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Azubi-Mangel: Hat die Jugend etwas gegen das Handwerk?


Autor: Sarah Seewald

LKR Haßberge, Donnerstag, 30. Oktober 2014

Knapp zwei Monate nach Lehrbeginn stellt sich die Frage: Warum wird es für regionale Handwerksbetriebe immer schwieriger, den passenden Azubi für das Handwerk zu begeistern?
Auf der Suche nach dem perfekten Lehrling haben die Handwerksbetriebe nur noch selten die Auswahl. Foto: Archiv; Fotoretusche: Franziska Schäfer


"Wer will fleißige Handwerker seh'n? Der muss zu den Maurern gehn! Stein auf Stein, Stein auf Stein: Das Häuschen wird bald...", Trallali und Trallalaaaa. So hieß es zumindest noch im Kindergarten. Fakt ist, dass es im Handwerk rund 130 verschiedene Ausbildungsberufe gibt - technisch anspruchsvoll, kreativ, im Gesundheitsbereich oder in der Nahrungsmittelbranche.

"Wenn es um die Wahl des richtigen Berufes geht, dann sollten sich die Jugendlichen zuerst darauf besinnen, wo ihre Talente, Interessen und Stärken liegen", sagt Roland Maul, Ausbildungsberater der Handwerkskammer für Unterfranken. "Es wäre vollkommen falsch einen Beruf zu ergreifen, nur weil er gerade modern ist, oder weil vielleicht die Freunde ihn erlernen."

Und dann kommt das Stichwort "demografischer Wandel" ins Spiel: Aus den Mittelschulen kämen immer weniger Schüler raus.

Damit meint der Geschäftsführer der Bauinnung Schweinfurt, Erwin Ruppert, nicht nur die Folge der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch, dass nach dem Hauptschulabschluss für viele der Bildungsweg noch nicht abgeschlossen ist. "Wir machen schon Werbung für die Berufe, sind auf Messen, bieten vertiefte Berufsorientierung in den Mittelschulen an", sagt Ruppert.

Mehr als im Jahr davor

Die Bauinnung übernimmt die überbetriebliche Ausbildung. "Dass nicht alle Lehrstellen besetzt sind, und es immer weniger werden, merken wir schon", sagt Ruppert. Exakte Zahlen sammelt die Bauinnung aber nicht. "Wir können ganz und gar nicht sagen, dass im Handwerk immer weniger Auszubildende gefunden werden", sagt darauf Rolf Lauer, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken, der nicht nur das Bau-Gewerbe im Blick hat.

Zum 30. September 2014 verzeichnete die Handwerkskammer für Unterfranken 2827 neue Lehrlinge, das sind 1,22 Prozent mehr als im Vorjahr. Was Lauer aber nach wie vor feststellt: "Berufliche Perspektiven und Karrierechancen sind immer noch bei vielen Jugendlichen, aber auch Eltern und Lehrern zu wenig bekannt."

Dazu passt Rupperts Sorge, dass der Beruf des Fliesenlegers aussterben könnte. "Die Ausbildungsbereitschaft der Fliesenleger hat stark nachgelassen. Seit das ein zulassungsfreies Handwerk ist, und quasi jeder, auch als Kaufmann, selbstständig ein Gewerbe anmelden kann", sagt Ruppert. Dabei zählt Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, wie Maurer und Beton-und Stahlbetonbauer zu den bestbezahltesten Ausbildungsberufen, laut Bundesinstitut für Berufsbildung.

Frage der richtigen Politik

Während sich einige Gewerke über einen deutlichen Zuwachs freuen können, wie beispielsweise die Zimmerer, Spengler, Kfz-Mechatroniker oder Dachdecker, verzeichnen andere Gewerke zum Teil starke Rückgänge. So konnten Bäckereien rund ein Drittel weniger Bäcker-Lehrlinge einstellen als noch im Vorjahr, bei Friseuren verzeichnet die Handwerkskammer fast 10 Prozent weniger, und es werden rund 25 Prozent weniger Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandwerk ausgebildet als in den Jahren zuvor. Jeder Ausbildungsberuf, von dem hier geschrieben wird, wird natürlich für Frauen und Männer gleichermaßen angeboten.

