Asylkinder stärken den Schulstandort Ebern
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Freitag, 11. Sept. 2015
Eine Umfrage zum Beginn des neuen Unterrichtsjahres zeigt, dass die Schülerzahlen in manchen Schulen im Raum Ebern entgegen allen Prognosen sogar ansteigen. Ein Flüchtlingskind schaffte sogar schon den Sprung ans Gymnasium.
Das neue Schuljahr beginnt ausgerechnet im Schulzentrum an der Gymnasiumsstraße mit einem "Rechenfehler". Wer - wie von vielen Experten vorhergesagt - mit sinkenden Schülerzahlen ob der demografischen Entwicklung gerechnet hatte, wird mit Blick auf die aktuellen Zahlen eines Besseren belehrt. Das Friedrich-Rückert-Gymnasium bleibt auf dem hohen Niveau, die Mittelschule in der Nachbarschaft verzeichnet sogar Zuwachs.
Der Schulstandort Ebern bleibt also gesichert, auch wenn es im Nachbar-Landkreis Coburg Bestrebungen gibt, die Kinder aus der Peripherie ab 2016 nicht mehr nach Ebern zu schicken, sondern sie nach Coburg zu lotsen. Eine entsprechende Anfrage der CSU-/Landvolk-Fraktion wurde im Coburger Kreistag schon beraten.
Dabei geht es ums Geld: Anstelle von Gastschulbeiträgen für den Besuch der Realschule oder das Gymnasium in Ebern ans Landratsamt nach Haßfurt zu überweisen, sollen die Kosten für die Fahrt nach Coburg übernommen werden, so die Meinung einiger Kreispolitiker, die auch schon im Seßlacher Stadtrat diskutiert wurde.
In der Nachbargemeinde Itzgrund hat SPD-Bürgermeister Werner Thomas dazu eine klare Haltung: "Wir in der Gemeinde Itzgrund gehen davon aus, dass unsere Schüler auch in Zukunft die weiterführenden Schulen in Ebern besuchen. Meines Erachtens spricht die räumliche Nähe und die bedeutend kürzeren Schulwege für die Beibehaltung der aktuellen Situation."
Lob aus dem Ministerium
Vorgaben für die Sprengel von weiterführenden Schulen, deren Einzugsbereiche sich über mehrere Landkreise oder auch zwei Bezirke erstrecken, gibt es laut Kultusministerium nicht. Dessen Sprecher Dr. Ludwig Unger verweist auf die Vorgabe, dass jedem Schüler eine Ausbildungsrichtung seiner Wahl offen stehen muss und dazu die Beförderungspflicht in die nächstmögliche Schule besteht, wobei sich Staat und Gebietskörperschaft an den Kosten beteiligen.Unger: "Natürlich ist uns daran gelegen, dass Qualitätsschulen im ländlichen Bereich, so wie in Ebern, bestehen und die Nachfragen entsprechend hoch bleiben."
Dass dies im neuen Schuljahr der Fall ist, belegt eine Umfrage, die unsere Redaktion in der Woche vor dem Schulstart durchführte. Mehr Anmeldungen im Gymnasium als in den drei Jahren zuvor. Mehr Mittelschüler als in den vier Jahren zuvor. Und auch die Realschule, die bei den Anmeldungen in klares Minus verzeichnet, liegt mit insgesamt 565 Schüler über den Prognosen aus den Vorjahren, wie Realschuldirektor Hartmut Weis mitteilte. "Drei Eingangsklassen sind auf Dauer gesichert."
Dabei sei die Aufnahme von Asylbewerber-Kindern, die Weis fest erwartet, noch gar nicht eingerechnet. "Kinder von Asylbewerbern werden momentan in allererster Linie von den Grundschulen und der Mittelschule aufgenommen, da den Kindern meist noch die sprachlichen Grundlagen für eine weiterführende Schule fehlen."
