Beim Arbeitgeber zugegriffen
Autor: Helmut Will
Haßfurt, Freitag, 13. März 2015
Das Amtsgericht Haßfurt verurteilte einen 27-Jährigen, der sich in der eigenen Firma bedient hat.
"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Dass dieser Spruch etwas für sich hat, zeigte sich bei einer Verhandlung vor dem Amtsgericht in Haßfurt am Mittwoch. Angeklagt war ein 27-jähriger Mann aus dem nördlichen Landkreis Haßberge. Ihm wurde vorgeworfen, über Jahre hinweg Waren aus einem Geschäft im Landkreis entwendet und sich durch falsche und fingierte Buchungen bereichert zu haben. Die Gesamtschadenssumme soll etwa 150 000 Euro betragen. Sieben Zeugen waren aufgeboten, um Licht in das Dunkel zu bringen. Dem Treiben des Angeklagten kam zugute, dass die Kontrolle in der Firma stiefmütterlich wahrgenommen wurde. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe mit Geldauflage.
Staatsanwältin Dr. Spernath listete über 70 Fälle der Veruntreuung, Unterschlagung und des Diebstahls auf, die der Angeklagte in den Jahren 2009 bis 2013 begangen haben soll.
Der Beschuldigte war mit seinem Verteidiger Rechtsanwalt Hendrik Hausdörfer erschienen. Der Angeklagte räumte die Taten insgesamt ein. Allerdings bezichtigte er den Juniorchef der Firma, dass dieser ihn angestiftet und mit ihm gemeinsame Sache gemacht habe. "Wir wollten so beide unseren Lohn aufbessern", sagte der Angeklagte. Als er nach zwei Jahren nicht mehr mitmachen wollte, habe ihm der "Junior" gedroht, wenn alles auffliege, würde ihm sowieso keiner glauben.
Auf Vorhalt einer Schöffin sagte der junge Mann: "Mich reizte das Geld, geb' ich zu, als junger Mensch macht man das halt mal." Einige bei ihm sichergestellte Gegenstände will er allerdings gekauft haben.
Wie der Anwalt des Angeklagten sagte, liefen gegen seinen Mandanten außergerichtliche Forderungen seines ehemaligen Arbeitgebers in Höhe von 150 000 Euro.
Der Kriminalhauptkommissar der Kripo in Schweinfurt hatte eine Hausdurchsuchung angeregt, nachdem der Firmenchef bei ihm Anzeige erstattet hatte. "Die Wohnung des Angeklagten war technisch sehr hochwertig ausgestattet, das konnte man auf den ersten Blick sehen", berichtete der Ermittler. Der Beschuldigte habe gleich eingeräumt, Waren unberechtigt an sich genommen oder erlangt zu haben. Damals habe es keinen Anhaltspunkt gegeben, dass es einen Mittäter geben soll. In der Firma sei das Vertrauen wohl groß gewesen, weshalb die Sache so lange nicht aufflog, so der Polizist.
Als Zeuge sagte der vom Angeklagten beschuldigte Sohn des Firmeninhabers aus. Er wies jegliche Schuld von sich. "Ich habe erst von meinem Vater gehört, dass in unserem Geschäft was nicht stimmen soll."
Das Verhältnis zum Angeklagten bezeichnete er als gut. Private Kontakte, so Fahrten ins Ausland, wie vom Angeklagten angegeben, stritt der Zeuge ab. Geld aus den dubiosen Geschäften habe er niemals vom Angeklagten erhalten. "Du guckst mich so an und lügst mir ins Gesicht", sagte der Zeuge, als der Angeklagte ihm vorhielt, dass er ihm Geld gegeben habe. Auf Antrag des Verteidigers wurde der Zeuge vereidigt.
Eine "Lehrstunde" kaufmännischer Gepflogenheiten erteilte der 66-jährige Firmenchef im Gerichtssaal. Seine Enttäuschung gegenüber dem Angeklagten stand ihm ins Gesicht geschrieben. Durch offene Rechnungen, die zu einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr nachzuvollziehen waren, sei man dem Angeklagten auf die Schliche gekommen. Der Chef räumte ein, dass der damalige Marktleiter die Kontrolle in der Filiale vernachlässigt habe. Den Hinweis des Verteidigers, dass sein Sohn eventuell in die Machenschaften verstrickt sein könnte, wies der Firmeninhaber energisch von sich. Sein Sohn sei Praktiker und wäre kaufmännisch nicht in der Lage, solche Manipulationen vorzunehmen.
Der ehemalige Marktleiter zeigte sich bei seiner Vernehmung als Zeuge "sehr ahnungslos". Er konnte sich weder an Details noch daran erinnern, dass etwas schiefgelaufen sein könnte. Das habe er erst durch die Vernehmung bei der Kripo erfahren. "Ich habe bei der Kontrolle wohl Fehler gemacht, aber das ist halt jetzt leider so", sagte der 60 Jahre alte Zeuge.
Die Anklagevertreterin beantragte für mehr als 60 Einzeltaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und eine Geldauflage von 20 000 Euro, die der Angeklagte an die geschädigte Firma in Raten zurückzahlen soll. Der Verteidiger schloss sich dem Antrag an, glaubte aber seinem Mandanten, dass dieser eine Mitwisser hatte.
Das Urteil
Das Schöffengericht verurteilte den 27-Jährigen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. 200 Euro soll er monatlich an seinen ehemaligen Arbeitgeber zurückzahlen, bis die Forderungssumme ausgeglichen ist. Die Richterin bescheinigte dem Verurteilten erhebliche kriminelle Energie über Jahre hinweg. "Es hat einmal geklappt und da haben Sie weiter gemacht; es wurde quasi ein Selbstläufer", sagte Richterin Ilona Conver. Das Urteil ist rechtskräftig, da Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf Rechtsmittel verzichten.