Druckartikel: Als Polizeisprecher immer an den Brennpunkten

Als Polizeisprecher immer an den Brennpunkten


Autor: Klaus Schmitt

Haßfurt, Dienstag, 10. Februar 2015

Karl-Heinz Schmitt gehört zu den wenigen Menschen, die ihren Traumberuf gefunden haben. Der Haßfurter hört als Sprecher des Polizeipräsidiums auf. Mit 61 Jahren geht er in den Ruhestand und schaut garantiert keine Fernsehkrimis.
Karl-Heinz Schmitt (rechts vorne) in seinem Element: Als Pressesprecher des Präsidiums unterrichtet er Journalisten über den Einsatz eines Sonderkommandos der Polizei Mitte März 2008 in Altershausen. Dort hatte die Polizei einen US-Soldaten erschossen, der zwei Frauen in seine Gewalt gebracht hatte. Der Mann war geflüchtet, von den Spezialkräften gestellt und in einer Bedrohungssituation getötet worden.  Foto: Ronald Rinklef


Es gab einen Moment, da sah Karl-Heinz Schmitt seine Karriere bei der Polizei den Bach runtergehen. Es war Ende der 1980er-Jahre. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres brannte es auf dem Gelände eines großen holzverarbeitenden Betriebes in Ebelsbach. Das Feuer wütete. Der Wind fachte es immer wieder an. Feuerbälle jagten wie springende Fußbälle über die Straßen in Richtung des Ortes. Ein Feuerwehrauto verbrannte in den Flammen, weil die Einsatzkräfte es nicht schnell genug in Sicherheit brachten. "Das war der größte Brand, den ich jemals erlebt habe", erinnert sich Karl-Heinz Schmitt, der damals als Angehöriger der Inspektion Haßfurt Einsatzleiter der Polizei war.

"Wir haben alles im Griff"

Und immer wieder tauchte ein älterer Herr bei Karl-Heinz Schmitt auf und wies darauf hin, dass die Polizei doch bitte alles tun möge, damit sich das Feuer nicht auf Ebelsbach und den Ebelsberg ausdehnt. "Wir haben alles im Griff", beruhigte Schmitt den besorgten Mann. Der kam trotzdem immer wieder mit seiner Bitte, und irgendwann hatte Schmitt die Nase voll und fertigte ihn mit ein paar barschen Worten ab.

"Wissen Sie, wer das war?", fragte ihn später sein Chef Oswald Holmer, damaliger (inzwischen verstorbener) Leiter der Polizeidirektion in Schweinfurt. Schmitt wusste es nicht, aber Holmer sagte es ihm. Der Unbekannte war kein Unbedeutender, stellte sich heraus.

Am nächsten Tag wurde Schmitt nach Schweinfurt bestellt. Zum Chef. Aha, vermutetet Karl-Heinz Schmitt, da hat sich einer beschwert. "Ich habe meine Karriere im Arsch gesehen", hatte er damals auf dem Weg nach Schweinfurt ein mulmiges Gefühl.

Ein Lob vom Chef

Es kam anders. Oswald Holmer sprach seinem Kollegen für die umsichtige Einsatzleitung beim Großbrand ein Lob aus und holte ihn - von einem Tag auf den anderen - in die Einsatzzentrale der Direktion, die damals für die ganze Region Main-Rhön zuständig war.

Die Einsatzleitung war ein wichtiges Sprungbrett auf seinem weiteren beruflichen Weg. Schmitt wurde Sprecher der Direktion Schweinfurt und später, nachdem alle Direktionen in Bayern aufgelöst worden waren, Teamleiter in der Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken in Würzburg.

Dabei hatte er seine beruflichen Weichen eigentlich anders gestellt. Er wollte Lehrer werden. Karl-Heinz Schmitt, der aus Oberthulba im Kreis Bad Kissingen stammt, hatte sein Lehrer-Studium fast fertig, als er es 1979 "von heute auf morgen abgebrochen" hat. "Ich weiß bis heute nicht warum", gesteht er.

Im Alter von 26 Jahren sattelte er um, wollte Polizist werden, auch weil sein Bruder und ein guter Bekannter schon Polizisten waren. "Das hat mich interessiert."

Es klappte. Er wurde genommen und stieg im mittleren Dienst ein. Später schlug er die Laufbahn des gehobenen Dienstes ein. Stationen waren Nürnberg, Ebern und Haßfurt und die Einsatzzentrale in Schweinfurt. Dort wurde er 1997 gefragt, ob er Pressesprecher der Direktion werden wolle? "Ich konnte mir das vorstellen. Das liegt mir", dachte er sich.