Dies werde sich bald ändern, ist Weis überzeugt. "Asylbewerberkinder, die jetzt in die 1. bis 3. Klasse der Grundschule aufgenommen sind, werden sich beim Übertritt nach der 4. Jahrgangsstufe vergleichbar den generell üblichen Übertrittsquoten aufschlüsseln, d. h. es wird ungefähr ein Drittel der Kinder auf die Realschule wechseln. Hier ist also für die Zukunft auf jeden Fall mit einer Zunahme der prognostizierten Zahlen zu rechnen."
Gymnasium steht allen offen
Eine erste Anmeldung liegt im Friedrich-Rückert-Gymnasium schon vor. Von der Grundschule wechselt ein Junge aus einer Flüchtlingsfamilie in die fünfte Klasse. "Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, nehmen wir gerne mehr auf", erklärt Oberstudiendirektor Klauspeter Schmidt, der die Vierzügigkeit seiner Schule gesichert sieht. Die erfreulich hohe Zahl an Neuanfängern rechtfertigt laut Schmidt auch die Kosten der anstehenden Sanierungsmaßnahmen. "Etwa ein Drittel unserer Schüler sind Gastschüler aus den Landkreisen Coburg und Bamberg. Für die muss unsere Schule attraktiv bleiben, um eventuelle demographische Schwankungen des Heimatkreises auffangen zu können."
Zur Attraktivität zählt der Gymnasiums-Chef auch die Fertigstellung des Hallenbades. "Das ist für uns sehr wichtig." Einen stundenplanmäßigen Unterricht erwartet Schmidt erst ab dem zweiten Schulhalbjahr.
Manche Grundschulen schwinden
Ein indifferentes Bild über die Entwicklung der Schülerzahlen ergab die Umfrage in den Grundschulen der Region. Dabei zeigt sich in Ebern und Maroldsweisach, dass durch Flüchtlingskinder der Stand gehalten wird. Die Eberner Mittelschule verzeichnet gar einen Anstieg. "Das ist eine erfreuliche Entwicklung, haben uns doch die Demographen vor Jahren ganz andere Zahlen prophezeit", rückt Rektor Philipp Arnold frühere Rechenexempel zurecht.
Das führe dazu, dass die Mittelschule weiterhin zweizügig bleibe und jeweils eine Regelklasse und eine gebundene Ganztagesklasse pro Jahrgang (ausgenommen M10) anbiete. Ebenso werde ein offenes Ganztagesprogramm angeboten und "wir versuchen wieder eine Ganztagesgruppe für die Asylbewerberkinder einzurichten.
Dies alles wird von der Awo mitbetreut", so Arnold weiter.
Momentan (Tendenz steigend) besuchen 15 Asylbewerberkinder die Mittelschule. "Die Kinder kommen zumeist ohne jegliche Deutschkenntnisse. Sie werden maßgeblich unterrichtet mit zehn Wochen-Stunden Deutschunterricht und Ethik in einer Art Übergangsklasse bei einer festen Lehrkraft. Eine richtige Übergangsklasse mit 30 Stunden Budget konnten wir aus Stundenmangel leider nicht bilden."
Zusätzliche Lehrkräfte zugeteilt
Die restlichen Stunden verbringen die Asylkinder in den jeweiligen Klassen ihrer Altersstufe und nehmen dort am Sportunterricht, Musikunterricht etc. teil. Am Nachmittag wird vor allem die deutsche Sprache in einer Ganztagesgruppe durch praktische und spielerische Tätigkeiten gefestigt. Allerdings sei der Wechsel der Asylkinder durch Zu- und Wegzug recht bewegt, so dass man sehr flexibel sein müsse, hat Arnold schon Erfahrungen gesammelt.
Eine zusätzliche Lehrkraft wurde der Grundschule wegen der Asylbewerberkinder zugeteilt, die an zehn Stunden in der Woche als feste Bezugsperson Unterricht erteilt. "Die restlichen Stunden verbringen die Asylkinder in verschiedenen Klassen, um die Integration zu fördern", erklärt Rektor Ingrid Mandery, die dabei schon viele Erfolge erlebte.
Zusätzliche Förderung erhalten die Asylkinder einmal in der Woche am Nachmittag von Gymnasiasten, die über die Rotarier eine kleine finanzielle Unterstützung erhalten.