Während Lauer in Politik und Gesellschaft ein Umdenken erlebt, wundert - ja ärgert - er sich über Aussagen der OECD im aktuellen Bildungsbericht wo die, "die eine Berufsausbildung absolvieren, als Bildungsabsteiger bezeichnet" werden. "Unsere Wirtschaft braucht sowohl gut ausgebildete Fachkräfte als auch Akademiker." Vom Bund wünscht er sich deshalb, dass sich die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung auch "in der finanziellen Förderung zeigen sollte".

Im wahren Leben

Gerd Hölzer selbst kam aus der Industrie zum Handwerk und möchte jungen Erwachsenen auf den Weg geben: "Wir brauchen Leute, die mit der Hand arbeiten können. Es können nicht alles die Maschinen übernehmen." Die Hölzer Maschinenbau GmbH aus Königsberg suchte zum 1. September 2014 einen Feinwerkmechaniker. "Fünf, sechs hatten sich beworben - aber dann auch wieder abgesagt", sagt Hölzer. Für dieses Jahr ist die Suche abgeschlossen. Er hat einen Lehrling im Bereich Metallbau gefunden. Obwohl sich die Suche nicht immer einfach gestaltet, steht für Hölzer außer Frage, sich als Unternehmensführer immer wieder um den Nachwuchs zu kümmern: "Fachkräfte", sagt er und fügt dem nichts mehr hinzu. "Den Kindern eine Chance geben", sagt der Malermeister Dieter Gerstenkorn aus Ebern. Der Geschäftsführer von Maler Klee hat selbst vier Kinder, und weiß wie froh auch die Eltern sein können, wenn die Kinder in einem guten Ausbildungsberuf untergebracht sind. Seine diesjährige Stellenausschreibung war erfolgreich. Aber nicht lange. Vier Wochen nach Ausbildungsbeginn hat der Maler-Lehrling aufgehört. Von heute auf morgen. "Vielleicht war ihm der Maler- und Verputzerberuf doch zu anstrengend, zu dreckig", kann Gerstenkorn nur mutmaßen.

Auf die unterstützende Arbeitskraft muss er bis zum nächsten Jahr verzichten. Dann zählt er aber wieder darauf, dass sich mindestens eine oder einer ernsthaft für den Malerberuf begeistern lässt: "Früher waren es oft zehn Bewerber auf eine Stelle, heute ist es oft nur noch einer", sagt Gerstenkorn und spricht damit für viele Handwerks-Betriebe aus der Region.

Besonderheiten im Landkreis

"Der Landkreis Haßberge ist eine ländlich geprägte Region, entsprechend wichtig sind eine gute Infrastruktur und funktionierende Netzwerke vor Ort", sagt Lauer. Der öffentliche Nahverkehr sei hierbei ein zentraler Punkt, "denn oftmals ist dessen Ausbau zu schwach, so dass Auszubildende ihren Betrieb nur mit Mühe oder gar nicht erreichen können." Und nicht jeder Auszubildende hat einen Führerschein - oder ist alt genug, einen Führerschein zu machen. Und es gibt noch einen anderen Punkt, der nicht so einfach: "Wir merken schon, ob wir es mit Stadt- oder Landkindern zu tun haben", sagt Ruppert. Er erkenne, ob die Lehrlinge "schon einmal einen Besen in der Hand gehabt haben". Darum, dass jeder schon alles kann und erste Handgriffe sofort sitzen, geht es aber nicht. Das Handwerk soll schließlich in durchschnittlich drei Jahren richtig erlernt werden.

Und "so gute Chancen auf beruflichen Erfolg und Karriere" hatten die Auszubildenden "eigentlich noch nie", Lauer. Ausbildungsberater Maul weiß, wie es im besten Fall laufen kann: "Ein Geselle kann sich zum Meister qualifizieren, einen Betrieb gründen, als Ausbilder tätig sein, sich zum Fachlehrer an einer Berufsschule weiterbilden, sich zum Betriebswirt qualifizieren oder als Meister arbeiten. Handwerksmeister können an einer deutschen Hochschule studieren und sind weltweit gefragt...." Mit anderen Worten: die jungen Erwachsenen haben nicht nur ihre Zukunft in der Hand, sondern im Falle eines Handwerksberufes heutzutage auch ziemlich freie Auswahl.