Kaum hatte er angefangen, passierte ein spektakulärer Kriminalfall. Ein Sexualstraftäter hatte ein Mädchen aus dem Kreis Rhön-Grabfeld im Auto nach Thüringen verschleppt. Der Fall erregte Aufsehen. Die Medien wollten Informationen. Mehrere Tage stand ein Übertragungswagen des Fernsehsenders RTL an der Direktion in Schweinfurt. Schmitt musste Interviews live geben für die Hauptnachrichtensendung von RTL. Nicht einfach: "Ich war ein halbes Jahr lang brutal aufgeregt, wenn ich Live-Interviews führen musste." Das ging so weit, dass er den Job sogar hinwerfen wollte, wenn sich das nicht bessert. Es wurde besser.

Auf der Karriereleiter ging es weiter hinauf. Schmitt wurde Teamleiter der Pressestelle am Präsidium in Würzburg und war damit für ganz Unterfranken zuständig. Das ist eine Aufgabe, die "viele Fallstricke hat", wie Schmitt heute weiß. Aber "ich bin relativ unbeschadet durchgekommen". Wichtig sei, immer zu wissen, was die Polizei für die Öffentlichkeit herausgeben darf und was nicht. Täterwissen zum Beispiel ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Beim Abwägen spielt die Erfahrung eine große Rolle.

Und er wusste auch, dass die Polizei die Medien nicht nur mit Fahndungsaufrufen für ihre Zwecke einspannen darf, sondern auch liefern muss. Bunte Geschichten zum Beispiel, die sonst nicht an die Öffentlichkeit dringen würden, wenn sie die Polizei nicht weitergeben würde, anonymisiert natürlich. Intern trug ihm sein Bemühen, solche Meldungen zu verbreiten, den Vorwurf ein: "Du bist ja schon mehr Journalist als Polizist."

Wenn der heute 61-Jährige, der noch wenige Tage im Februar zu arbeiten hat, zurückblickt, überwiegen bei ihm die schönen Momente. "Ich war immer da, wo etwas los war. Jeder Fall war eine neue Herausforderung."
Heute ist sich Karl-Heinz Schmitt sicher: Er hat seinen Traumberuf gefunden. Auch dank seiner Kollegen und der Vorgesetzten, die ihm die nötige Freiheit für seine Arbeit gelassen haben.

Viel Leid gesehen

Traumberuf? Bei so viel Leid, das ein Polizist auch zu sehen bekommt. Ja, sagt der Haßfurter. Trotzdem. Er hat viele schlimme Unfälle und Verbrechen gesehen. Richtig gesehen, denn als Pressesprecher war er oft vor Ort und arbeitete nicht nur vom Schreibtisch in Würzburg aus.

Karl-Heinz Schmitt sagt von sich selbst, dass er in der "glücklichen Lage" ist, schreckliche Bilder gut zu verkraften. Dabei hilft: Seine Frau arbeitet selbst bei der Polizei und hat viel Verständnis für solche Situationen.
Und: Die Betreuung von Einsatzkräften in Krisenfällen, nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei Feuerwehr und Rettungsdienst, hat inzwischen enorme Fortschritte gemacht. Vor allem die Notfallseelsorger "leisten tolle Hilfe". Heute werde "niemand allein gelassen". Polizisten müssen nicht nur starke Männer sein, sondern dürfen auch mal weinen.

Handwerkliche Fehler

Freut er sich nach einem erfüllten Polizistenleben eigentlich auf den Ruhestand? Eher nicht. "Freude schaut anders aus", gesteht Karl-Heinz Schmitt. Wehmut kommt auf. Er könnte sich vorstellen, dass er sich künftig sozial engagiert, in der Behindertenarbeit vielleicht.

Eines weiß er gewiss. Vor den Fernseher hocken wird er sich nicht. Vor allem wird er keine Krimis im TV verfolgen. "Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als Krimis anzuschauen." Zu viele handwerkliche Fehler unterlaufen den Fernsehleuten. Da ist ein Polizist im ersten Serienteil Obermeister, dann wird er Kommissar und im dritten Film ist er wieder Obermeister. Schmitt blickt auf die Schulterstücke mit den Rangabzeichen. Da wird der Erste Polizeihauptkommissar (EPHK) aus Haßfurt immer ein Polizist bleiben.




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Die schlimmen Seiten des Polizisten-Berufs