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Ärztetest im Landkreis Haßberge: Privat bevorzugt?


Autor: Friederike Stark

LKR Haßberge, Freitag, 18. Sept. 2015

Wenn's zwickt und zwackt, geht's zum Arzt. Doch sind die Schmerzen eines Privatpatienten dringlicher als die eines gesetzlich Versicherten? Der Fränkische Tag hat's getestet und bei Ärzten aus dem Landkreis Haßberge angerufen - erst als Kassen-, dann als Privatpatient.
Symbolbild


Die Schilddrüsenwerte sind auffällig. Anruf beim Radiologen. Terminvorschlag: 26. Juni 2016! Fast ein Jahr Wartezeit. Und das trotz Überweisung des Hausarztes. So erging es einer Kollegin aus Oberfranken. Grund für den Fränkischen Tag, mal nachzuhaken. Wie schnell bekommen Patienten im Landkreis Haßberge einen Termin und machen die Ärzte Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten?


Fünf Fachrichtungen ausgesucht

Also ab ans Telefon. Unser fiktiver Kassenpatient heißt Tobias Fischer. Der Name unserer privat versicherten Figur ist Claudia Schmidt. Beide sind 30 Jahre alt. Zuerst ruft Tobias Fischer bei den verschiedenen Ärzten an. Erst dann macht Claudia Schmidt ihre Arzttermine aus. Denn wenn kein Unterschied zwischen den Versicherten gemacht würde, müsste der Kassenpatient als erster Anrufer auch den früheren Termin erhalten - wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Unsere fiktiven Patienten haben - immer kurz nacheinander - vier Fachärzte und einen Allgemeinmediziner aus dem Landkreis Haßberge angerufen. Dabei gaben die beiden Testpersonen immer die gleichen Gründe für einen Behandlungstermin an. Mal handelte es sich um eine Vorsorge, mal um akute Schmerzen.


Beim Orthopäden

Claudia und Tobias leiden beide seit längerer Zeit unter leichten Rückenschmerzen. Nun sind sie stärker geworden. Tobias könne Mitte bis Ende November kommen. Mit Überweisung des Hausarztes samt genauer Beschreibung der Symptome wäre ein früherer Termin auch möglich.

Claudia klingelt durch, selbstverständlich während der Sprechzeiten. Am ersten Tag zehn Versuche, am zweiten Tag klingelt sie gar 20 Mal durch. Und hört die immer gleiche Ansage "Im Moment sind alle Leitungen belegt. Bitte probieren sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal." Claudia gibt auf. Auch die private Versicherung schützt nicht vor Unerreichbarkeit.

Also neues Glück bei einem anderen Orthopäden. Tobias ruft als erster an. Überweisung? "Nein, kann ich aber besorgen. Privat oder gesetzlich? "Gesetzlich." Terminvorschlag in einer Woche: Freitag, 25. September. Claudia ruft an. Beantwortet die gleichen Fragen. Terminvorschlag: Montag, 21. September. Vier Tage Differenz.


Beim Zahnarzt

Tobias und Claudia wollen zur Vorsorge. Tobias kann am 7. Oktober kommen. Drei Wochen. Er hakt nach. "Geht es nicht früher?" Kurze Pause. "Am 29. September ist noch was frei." Wartezeit um eine Woche verkürzt. Ohne, dass die Arzthelferin die Versicherung kennt.

Claudia ruft an. Terminvorschlag: 12. Oktober. "Geht es nicht früher. Ach übrigens, ich weiß nicht, ob es relevant ist, ich bin privat versichert." - "Nein, das ist nicht relevant." Es bleibt beim 12. Oktober.

Wir lassen die Tarnung auffliegen und fragen beim Chef nach. "Meine Mitarbeiterinnen haben die Anweisung, jeden gleich zu behandeln", erklärt Zahnarzt Tino Hartwig aus Zeil. Schmerzpatienten würden meist noch am gleichen Tag einen Termin bekommen. "Für Schmerzpatienten haben wir jeden Tag extra eine halbe Stunde geblockt", erklärt Hartwig. Für alle anderen gilt der nächstmögliche Termin. "Schließlich sind alle Patienten gleiche Menschen", sagt der Zahnarzt.


Beim Hausarzt

Ein Check-up ist das Anliegen der beiden Testpersonen beim Hausarzt. Die Mitarbeiterin am Telefon fragt nach dem Alter sowie der Versicherung. Anschließend klärt unsere Patienten auf: "Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt erst ab einem Alter von 35 Jahren eine solche Vorsorgeuntersuchung alle zwei Jahre." Tobias will trotzdem und kann ohne festen Termin vorbeikommen.

Claudia sagt gleich zu Beginn, dass sie privat versichert ist. Sie wird nur nach dem Alter gefragt und erhält sonst die gleiche Aussage wie Tobias. "Einfach vorbeikommen."


Beim Augenarzt

Die Brille, sie passt nicht mehr so ganz. Beim Autofahren merken unsere zwei Patienten, dass sie schlechter sehen. Tobias bekommt einen Termin am kommenden Freitag. Nach der Versicherung wird er nicht gefragt.
Claudia hingegen erwähnt schon im ersten Satz, dass sie privat versichert ist. "Wir haben nächste Woche wieder Termine", erklärt die Mitarbeiterin. Am Mittwoch Claudia kann kommen.


Beim Internisten

Seit einigen Wochen machen Magenschmerzen unseren beiden Patienten zu schaffen. Tobias sollte bei Schmerzen möglicherweise gleich auch eine Magenspiegelung machen lassen, empfiehlt ihm die Mitarbeiterin am Telefon. Das ginge in vier Wochen. Erst Untersuchung um 10.45 Uhr und wenn nötig um 11.15 Uhr gleich die Magenspiegelung. Früher ginge nicht, der Chef ist im Urlaub. Trotz gleicher Symptome wird Claudia keine Magenspiegelung empfohlen. Vermutlich deswegen erhält sie einen Termin zwei Tage früher. Dann spielt sie ihren Joker aus; "Geht's früher, ich bin privat." Nein, geht es nicht.




Kommentar von Friederike Stark

Fünf Ärzte und alle konnten Termine innerhalb von vier Wochen, die meisten sogar innerhalb von 14 Tagen gewährleisten - egal ob der Anrufer privat oder gesetzlich versichert ist. Sicher, hier und da hat der Privatpatient mal einen Termin zwei Tage früher erhalten. Doch das ist marginal im Vergleich zu einem Beispiel unserer Coburger Kollegen, bei denen ein Kassenpatient sieben Wochen, ein Privater sieben Tage auf einen Termin bei einem Facharzt warten musste. Hier ist es anders. Denn obwohl die Ärztedichte nicht mit der etwa in Stadt und Landkreis Bamberg zu vergleichen ist, so gibt es dennoch in vielen Fachrichtungen genügend Praxen, um dem Patientenansturm vor Ort gerecht zu werden. Daher müssen die Mediziner im Landkreis gar keinen Unterschied zwischen den unterschiedlich versicherten Patienten machen. Und manch einer will genau das auch gar nicht wie unsere Recherche ergab. Im Gegenteil: Der Arzt mit der längsten Wartezeit vergab den früheren Termin an denjenigen, der als erster angerufen hatte. Ungeachtet der Versicherung. Sicher, nicht jede Fachrichtung gibt es im Landkreis Haßberge. Dann muss auch unsereins nach Bamberg oder Schweinfurt ausweichen und damit meist längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Doch noch sind wir hier gut versorgt.