt an Gymnasien, arbeitete als Studienreferendar in Nürnberg und Kempten und ging dann zur Zeitung. Er wirkte als Redakteur bei einem Zeitungsverbund in Kitzingen und beim "Schwarzwälder Boten" in Rottweil.

Rathaus Seit 1993 ist Ruß hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Sand. Er wurde zum Nachfolger von Franz Blasl (CSU) gewählt. Seine Hobbies sind Walking und der Fußball. Größter Erfolg: Aufstieg mit dem FC Sand in die Landesliga.

Politik Ruß war von 1984 bis 1991 Gemeinderat in Sand. Er ist seit 1996 Mitglied des Kreistages Haßberge, wirkte dort von 1998 bis 2008 als Fraktionsvorsitzender und ist seit Mai 2008 stellvertretender Landrat und Bezirksrat im unterfränkischen Bezirkstag.

Partei Bernhard Ruß gehört seit 1978 als Mitglied der SPD an, war von 1993 bis 1996 Vorsitzender des Kreisverbandes Haßberge der Sozialdemokraten, ist heute noch Vorstandsmitglied im Kreisverband Haßberge und im Ortsverein Sand.