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Auf dem Windrad im Sailershäuser Wald in Haßfurt


Autor: Friederike Stark

Haßfurt, Donnerstag, 27. Oktober 2016

Seit einem Jahr produziert der Windpark im Sailershäuser Wald bei Haßfurt Strom. Wie sieht es eigentlich in und auf einem Windrad aus?
In 140 Metern Höhe hüllt sich der Nebel um das Windrad im Sailershäuser Wald in Haßfurt. Foto: Friederike Stark


Es ist eng im Fahrstuhl. Gerade so reicht der Platz in diesem winzigen Metallkasten für zwei Leute. Beinahe Nasenspitze an Nasenspitze. Immerhin kann man darin stehen. Doch bewegen kann man sich kaum mehr. Der rote Helm nimmt einem die Sicht nach oben - dorthin, wo der klapprige Aufzug gleich hinfahren wird. In die Spitze des Windrades "WEA 5 NX 83950" weit über den Wipfeln der Bäume im Sailershäuser Wald bei Haßfurt.

Zwar fährt der Aufzug offensichtlich nach oben. Doch die Industriekletterausrüstung, die schwer auf den Schultern lastet, gibt einem das Gefühl, nach unten gezogen zu werden. Langsam zuckelt der Metallkasten in die Höhe. Rhythmisch klappern die tellergroßen Karabinerhaken der Ausrüstung gegen die Wände des Aufzugs. Als sich mit einem Mal der Boden zu neigen scheint. Kippt tatsächlich gerade der Aufzug um, wenn auch ganz langsam?


Alles ganz normal

Markus Eichhorn, der mit im Aufzug steht, winkt ganz gelassen ab: "Jetzt neigt sich der Aufzug nach außen - Richtung Wand. Das fühlt sich an, als würde der Boden sich bewegen." Also alles ganz normal.

Eichhorn arbeitet beim Stadtwerk Haßfurt. Der 34-Jährige war von Anfang an in die Planung des Windparks involviert. Er ist regelmäßig im Windpark unterwegs und fährt mindestens einmal im Monat auf eines der zehn Windräder hoch. Logisch, dass bei ihm von Aufregung keine Spur ist.

Mit einem heftigen Ruck endet die Fahrt. Markus Eichhorn hakt einen seiner zwei Karabiner in eine Öse außerhalb des Aufzugs, entfernt den anderen im Aufzug. "Man muss immer mit einem Karabiner gesichert sein", erklärt er. Nun fehlt nur noch ein kleines Stück, bis die Höhe von 140 Metern über dem Boden erreicht ist. Eine kurze Leiter trennt einen vom Maschinenhaus dort oben. Im Nu ist der 34-jährige Maschinenbauer oben. Doch wer das nicht kennt, muss sich ganz schön konzentrieren. Zwar sichert ein Karabiner den Kletterer an der Leiter.

Doch wenn man eine Sprosse nicht gleich erwischt, schlägt das Herz kurzzeitig deutlich schneller. Kaum vorstellbar, dass jemand den ganzen Turm auf der Leiter erklimmen kann. So wie Eichhorn. Denn er hat genau das schon gemacht. "Da brauche ich dann aber schon fast eine halbe Stunde für", sagt er. Eine halbe Stunde eine Leiter hochklettern? Schon beim Gedanken daran brennen einem die Arme.


Oben ist alles viel größer

Im Maschinenraum angekommen, steht eines fest: Alles ist deutlich größer, als es von unten scheint. Die Gondel, wie das Maschinenhaus auch genannt wird, sieht vom Boden aus wie ein kleiner Kasten. Hier oben aber zeigt sich, dass sie so groß ist wie der Innenraum eines Busses. Vollgepackt mit jeder Menge Technik. "Hier drinnen befinden sich der Generator, die Bremse und das Getriebe", erklärt Eichhorn.

Das Windrad steht momentan still - fast. Denn leicht bewegen sich die Rotorblätter immer, außer man blockiert sie manuell, um durch eine Luke in die Nabe zu gelangen, an der die Flügel befestigt sind. "Das Windrad wird bei Arbeiten im Inneren immer abgestellt", erklärt Markus Eichhorn. Dann klettert er auf ein Podest, auf dem er nicht mehr stehen kann. In der Hocke öffnet er ein kleines, unscheinbares Fenster an der Decke. "Schaut neblig aus", sagt er während er aus dem Fenster blickt.


Die Kraft der Natur

Und genau so ist es: Nebel umschließt das Windrad. Es sieht aus wie im Inneren eines Wattebauschs. Kaum ein Geräusch ist zu hören. Ganz langsam drehen sich die drei riesigen Rotorblätter. Ihre Spitzen verschwinden im Nebel.

Das Herbstwetter hat die Aussicht verschluckt. Doch trotzdem ist es wunderschön. Wie auf einem weit entfernten Planeten. Nur der Wind ist zu spüren, zeigt seine Kraft. Eine Kraft, die saubere Energie ermöglicht.

Der Windpark im Sailershäuser Wald in Zahlen:
1,5 Stunden muss sich ein Windrad drehen, um den durchschnittlichen Jahresverbrauch eines Haushalts zu produzieren.

2,4
Megawatt Leistung erzeugt eine Anlage vom Typ Nordex N117, wie sie im Sailershäuser Wald bei Haßfurt steht. Laut Hersteller wurde dieser Typ speziell für Standorte im Binnenland entwickelt. Mit über 3500 Volllaststunden übertreffe sie vergleichbare Anlagen um 20 Prozent.

3 Tieflader braucht es, um die Rotorblätter an den Standort des Windrads zu transportieren.
10 Windkraftanlagen stehen im Sailershäuser Wald. Jeder Turm ist ein Hybrid. Er besteht im unteren Bereich aus Betonschalen, die aufeinander gesetzt und durch Stahlseile stabilisiert werden. Der obere Teil des Turmes und das Maschinenhaus bestehen aus Stahl.

25 Minuten durchschnittlich braucht man, um die Leiter im Turm hochzusteigen.

58 Meter misst jeder der drei Rotorblätter einer Anlage. Sie sind gefertigt aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Mit ihnen wird der Strömung Energie entnommen und sie sind für einen wesentlichen Teil der Betriebsgeräusche verantwortlich.

199 Meter ist eine Windkraftanlage vom Boden bis zur Spitze eines Rotorblattes hoch. Der Rotordurchmesser beträgt bei 117 Meter, die Nabenhöhe liegt auf 140 Metern.

120 Transporte waren nötig, damit alle Teile einer Anlage - vom untersten Ring bis zur Rotorgondel - zur Baustelle befördert werden konnten.

(Quellen: Nordex SE, Stadtwerk Haßfurt) fis/jn