Druckartikel: Auszubildende aus Polen sollen brisanten Lehrlingsmangel in den Haßbergen entschärfen

Auszubildende aus Polen sollen brisanten Lehrlingsmangel in den Haßbergen entschärfen


Autor: Sabine Meißner

LKR Haßberge, Montag, 14. Juli 2014

Die fortschreitende Alterung der Gesellschaft stellt Unternehmen vor die Frage, wie sie künftig zu genügend Fachkräften kommen können. Das war der Grundgedanke eines Pressegesprächs im Landratsamt, dem Bemühungen zur Intensivierung der Kontakte mit dem polnischen Nachbarlandkreis Klobuck vorausgingen. Schon jetzt steht fest, wie deutlich wurde, dass die Betriebe im Landkreis sich mehr anstrengen müssen, um im Wettbewerb um die fähigsten jungen Arbeitskräfte gut abzuschneiden.
Die beiden Geschäftsführer Andreas Baur (rechts) und Peter Kuhn (links) vom Haßfurter Architekturbüro bemühen sich, dem polnischen Praktikanten eine Ausbildung in ihrem Unternehmen schmackhaft zu machen, denn der "Testkandidat ist eine Art Multiplikator in seiner Heimat".  Foto: Sabine Meißner


Landrat Wilhelm Schneider (CSU) und Horst Hofmann, Geschäftsführer im Landratsamt, stellten mit dem Schweinfurter Arbeitsagenturchef Thomas Stelzer ihre Gedanken und Pläne vor. Mit den Geschäftsführern Andreas Baur und Peter Kuhn des Haßfurter Planungsbüros Baur-Consult sowie dem Unternehmer und Kreishandwerksmeister Hans-Georg Häfner aus Eltmann waren auch Vertreter der Praxis anwesend. In ihren Betrieben sind seit Donnerstag zwei junge Männer aus Klobuck als Praktikanten tätig. "Sie sind sozusagen unsere Testkandidaten", sagte Baur zu Lukasz Janik. Jukasz hospitiert bei ihm im Architektenbüro für vorerst eine Woche. Der 19-Jährige vertrat die Praktikanten beim Pressegespräch. Sein Kollege, der im Maler- und Verputzerbetrieb Frank Mazak in Haßfurt hospitiert, war am Arbeitsplatz.



Chancen für die jungen Menschen und für die Betriebe

Laut Hofmann solle die Zusammenarbeit mit dem Nachbarlandkreis sowohl jungen Menschen aus Polen neue Chancen in der Ausbildung eröffnen, als auch den Unternehmen in den Haßbergen einen Weg ebnen, um geeigneten Nachwuchs zu finden. Für den Landkreis Haßberge sei die Vermittlung von Arbeitskräften ein neues Betätigungsfeld, weshalb Hinweise zur praktikablen Umsetzung wichtig seien.

Die Agentur für Arbeit in Schweinfurt, zuständig für den Landkreis Haßberge, begleite das Projekt. Woe Hofmann erinnerte, war Thomas Stelzer selbst in der Region Schlesien und "ist seit Ende 2013 in Verbindung mit den dortigen Kollegen".

Sachbearbeiterin Renate Ortloff ist im Landratsamt als Kontaktperson für die beiden "Testkandidaten". Sie hatte die jungen Männer am Ankunftstag vom Bahnhof abgeholt und kümmert sich bis zu ihrer Abreise um Unterkunft und Freizeitgestaltung. Wie nötig so ein "Kümmerer" von zentraler Stelle sei, darauf wies Häfner hin. Er meinte, dass insbesondere kleinere Betriebe nicht in der Lage seien, alle verwaltungstechnischen Formalitäten zu erledigen oder sich in erforderlicher Form um die jungen Menschen zu bemühen, die hier ein Praktikum oder gar eine Ausbildung beginnen.

"Ein Kümmerer, der sich um alles sorgt, muss sein", sagte auch Agenturchef Stelzer. Er werde dafür sorgen, dass eine Vermittlerin seiner Agentur in den Partnerlandkreis reist, um die schulischen Voraussetzungen abzuklären. Im kleineren Kreis müsse man über Praktika und komplette Ausbildung noch sprechen. Dem "Kümmerer" käme die Aufgabe zu, eine echte "Willkommenskultur" zu gestalten.

Polnische Eltern hoffen auf gute Gastgeber

"Die polnischen Eltern erwarten gute Gastgeber auf unserer Seite", berichtete Stelzer von seinen Gesprächen im Nachbarland. Das Interesse, Schulabgänger in den deutschen Partnerlandkreis zu entsenden, sei vorhanden, denn die Jugendarbeitslosigkeit liege in Polen bei 24 Prozent und sei damit dreimal so hoch wie in Deutschland. Die bilateralen Beziehungen sollten konkret auf den Landkreis Haßberge zugeschnitten werden. "Aber Knackpunkte sind die Bereitschaft der Betriebe und die jungen Menschen, die bereit sein müssen, herzukommen", führte Stelzer aus.

Einen Mittelstand wie bei uns gebe es in Polen nicht in dem Maße, ergänzte Hofmann, der durchaus Ähnlichkeiten in der Mentalität erkannte. "Wir wollen, dass die jungen Leute kommen, hier lernen und hier bleiben", sagte er, "aber wenn sie zurückgehen und sich dort selbstständig machen, so ist das auch in Ordnung".

Andreas Baur informierte über zwei bislang unbesetzte Ausbildungsstellen als Technischer Systemplaner im Bereich Elektrotechnik in seinem Unternehmen. Geeignete Absolventen der Real- oder Hauptschule können sich darauf bewerben. Er berichtete, sein Planungsbüro habe Erfahrungen mit Arbeitnehmern aus dem Ausland. Es seien viele Vorschriften einzuhalten. "Unser Ziel ist, dass die Leute nach der Ausbildung hier bleiben", sagte Baur unmissverständlich. Er werde in seinem Unternehmen alles so gestalten, dass eine Bindung entsteht. "Ist das auch das Ziel auf polnischer Seite?" Die Frage beantwortete Praktikant Lukasz Janik: "Ja, natürlich", sagte der junge Mann aus Polen. "Ein guter Anfang ist gemacht", fasste Landrat Schneider somit zusammen.