Druckartikel: Ab in Eberns unbekannte Unterwelt

Ab in Eberns unbekannte Unterwelt


Autor: Johanna Eckert

Ebern, Montag, 14. Sept. 2015

Der Bevölkerung stand eine alte Kelleranlage offen, die weite Teile der Altstadt untergraben hat. Die Veranstalter erlebten einen regelrechten Ansturm unter Tage.
Ebenso vorsichtig wie erstaunt tasteten sich die Eberner bei der Führung in die Unterwelt ihrer alten Stadt vor. Foto: Johanna Eckert


Dem Experten nach ist es in Nordbayern eine einzigartige Sache, aber ein einmaliges Erlebnis soll es für die Besucher nicht gewesen sein: Am Sonntag, dem bundesweiten "Tag des offenen Denkmals", stiegen Interessierte in die Kelleranlage der Gaststätte "Vera Cruz" am Marktplatz in Ebern hinab und entdeckten Geschichte. Bernhard Häck, Hohlraumforscher am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, führte durch den Untergrund und eine Schar von Männern, Frauen und Kindern folgte ihm.

"Das Interesse ist offensichtlich sehr groß", stellte Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) erfreut fest, der selbst eine zweite und dritte Besuchergruppe durch die alten Gemäuer führte, denn der Archäologe Häck war an diesem Tag auch andernorts gefragt (siehe zum Beispiel Bericht unten)."Aber vielleicht hat die Stadt Ebern ja Interesse, dann werde ich noch öfters hierher kommen", wagte Häck einen Blick in die Zukunft.
Die Bürger jedenfalls hatten großes Interesse. Schon Tage vor dem Denkmaltag war die Führung durch den "Vera Cruz"-Keller ausgebucht. Der Andrang von mehr als 75 Besuchern übertraf alle Erwartungen. "Vera Cruz-Chefin Linda Maria Wohlfahrt-Ortíz war in den letzten tagen immer wieder auf die Keller angesprochen worden. "Die wollen das sehen", erzählte die Gastronomin, die in der Kelleranlage großes Potenzial sieht.


Im Burgsandstein

Aber jetzt "Helm auf!" und ab in die Vergangenheit. Die ganze Geschichte der Kelleranlage begann bereits vor 220 Millionen Jahren. "Damals lag Ebern noch an einer Meeresbucht", erklärte Experte Bernhard Häck, "als sich das Meer zurückgezogen hatte, ist der Sand getrocknet." Daraus wurde Burgsandstein, auf dem die Stadt Ebern zumindest an Ort und Stelle des "Vera Cruz"-Restaurant gebaut wurde.
"Es ist eine sehr sehr komplexe Bauabfolge, die zwischen dem 13. und dem 19. Jahrhundert auf verschiedenen Etagen entstand", veranschaulichte der Hohlraumforscher, bevor es tief hinab durch einen Brunnenschacht mit Wendeltreppe in den Brunnenstollen ging. Aufgrund des Brunnens vermutet Bernhard Häck übrigens, dass "an dieser Stelle mal eine größere herzogliche Siedlung gestanden hat."


Alte Kellerrechte

Wer den Brunnenstollen passiert hatte, stand nach einer Rechtskurve in einer Kelleranlage mit etlichen Seitennischen. Diese heißen zwar "Kellerrechtsnischen", doch gibt es sie rechts und links vom Gang zu entdecken. "Die sind heute noch ganz wichtig", betonte Bernhard Häck. Jeder einzelne Kellerrechtler besaß eine solche Nische. Eingetragen im Grundbuch beim Amtsgericht, zeigen sie an, wer die Besitzer des Kellers sind und für anfallende Renovierungen zur Kasse gebeten werden können.
Danach sanken das Erdniveau und die Temperatur: Durch einen Trockenkeller führte der Hohlraumforscher durch das Hanke-Anwesen in der Hirtengasse wieder ans Tageslicht. Ein staunendes "Ah" und "Oh" ging durch die Runde der Besucher, die der Sache im Wortsinn auf den Grund gingen. Nun war auch der Grund für die terrassenförmige Ansiedelung von Ebern erklärt. "Das hebt alles andere auf. Es liegt nun eine ganz andere Geschichte vor, als wir eigentlich bisher angenommen haben", räumte der Archäologe Häck ein. Auf die Historiker wartet Arbeit.


Weitere Nachforschungen

Doch zunächst wird Bernhard Häck eine Stellungnahme schreiben, mit der die Stadt Ebern Fördermittel für die Vermessung des Kellers beantragen kann. "So könnten wir dann auch Anlagen von anderen Besitzern vermessen", meinte Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD). Das Problem dabei jedoch: "Wir kennen die Keller im Moment nicht. Manchmal sind sie eingezeichnet. Aber da gibt es nichts Amtliches." Eberns Unterwelt ist derzeit noch ein Geheimnis. Vielleicht trifft man eines Tages auf ein verstecktes Labyrinth?
Falls ja, dann hat Bärbel Dreßel aus Ebern jetzt bereits einige Gänge davon gesehen. "Das ist schon sehr interessant", gestand sie nach der Führung, "wie er gesagt hat, das geht 60 Meter nach hinten und zwölf bis 13 Meter in die Tiefe. Ich habe so etwas noch nie gesehen."
Zweiter Bürgermeister Harald Pascher (FDP) fand's ebenfalls "interessant und eindrucksvoll". Neugierig ist er , wie viele Häuser noch unterkellert sind."
Die Gastronomin Linda Maria Wohlfahrt-Ortíz ist gespannt, welchen Weg der historische und besondere Fund nun einschlägt. "Ob die Stadt was macht?", ist ihre große Frage. Sie jedenfalls hat den Kopf voller Ideen und will den Keller nicht sich selbst überlassen.