1097 Steine erzählen Geschichte
Autor: Helmut Will
Ebern, Donnerstag, 16. Juni 2016
Ein Düsseldorfer Professor hat mit seinem Studenten die Grabsteine auf Eberns Judenfriedhof untersucht. Eine Ausstellung dokumentiert die Ergebnisse.
Intensiv hat sich Professor Stefan Rohrbacher vom Institut für Jüdische Studien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit den Grabsteinen auf dem jüdischen Friedhof in Ebern beschäftigt. Bereits im Jahr 2011 wurden erste Ergebnisse in einer Ausstellung in der Synagoge in Memmelsdorf mit großem Erfolg gezeigt. Die Ausstellung ist nun ab 17. Juni bis 11. September 2016 in Ebern mit aktualisiertem und deutlich erweitertem Umfang in der xaver-mayr-galerie und im Ossarium zu sehen.
Am Donnerstag herrschte reges Treiben in der xaver-mayr-galerie. Professor Rohrbacher und Studenten waren damit beschäftigt, die Ausstellung "Steine auf dem Paradies" aufzubauen. In einem Gespräch erläutere der Hochschullehrer, wie es dazu gekommen ist, dass der jüdische Friedhof in seinen und in den Fokus seiner Studenten gerückt ist.
Große Besonderheit
Das habe er bisher so von jüdischen Friedhöfen nicht gekannt, bekennt der Hochschullehrer. In der Regel könne man an den Grabsteinen der späteren Zeit aus dem 19. und 20. Jahrhundert den Wandel in der Kultur sofort ablesen.
"Die Steine nehmen ganz neue Formen an, und vor allem wird die hebräische Schrift und Sprache abgelöst durch die Deutsche, und das ist in Ebern ganz und gar nicht der Fall. Das ist eine große Besonderheit des Judenfriedhofes in Ebern und wir waren fasziniert und wussten überhaupt nichts von der hiesigen lokalen und regionalen jüdischen Geschichte. Für uns war klar, da muss man was machen." In der Folge kam Rohrbacher, wie er meint, "so 15 oder 16 mal" immer wieder nach Ebern. Es freut ihn, wie er ausdrücklich betonte, dass sich für die Forschungen Studenten freiwillig und in großer Treue gemeldet haben. "Die Arbeit war außerordentlich aufwendig und anstrengend. Wir waren bei jedem Wetter tätig und haben das Tageslicht bis zuletzt ausgenutzt." Voraussetzungen waren zu schaffen, um von jedem Stein brauchbare Digitalfotos machen zu können. Das Gelände des Judenfriedhofes sei sehr weitläufig, teilweise unwegsam und es wären dort 1097 Grabsteine vorhanden. "Die stehen nicht ordentlich in Reihen, sondern irgendwo", sagt der Professor.
Alle Grabsteine wurden nach entsprechender Freilegung, nach Entfernen von Moos und Flechten, systematisch abfotografiert. "Inzwischen haben wir wirklich zehntausende Aufnahmen, weil es immer sehr darauf ankommt, welches Licht vorhanden war." Auf den Digitalaufnahmen entdecke man immer noch Neues.
Stein von 1663
Der älteste Stein, der bisher ausfindig gemacht wurde, stammt aus dem Jahr 1663. Die hebräischen Inschriften wurden dokumentiert und übersetzt, aber auch die Hintergründe und das Umfeld dazu erforscht.
"Wir sind in alle umliegenden Orte gefahren wo es Hinweise gab, um dort nach Spuren zu suchen."
Tote aus mehreren Orten
Der Friedhof in Ebern sei ein sogenannter "Verbandsfriedhof" gewesen der nicht einer sondern mehreren Gemeinden gehörte. Da hätten Juden aus einem gewissen Umkreis ihre Toten bestattet, so aus Burgpreppach, Reckendorf, Gleusdorf, Untermerzbach, Memmelsdorf, Altenstein, Pfarrweisach, Kraisdorf und Maroldsweisach."Jetzt können wir die Ergebnisse unserer Arbeit in wesentlich ausgebreiteter Form präsentieren", freute sich Professor Rohrbacher. Das Ergebnis der Forschungsarbeit wird sowohl in der xaver-mayr-galerie, als auch im Ossarium präsentiert.
"Das Schöne am Ossarium ist, dass die Ausstellung dort zu den Öffnungszeiten der Stadtbücherei besucht werden kann", sagt der Wissenschaftler und hofft, dass von dort Besucher den Weg in die xaver-mayr-galerie finden. Dort befindet sich der Hauptteil der Ausstellung.
Hansfried Nickel, ehemals Vorsitzender des Träger- und Förderverein Synagoge Memmelsdorf/Ufr. sagt, dass sein Kontakt mit dem Professor in der Synagoge in Memmelsdorf entstand. "Ich habe mich damals gefreut, dass er mit mir den jüdischen Friedhof in Ebern besucht hat, und ich bin ganz begeistert von der Arbeit, weil ich das als ein Stück Heimatgeschichte sehe und gerade die Grabsteine mit ihren Inschriften Auskunft nicht nur über die Familien sondern über weite Teile hier im Umfeld von Ebern geben." Wenn Professor Rohrbacher mit seinen Studenten das Hebräische übersetze und gleichzeitig noch an weitere Quellen gehe, so ist der ehemalige Gymnasiallehrer überzeugt, "kommt eine ganze Palette über die Geschichte rund um Ebern zutage."
Der jüdische Friedhof hier gehöre zu Ebern, genau wie das Rathaus oder auch die Anlagen rund um Ebern. "Deshalb bin ich sehr froh, dass diese Ausstellung in Ebern stattfindet und ich wünsche ihr viele Besucher", sagt Nickel.