Druckartikel: Auch "Gotteskinder" werden in Haßfurt verurteilt

Auch "Gotteskinder" werden in Haßfurt verurteilt


Autor: Friederike Stark

Haßfurt, Montag, 18. April 2016

Eine 71-jährige Mutter hatte Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt und deshalb stand sie in einem Prozess vor dem Amtsgericht Haßfurt.
Eine 71-jährige Rentnerin stand in Haßfurt vor Gericht, da sie wegen des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlebnis angeklagt war. Sie war sich keiner Schuld bewusst und nannte sich selbst ein "Gotteskind". Foto: B. Krause


Die 71-jährige Mutter hatte Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt und deshalb stand sie in einem Prozess vor dem Amtsgericht Haßfurt. Am 11. Januar dieses Jahres war sie zu einer Geldstrafe per Strafbefehl verdonnert worden, weil sie ihren Autoschlüssel nicht vor ihrem Sohn ausreichend versteckt hatte. Denn dieser hatte sich zum wiederholten Male das Auto seiner Mutter "ausgeliehen", obwohl er keinen Führerschein hat.

Die Beschuldigte, die ohne Anwalt im Amtsgericht in Haßfurt erschienen und wegen des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlebnis angeklagt war, zeigte sich völlig uneinsichtig: "Warum soll ich meinen Autoschlüssel vor meinem erwachsenen Sohn verstecken? Was kann ich dafür, wenn er sich den aus meiner Tasche holt?", fragte sie das Gericht. Sie sehe sich nicht dazu in der Lage, auf ihren erwachsenen Sohn wie auf ein kleines Kind aufzupassen. Richterin Ilona Conver machte daraufhin klar: "Sie sind dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass niemand unerlaubt mit Ihrem Fahrzeug fährt. Auch wenn es der eigene Sohn ist."

Als die Angeklagte daraufhin einen Monolog über ihr Leben als praktizierender Christ und ihre christlich geprägten Werte hielt, platzte dem Staatsanwalt der Kragen, und er zitierte aus einem polizeilichen Protokoll. "Sie wurden schon einmal von der Polizei belehrt, nachdem Ihr Sohn schon einmal unerlaubt mit Ihrem Auto gefahren war. Und dort haben Sie sinngemäß gesagt, dass Ihnen das egal sei, weil man Fahrten eh nicht nachweisen könne."

Die Angeklagte nannte das eine Lüge, woraufhin Richterin Conver sie ermahnte: "Ich wäre vorsichtig mit der Behauptung, dass der Polizist gelogen hätte."


Rat der Richterin

Die Rentnerin schüttelte nur den Kopf und sagte, sie sei ein Gotteskind und mache so etwas nicht. Da war auch die Geduld von Richterin Ilona Conver am Ende: "Sie können gerne nach der Verhandlung in die Kirche gehen. Aber ich verklage hier auch Gotteskinder."

Richterin Ilona Conver empfahl der 71-Jährigen dringend, den Einspruch gegen den Strafbefehl lediglich auf die Tagessatzhöhe zu beschränken. "Falls sich der Staatsanwalt nach Ihrem Auftreten hier überhaupt noch darauf einlässt", warnte die Richterin.

Der Staatsanwalt akzeptierte den Vorschlag, wenn auch nicht gerade mit Begeisterung. Die Angeklagte willigte schließlich ein. Nach wiederholter Prüfung ihrer Einkommensverhältnisse wurde die Geldstrafe auf 30 Tagessätze á 22 Euro Euro festgesetzt. Mit der Annahme des Strafbefehls ist das Urteil gegen die Angeklagte rechtskräftig.