300 Briefe landen im Steigerwald in einem Steintrog
Autor: Klaus Schmitt
Koppenwind, Dienstag, 14. März 2017
Ein Spaziergänger hat in Koppenwind Postsendungen auf dem Zeltlagerplatz gefunden. Die Gemeinde Rauhenebrach und die Polizei wurden eingeschaltet.
Es war nur ein ganz subjektiver Eindruck: Einige Bürger in Koppenwind hatten vor Wochen den Verdacht, dass sie nicht mehr so viel Post erhalten wie üblich. Das lässt sich natürlich nicht belegen, denn niemand kann ganz genau vorhersagen, wann er welche Postsendung bekommt. Viele Briefe treffen unerwartet ein. Aber falsch lagen diese misstrauischen Koppenwinder mit ihrer Vermutung nicht. Es fehlte tatsächlich Post.
Anfang Februar machte ein Koppenwinder Bürger einen Spaziergang. Er verließ den Ort in Richtung des Zeltlagerplatzes, der am Rand des Rauhenebracher Gemeindeteils liegt. Auf dem Zeltlagerplatz, der zurzeit nicht genutzt wird, ging er um das Betriebsgebäude. Und er traute seinen Augen nicht: Im Wassertrog aus Stein, der an der Rückseite des Holzhauses steht, entdeckte er einen Haufen Papier. Zunächst dachte der Koppenwinder, der seinen Namen nicht veröffentlicht haben will, an Abfall. Hier hat ein Umweltsünder seinen Müll entsorgt, war sein erster Gedanke. Bei genauerem Hinsehen bemerkte er aber, dass der Haufen irgendwie geordnet wirkte. Und er erkannte: Das sind alles Briefe. Damit hatte der Spaziergänger nicht gerechnet. "Du denkst überhaupt nicht an so etwas", schilderte er unserem Portal.
Wie sortiert lagen Briefe und Reklame-Sendungen in dem Steintrog. Sie waren noch geschlossen und sie befanden sich bereits rund einen Monat da, müssen also etwa Anfang Januar dort platziert worden sein, wie sich aus dem Stempeldatum einzelner Briefe ablesen ließ. Der Spaziergänger war völlig überrascht. "Ich wollte es nicht wahrhaben. Das kann doch nicht sein", dachte sich der Finder.
Was tun? Der Spaziergänger aus Koppenwind fotografierte den Fund, packte ihn in sein Auto, das er später geholt hatte, und brachte ihn zur Gemeindeverwaltung in Untersteinbach. Dort übergab er den Fund an Bürgermeister Matthias Bäuerlein. Der wandte sich an die Polizei in Haßfurt. Auch weil er vermutete, dass hier eine Straftat vorliegt: die Verletzung des Briefgeheimnisses.
Auf jeden Fall ist der Bürgermeister sauer, dass so etwas passieren kann. Das Ganze sei "skandalös". Immerhin sei hier verantwortungslos mit "hochsensiblen Daten" umgegangen worden, betont Matthias Bäuerlein. "Das ist ein starker Eingriff in das Briefgeheimnis."
Die Polizei leitete eine Untersuchung ein, wie der Leiter der Inspektion in Haßfurt, Norbert Mohr, bestätigte. Die Polizei nahm die Ermittlungen wegen Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses auf; eventuell kommt eine Unterschlagung hinzu. Die Beamten werten den Fund nicht als Bagatelle. Immerhin handelte es sich um rund 300 Briefe und zahlreiche Werbesendungen. Die Polizei setzte auch die Staatsanwaltschaft von dem Vorgang in Kenntnis. Und sie fand heraus, dass ein Zusteller der Post einfach die Postsendungen in den Steintrog geworfen hatte.
Solche Fälle sind für die Polizei die Ausnahme, weiß Norbert Mohr. "Das kommt selten vor." Über die Beweggründe des Verdächtigen, der nicht aus dem Kreis Haßberge kommt, kann der Polizeichef nur rätseln, denn bisher wurde er nicht angehört. "Wir wissen das Motiv nicht." Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine Aushilfskraft.
Der Zusteller ist mittlerweile nicht mehr bei der Post tätig. Das bestätigte Alexander Böhm, Pressesprecher der deutschen Post (Frankfurt), auf Anfrage. Das Motiv für die Aktion in Koppenwind kennt er zwar auch nicht, aber die Post lasse keine Ausflüchte gelten. Die Post müsse zugestellt werden - unter allen Umständen. "Es gibt keine Ausrede", betont Böhm. Wenn ein Beschäftigter das Pensum nicht schaffe, dann könne er nicht weiter tätig sein. "Solche Mitarbeiter können wir nicht gebrauchen", unterstreicht er.
Böhm bedauert den Fall in Koppenwind. "Es tut uns sehr, sehr leid", sagte er unserem Portal. Solche Fälle passierten zwar nicht oft, aber sie kämen "leider immer wieder mal vor", und jeder Fall sei ein Fall zu viel.
Die Post hat die Briefe aus dem Koppenwinder Fund den Adressaten zugestellt, bei denen dies möglich war. Mit einem Entschuldigungsschreiben der Post. Viele Sendungen ließen sich jedoch nicht mehr retten. Sie hatten unter dem Wetter während der rund einmonatigen Liegezeit gelitten. Aber weggeworfen werden auch diese Briefe nicht. Sie werden laut den Postangaben weiterhin aufbewahrt.