Auch Lehrer waren Abc-Schützen
Autor: Johanna Eckert
Ebern, Dienstag, 15. Sept. 2015
Lernstoff ist ihr Element, denn sie haben den Beruf des Lehrers erlernt. Doch auch Pädagogen mussten früher einmal selbst die Schulbank drücken. Einige von ihnen berichten hier von ihren Erinnerungen an ihre ersten Schultage.
Kreis HaßbergeDer erste Schultag ist ein besonderes Ereignis für jedes Kind und ein großer Schritt in einem neuen Lebensabschnitt - ein unvergesslicher Tag im Leben soll er sein. Unsere Mitarbeiterin Johanna Eckert hat Grundschullehrer aus dem Raum Ebern gefragt, was sie noch von ihrem ersten Schultag wissen.
1942: Karl Hoch, dieser Name sagt den Eberner Bürgern einiges. Der eine denkt dabei ans Heimatmuseum, der andere an den Anlagenring und Erich Steppert an seine Grundschulzeit. Mitten im Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1942, trat der spätere Grundschullehrer als kleiner Bub seine Lehrjahre in der Grundschule in Ebern an. "Karl Hoch war schon ein sehr dominanter Lehrer", ist Erich Steppert im Gedächtnis geblieben. Auch, dass er eine Schultüte bekam: "Aber da war halt wenig drin. Nur das, was wir gebraucht haben. Schiefertafel und Griffelkasten." Mit Heinz Gall und mehr als 30 anderen Kindern saß er in der ersten Klasse im ehemaligen Pfarrzentrum.
Eine getrennte Beschulung nach Geschlecht oder Konfession gab es damals noch nicht. Unterricht am Samstag hingegen schon. "Am Samstag haben wir immer die Anlage gekehrt. Wir haben alle einen Besen mitbringen müssen", erzählt Steppert. Und "am Nachmittag sind wir Kartoffelkäfer lesen gegangen. In einem Glas haben wir die Tiere gesammelt und dann zertreten."
Auch der Krieg und Adolf Hitler haben einen Platz in der Grundschulzeit von Erich Steppert eingenommen. "Wir haben jeden Morgen den Hitler-Gruß machen müssen."
Damals gab es unter den Lehrern nicht so viele Frauen wie es jetzt sind", sagt Steppert. Er liebte die Unterrichtsgänge, die er als Schüler erleben durfte.
38 Jahre lang unterrichtete Erich Steppert selbst an Grundschule in Stadtschwarzach, Kraisdorf und Ebern. Mit Zollstock und Grundrissen zog es ihn immer wieder mit seinen Klassen in die Eberner Altstadt und ihre Vergangenheit.
1950: "Fräulein", sagten die Kinder zur Lehrerin noch 1950, als Alois Voigt seinen ersten Schultag in Obernzell bei Passau feiern durfte. Aber von Feierlichkeiten war nicht viel zu sehen. "Ich war das Kind einer alleinerziehenden Mutter, die exkommuniziert wurde, weil sie sich von ihrem Mann hat scheiden lassen", erzählt der in Bramberg wohnende Familienvater und ehemalige Grundschullehrer: "Eine Schultüte hatte ich nicht. Das Geld war ja knapp." Sein Gefallen an der Schule hingegen war riesengroß. "Ich bin gerne in die Schule gegangen. Ich habe gerne die Hausaufgaben gemacht und die Grundschule relativ gut durchstanden." Am Ende der ersten Klasse hagelte es Einser in seinem Zeugnis, in der vierten Klasse sah das schon anders aus, und einige Jahre später drehte Alois Voigt sogar eine "Ehrenrunde". "Das habe ich aber auch immer den Eltern meiner Schüler gesagt", blickt der ehemalige Lehrer zurück, "dass die Noten nicht allein entscheidend für den Erfolg im Leben sind."
Was Alois Voigt am besten in seiner Grundschulzeit in der Nähe von Passau gefallen hat, waren die vielen Ausflüge, bei denen er stets sein buntes Käppchen getragen hat. Unterrichtet wurde er auch von Offizieren, die im Schnellverfahren zu Lehrern ausgebildet wurden. Sie haben Schreckliches im Krieg erlebt, so blieben die Prügelstrafen nicht aus. Aber Voigt hat ihnen verziehen. "Ich habe der Schule lange Zeit nachgetrauert. Mir hat etwas gefehlt. Ich bin jeden Tag gern in die Schule gegangen", so Voigt, der 39 Jahre lang (bis 2007) unterrichtet hat und die Schulhäuser in Jesserndorf, Bramberg und Ebern kennt. "Mit dem Beruf habe ich mir einen Traum verwirklicht."
