Als sich die Bundeswehr aus Ebern zurückzog
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Dienstag, 09. Sept. 2014
Vor zehn Jahren endete die Geschichte der Bundeswehr in Ebern. Die letzten Soldaten verließen die Kaserne. Jetzt erinnerten "Ehemalige" an die Auflösung der Garnison.
Ihr Auftrag hat noch Bestand. Zu Zeiten des kalten Krieges sahen sie ihre Mission als Friedensdienst. Daran wollen die ehemaligen Angehörigen des Panzeraufklärungsbataillons 12 auch zehn Jahre nach dessen Auflösung festhalten, wie beim Kameradschaftstag zum "Jubiläum", der auch das Ende der Garnison Ebern bedeutete, an alter Wirkungsstätte anklang.
"Wir alle sollten unseren Beitrag dazu leisten, damit die aktuellen Krisen wie in Osteuropa, dem Balkan oder im Nahen Osten humanitär abgewickelt werden", appellierte Harry Bohl, der Vorsitzende der Kameradschaft, beim Totengedenken am Ehrenhain an die Versammelten, die maximal Zugstärke einnahmen. Gekommen waren ehemalige Aufklärer und Grenadiere aus ganz Nordbayern.
Der Nachwuchsmangel war ein Problem, das Bohl ansprach: "Wir sind wie ein Busch, der von unten her vergreist."
Ganz andere Dimensionen klangen bei Bernhard Ruß (SPD) an, der als Bürgermeister der einstigen Patengemeinde Sand nicht nur an viele gesellige Zusammenkünfte erinnerte, sondern ernste Töne anschlug: "1990 dachten wir, es braucht keine Bundeswehr mehr. Jetzt stehen wir an der Schwelle zum nächsten kalten Krieg, deswegen benötigen wir Streitkräfte und das hat auch seinen Preis."
Viele Uniformträger waren nicht mehr unter den Veteranen. Das einzige aktive Mitglied der Kameradschaft ist Uwe Hagedorn, der als Oberstleutnant in Veitshöchheim stationiert ist.
Eine Einheit mit Ansehen
Des Weiteren war Oberstleutnant Ingo Korzetz aus Gotha angereist, der Kommandeur des Aufklärungsbataillons 13, dessen Einheit die Tradition des "stolzen und erfolgreichen fränkischen Panzeraufklärungsbataillons 12", so Korzetz, wach hält.
Ähnliche Attribute wählte der ehemalige Kommandeur Uwe Nerger, zwischenzeitlich zum General in Straußberg bei Berlin aufgestiegen, der in einer Grußadresse von einem Vorzeigebataillon sprach, dessen Leitung seine prägendste Aufgabe gewesen sei, da "ich mit hoch professionellen Kameraden zusammenarbeitete".
Doch all diese Meriten und Fürsprecher verhinderten die Auflösung nicht, wie sowohl Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) als auch der einstige Stadtrat Willibald Laubender feststellten. Hennemann sprach von einem einschneidenden Datum in der Stadtgeschichte. Die vielfältigen Versuche einer Nachnutzung hätten zu einem Kraftakt der Stadt, dem Kauf, geführt. "Jetzt stellt sich heraus, dass es der einzig richtige Schritt gewesen ist. Die einstige Kaserne ist bunter geworden, so viele Menschen wie zu Bundeswehrzeiten wird es aber nicht mehr geben."
Hennemann verwies ebenso wie der Kollege Ruß auf die "angenehme Zusammenarbeit", die Ruß an den Sammlungen für die Kriegsgräberfürsorge festmachte, die "ebenso wie die vielen gemeinsamen Feste in der Bevölkerung bestens angekommen sind". Auch erwähnte der Sander Bürgermeister die Auslandseinsätze der Patenkompanie, als "die Befindlichkeiten der Familien bei uns hautnah angekommen sind".
Im Sander Rathaus werde durch den Patenschaftswimpel und einer Dokumentation der Zusammenarbeit die Erinnerung wach gehalten. Ein Ansatz, den auch Christian Napp, gebürtiger Eberner und Vorsitzender des Reservistenverbands, wählte: "Wir haben mit beiden Eberner Bataillonen bestens zusammengearbeitet, und solange wir darüber reden, leben diese Bataillone."
Den Wandel in der Truppe führte Willi Kleinlein vor Augen: "Von ehemals 5000 Panzern gibt es in der Bundeswehr noch 235." Ein Aufklärungsbataillon setze jetzt auf Drohnen und andere elektronische Geräte, sei damit immer noch "Aug' und Ohr der Truppe".
