Aus zweiter Reihe in den Beruf durchgestartet
Autor: Sabine Weinbeer
Haßfurt, Mittwoch, 02. April 2014
Bei der Ausbildung ist nicht der Schulabschluss entscheidend, sondern der Mensch, der ihn macht. Drei frühere Mittelschüler aus Haßfurt zeigen, wie sie zielstrebig ihren Weg gemacht haben. Sie wollen Ansporn für ihre Nachfolger sein.
"Unsere Schüler haben jede Menge Potenzial und das bestätigt sich immer wieder, wenn uns Ehemalige besuchen", erklärt Marc Güntsch, stellvertretender Leiter der Albrecht-Dürer-Mittelschule Haßfurt. Drei dieser Ehemaligen fanden sich jetzt zu einem Pressegespräch in ihrer alten Schule ein, um über ihre Erfahrungen in Sachen Karriere mit Quali zu berichten.
Denise Dippold hatte es dafür nicht weit, sie arbeitet als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste Fachrichtung Bibliothek gleich nebenan im Biz im Silberfisch. Die 21-Jährige hat damit noch immer sehr engen Kontakt mit ihrer ehemaligen Schule.
Nicht ohne Stolz erzählt die 22-jährige Julia Wolfschmidt, dass sie in einem halben Jahr ihren Fachwirt abschließen wird. Sie ist Medizinische Fachangestellte in einer Arztpraxis.
Auch Johannes Dickas drückt derzeit neben dem Beruf wieder die Schulbank.
Die Mittelschule kämpfe mit allerhand Vorurteilen, so Marc Güntsch aus dem Lehreralltag. Dabei zeige sich immer wieder, dass für den späteren Lebensweg wichtig sei, dass die Kinder die für sie passende Schulart besucht haben, nicht das Renommee dieser Schulart.
Die größte Unterstützung bräuchten meist nicht diejenigen, die ab der fünften Klasse die Mittelschule besuchen, sondern die, die ab der achten Klasse aus Realschule oder Gymnasium dazu kommen - mit einem ganzen Päckchen an negativen Schulerfahrungen. Dieser Trend sei so stark, dass die Albrecht-Dürer-Hauptschule in den Klassen fünf bis sieben zweizügig ist, ab Klasse acht dann vierzügig weitergeht.
Alle drei Gesprächspartner berichten, dass sie bei der Ausbildung eigentlich nie mit Vorurteilen als Mittelschüler konfrontiert worden seien. "Das Alter und die fehlende Mobilität waren da eher problematisch", sagt Julia Wolfschmidt.
Sie hatte ihre Berufsberater auf eine harte Probe gestellt, denn sie war sehr festgelegt in ihrem Ziel, "Arzthelferin" zu werden. In Sachen Berufsorientierung ist die Mittelschule Haßfurt Projektschule. Bereits ab der 7. Klasse werden die Schüler intensiv mit verschiedenen Berufsfeldern vertraut gemacht und können sich in Praktika ausprobieren.
"Die Julia war da ein bisschen stur, aber schlussendlich erfolgreich", erinnert sich Marc Güntsch lächelnd. Zwar fand sie im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz, besuchte nach dem Abschluss die M9 und dann meldete sich ohne Bewerbung ihr heutiger Chef, der sie von einem Praktikum kannte.
Der ist offenbar sehr zufrieden, denn sie arbeitet noch heute in dieser Praxis und sie wird dort auch ihre neue Qualifikation umsetzen können. Jeden Samstag fährt sie seit eineinhalb Jahren nach Nürnberg, um dort von 9.30 bis 15.30 Uhr die Schulbank zu drücken und den Fachwirt zu erwerben.
Denise Dippold war nicht ganz so festgelegt. Tierarzthelferin oder Arbeit mit Kindern, das schwebte ihr eigentlich vor. Dann war die Ausbildungsstelle im Biz ausgeschrieben, und die Mutter unterstützte ihre Tochter bei der Bewerbung, für die sie sich ohne Mittlere Reife eigentlich keine Chancen ausgerechnet hatte.
In Kombination zur Vollzeit
"Aber der Abschluss war nie ein Thema, sondern die Einstellung zum Beruf", erzählt sie. Lesen war Denise schon immer wichtig und sie ist heute glücklich in ihrem Beruf. Zwar hat sie keine Vollzeitstelle in Haßfurt, aber schnell fand sie in der Bücherei in Knetzgau noch ein zweites Betätigungsfeld.
Im Rückblick ist Denise selbstkritisch: Die Noten hätten durchaus besser sein können, aber "im ersten halben Jahr war während des Blockunterrichts in München die Stadt interessanter als die Schule" gesteht sie ein. Mit 16 Jahren für einige Wochen in die Großstadt und dann selbst entscheiden, ob man lernt oder ausgeht, auch das will gelernt sein.
Johannes Dickas lächelt bei dieser Schilderung, dabei ist er schon in der Mittelschule ein sehr zielstrebiger Schüler gewesen. Als Schulbester machte er damals den Quali, mit dem hervorragenden Ausbildungsabschluss beim Stadtwerk erwarb er den Mittleren Bildungsabschluss, und damit war der Weg frei für die Meisterschule.
Seit eineinhalb Jahren besucht er die Meisterkurse in Dresden, nächstes Jahr wird er seinen Meisterbrief in Händen halten. Das Stadtwerk kann ihm zwar keine Meisterstelle in Aussicht stellen, aber der 22-Jährige ist zuversichtlich. "Was man hat, das hat man." Mit dem Schwerpunkt Fernwärme wählte er eine zukunftsträchtige Sparte.
Marc Güntsch ist stolz auf alle seine Schüler, von denen viele während und nach der Ausbildung regelmäßig Kontakt zur Schule halten, "weil sie wissen, dass sie von uns immer unterstützt werden".
Bürgermeister als Beispiel
Deshalb waren auch so viele bereit, einen Berufsbildungstag mitzugestalten. Sie kamen nach Haßfurt, um den heutigen Schülern von ihren Laufbahnen und Erfahrungen zu erzählen. "Das bringt mehr als die Theorie von den Berufsberatern", stellte Marc Güntsch fest. Und nicht wenige staunten, dass auch der Haßfurter Bürgermeister Rudi Eck über den zweiten Bildungsweg Karriere gemacht hat.