1950er-Jahre: "Ach, das ist schon so lange her", sagt Ingrid Mandery, wenn sie an ihren ersten Schultag in den 1950er-Jahren in Steinberg bei Kronach denkt. An eine Sache kann sich die heutige Rektorin der Eberner Grundschule aber noch ganz genau erinnern: "Der Lehrer hatte eine Kriegsverletzung. Er hatte seinen Arm verloren und trug eine Lederhand. So etwas sieht man ja heute nicht mehr." Mit Zöpfen, einer Schürze und einer großen Schultüte wurde sie als kleines Mädchen auf dem Klassenfoto verewigt. "Da wurden wir extra irgendwohin geführt, damit auch das Schulhaus und die Kirche mit auf dem Foto waren."Mandery ist in einem "Schulhaus" aufgewachsen - ihr Vater war Lehrer, ihre Mutter war Lehrerin. "Die Schule und das Lehrersein waren etwas, was ich jeden Tag erlebt habe. Es hat meinen Eltern Freude bereitet. Das war ein Vorbild für mich", entsinnt sich die Grundschulrektorin, die in Würzburg das Studium absolviert hat.
Was ist heute anders in der Grundschule? "Dass der erste Schultag zu einem Fest und einfach etwas größer geworden ist", erklärt Ingrid Mandery, "die Eltern, Familien und Großeltern werden einbezogen. Es ist ein schöner Tag, an dem die ganze Familie dabei ist. Das ist gut so", findet die Rektorin.
1975 Im Jahr 1975 wurde Ulrike Zettelmeier, heutige Rektorin der Grundschule Maroldsweisach und Stadträtin in Ebern, in der Grundschule in Reckendorf eingeschult. Und zwar gegen den Willen ihrer Eltern. "Mein Bruder wurde auch als Oktoberkind frühzeitig in die Schule geschickt und der ist regelmäßig im Unterricht eingeschlafen", kann sich Ulrike Zettelmeier erinnern. Deshalb hielten ihre Eltern nichts von einer vorzeitigen Einschulung der kleinen Tochter. Doch Ulrike Zettelmeier wollte zur Schule, ist ihren Freundinnen aus dem Kindergarten einfach nachgelaufen und hat der Schulleitung selbst erklärt, dass sie eingeschult werden müsse.
"Nur schöne Erinnerungen an die Schule", hat Ulrike Zettelmeier, die an der Universität Bamberg Grundschullehramt studiert hat. Diese berufliche Entscheidung war für sie im Grunde schon in der dritten Klasse geklärt.
Heute wie damals empfindet Ulrike Zettelmeier den ersten Schultag als einen Festtag. "Die Kinder sind total schick angezogen. Wir wurden früher auch herausgebügelt, unsere Haare wurden geflochten", erzählt Ulrike Zettelmeier.
Doch war zu ihrer Grundschulzeit der Pfarrer im Religionsunterricht noch viel strenger, die Kinder mussten ihre Büchertaschen selbst tragen, durften keinen Tintenkiller benutzen und immer heimgehen, wenn der Lehrer mal nicht da war. Aber das wichtigste: "Alles was der Lehrer gesagt hat, war richtig. Auch wenn es falsch war", hat sich Ulrike Zettelmeier aus ihrer Grundschulzeit als Schülerin gemerkt.
Ayas erster Tag
Unter den Grundschülern in Ebern sind aktuell 16 Flüchtlingskinder; unter den Erstklässlern des Jahrgangs 2015 sind es sechs. Eines dieser Kinder, Aya Alachek, haben wir an ihrem großen Tag ein wenig begleitet.Aya ist eine von tausenden in Bayern, ein von sechs Abc-Schützen in Ebern, die sich noch vor wenigen Monaten auf der Flucht in ein sicheres Leben von Syrien nach Deutschland durchgekämpft haben. Die Fast-Sechsjährige hat bereits ein Jahr lang den Kindergarten in Jesserndorf besucht.
Die deutsche Sprache beherrscht sie mittlerweile fließend und viel besser als ihre Eltern. Nun hätte sie eigentlich noch ein Jahr in Ebern in den Kindergarten gehen sollen, doch Grundschulrektorin Ingrid Mandery schätzte sie für schulfähig ein. Eine tolle Sache für die ganze Familie - denn Aya wollte unbedingt in die Schule. "Ich freue mich auf alles. Und: Dass ich alleine heimlaufen kann", war das Fazit von Aya nach ihrem ersten Schultag in Deutschland. Die Hausaufgaben waren schnell erledigt. Erst danach schaute die junge Dame in ihre Schultüte und war hellauf begeistert von den vielen Süßigkeiten, die sie mit ihren Geschwistern teilen will.