Altstadtrat Willibald Laubender erinnerte an den Einzug der Zwölfer am 1. April 1971. "Der Marktplatz war voll." Die Bundeswehr habe in all den Jahren seit Dezember 1962 viele Betreuungsaufgaben übernommen. "Wenn wir sie gebraucht haben, war sie zur Stelle. Ebern war stolz auf seine Soldaten und gegen eine Auflösung. Die Bundeswehr war ein Wirtschaftsfaktor und berührte den Existenzbereich fast jeden Mitbürgers." Laubender zweifelte daran, dass ohne die Kaserne die Umgehung der B 279 gekommen wäre. "Schauen wir nur nach Baunach, Reckendorf und Pfarrweisach."
"Noch traurig"
Auch Schulen, Freibad, die Wasserversorgung, der Bau der Kläranlage, der Erhalt der Polizei und der Bahnlinie hingen eng mit der Bundeswehr zusammen. "Auch nach zehn Jahren sind wir noch traurig, dass der Standort aufgelöst wurde, sind aber auch dankbar, dass wir Garnisonsstadt sein durften."
Den Abschluss bildete eine kleine Serenade, bei dem das Blasorchester Ebern den Coburger Marsch, die Hymne der Eberner Aufklärer, anstimmte. Gezeigt wurde der Film vom Auflösungsappell samt dem Einrollen der Fahne.
Eine Zeremonie, die sich am Freitag in Bamberg wiederholen wird, wenn nach 69 Jahren die letzten US-Soldaten abrücken und damit das Ende der Domstadt als Garnisonsstadt besiegeln. Dort waren einstmals auch die 17er-Reiter stationiert gewesen, deren Tradition in Ebern weiter gepflegt worden war.
Auch die Eberner Militärgeschichte ist passé. Nur noch zu sehen im Garnisonsmuseum in den Bunkerräumen unter dem jetzigen Landhotel "Stadl".
Es war eine besondere Rückkehr: Oberstleutnant Ingo Korzetz kehrte von Gotha aus an seine alte Wirkungsstätte zurück. "Ich bin ein alter Zwölfer", brüstete sich der junge Offizier. Von 1992 bis 1994 erlebte er prägende Jahre als Zugführer unter dem damaligen Kommandeur Alois Reimer. "Die Tage in der zweiten und dritten Kompanie haben mein dienstliches Leben geprägt und bis zum heutigen Tag begleitet."
Nach 20 Jahren hatte Korzetz nach eigener Aussage "noch klare Bilder von der Balthasar-Neumann-Kaserne im Kopf". Staunte umso mehr, als er die einstige Wache in Ebern passierte: "Es ist einiges bunter geworden", sagte er angesichts des einstigen Stabsgebäudes.
Den Wandel führte auch Bürgermeister Jürgen Hennemann vor Augen: "Jetzt gibt es hier Gastwirtschaften, Hotel, Künstleratelier, Handwerker und viele Firmen, die Arbeitsplätze geschaffen haben." Jetzt zieht auch das Eberner Bayernwerk-Team von der Telekom-Vermittlungsstelle am alten Hohlweg in ein einstiges Kasernengebäude der Aufklärer um.
Besonders stellte der Bürgermeister das soziale Zentrum mit Rot-Kreuz-Rettungswache, Caritas-Sozialstation und Arbeiterwohlfahrt heraus. "Jetzt kommt noch eine Asylbewerber-Unterkunft hinzu."
Nur noch zwei Gebäude stünden zum Verkauf, vier andere seien aktuell noch ungenutzt. "Die Gespräche laufen, aber es ist etwas im Schwange."
Eine besondere Rückkehr war es auch für Bernd Heinisch aus Wiesentheid. "Ich bringe zurück, was von meinem Soldatenleben übrig blieb", sagte der einstige Stabsunteroffizier, der im Juli 1963 von Wildflecken aus zur Ausbildungskompanie 15/4 des Jägerbataillons 101 versetzt wurde.
Er kommt häufiger nach Ebern. "Wir haben eine Kameradschaft der einstigen Ausbilder der 15/4 mit rund 20 Mann und treffen uns jedes Jahr beim Eberner Altstadtfest", erzählt der 72-Jährige stolz.
Heinisch sucht noch Zeitzeugen oder Dokumente zu einem Unfall im Herbst 1963 oder Frühjahr 1964 nahe Hofstetten, bei dem einige Soldaten auf der Heimfahrt nach einem Unfall in ihrem Auto verbrannten. "Das waren alles Leute aus dem Raum Schweinfurt, und eigentlich sollte ich auch mitfahren, aber dann war die Kiste voll." Jetzt hat Bernd Heinisch in Stammheim einen Verwandten des einzig Überlebenden kennen gelernt, der mehr über die damaligen Geschehnisse wissen möchte. Der Wiesentheider ist sicher: "Das krieg' ich noch raus."