Druckartikel: Zwischen "notwendig" und "witzlos"

Zwischen "notwendig" und "witzlos"


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Bamberg, Freitag, 10. Juli 2020

Nicht alle finden die neue Regelung zur Eindämmung von Alkoholeskapaden sinnvoll. Kritik kommt auch von einem Wirt.
In der Sandstraße gilt nun ab 20 Uhr ein Ausschankverbot auf Freiflächen.   Archivbild: Corinna Bail


Die Polizei zeigte sich nach dem ersten Wochenende ohne Alkohol im Straßenverkauf in der Bamberger Innenstadt zufrieden. Bei den Wirten stößt die Maßnahme freilich auf ein geteiltes Echo. So bezeichnet etwa Florian Müller, Wirt und Stellvertretender Kreisvorsitzender im Hotel- und Gaststättenverband, das Stehbier-Verbot als "witzlos".

Seit dem 3. Juli gilt ein "Stehbier-Verbot" in der Bamberger Innenstadt. Nach 20 Uhr darf an Wochenenden kein Alkohol mehr auf den Straßen verkauft werden. Was dem Infektionsschutz dienen soll, bringt Florian Müller auf die Palme. Der Wirt des "Ahörnla" in der Sandstraße führt für seine Kritik gleich mehrere Gründe auf. Zum einen wäre da, dass das Verbot auch die Gaststätten treffe, die nicht direkt zu den "Party-Hotspots" gehören, an denen in den vergangenen Wochen zum Teil Sandkerwa-ähnliche Zustände herrschten und die Menschen nachts gerne mit einem Bier in der Hand feierten. Müller nennt den Bereich zwischen "Schlenkerla" und "Alt-Ringlein" sowie die Untere Brücke. Und fragt gleich hinterher: "Warum muss jetzt die ganze Sandstraße darunter leiden?" Statt eines Verbots hätte sich der 38-Jährige lieber die konsequente Umsetzung einer Satzung aus dem Jahr 1977 gewünscht. Darin sei klar geregelt, wo sich die Freischankflächen besagter Gaststätten befinden: Für das Schlenkerla sei das der Dominikanerhof, für das Alt-Ringlein der Katzenberg - "und eben nicht vor der Haustür".

Etwas anders interpretiert die Stadt die Satzung: Bereits 1972 sei das "Verweilen bei gleichzeitigem Alkoholgenuss außerhalb der bestimmungsgemäßen Nutzung der zugelassenen Freischankflächen im gesamten Bereich der Promenadestraße und der Oberen Sandstraße/Dominikanerstraße/Unteren Brücke/Am Kranen einschließlich Kasernstraße, Katzenberg und Ringleinsgasse sowie auf dem Vorplatz des Postgebäudes an der Luitpoldstraße/Ludwigstraße (Flur-Nr. 1403) sowie auf der gegenüberliegenden Seite" verboten. Die von Müller angesprochenen "Freischankflächen" vor dem Schlenkerla und dem Alt-Ringlein seien hingegen gar nicht thematisiert worden. Sowieso könne von einer "Tradition" des Stehbieres in der Sandstraße keine Rede sein: "Durch die Sandstraße ist ja noch bis etwa 2007 der Verkehr geflossen", sagt Stadtsprecher Steffen Schützwohl.

Klare Linie für alle

Der Inhaber der Brauerei Schlenkerla, Matthias Trum, sieht die derzeitige Lage etwas differenzierter. "Ich finde das gut, weil es eine klare Linie für alle ist", erklärte Trum. Und das, obwohl der verminderte Ausschank "natürlich auch Einbußen" mit sich bringe. Wegen des großen Ansturms in der veranstaltungsarmen Corona-Zeit sei es seiner Meinung nach sogar notwendig gewesen, zeitweise die Schenke zu schließen. Er erklärt weiter: "Ich finde es unter der Woche viel gemütlicher". Trum versteht das Stehbier mehr als Treffpunkt von Bambergern und weniger als Partyzone.

Schützwohl verweist auf die Bedeutung der jetzt getroffenen Maßnahmen im Kontext der Corona-Pandemie. "Die Erfahrungen der Polizei belegen eindeutig die mit zunehmendem Konsum einhergehende Absenkung der Hemmschwelle zur Einhaltung von Abstandsregelungen." Um die in Bayern geltenden Beschränkungen in der Corona-Zeit umzusetzen, müsste deshalb auch die Abgabe von Alkohol reguliert werden.

Die Reaktion der Wirtshausbesucher auf das kurzfristig in Kraft getretene Verbot hat nicht lange auf sich warten lassen. Viele Besucher im "Ahörnla" seien "geschockt" gewesen und hätten ihren Frust an den Bedienungen ausgelassen, berichtet Florian Müller. Und das in einer Zeit, wo er aufgrund der Corona-Regeln eh nur 30 bis 40 Prozent seiner regulären Gäste bewirten darf und entsprechende Einbußen habe. Und wenn schon alle Gastronomiebetriebe über einen Kamm geschoren werden, müsste das Verbot auch auf den Handel ausgeweitet werden, findet Müller. Jetzt würden sich die Leute nämlich in den Innenstadt-Supermärkten mit Bier eindecken. Gerechter wäre es, wenn diese am frühen Abend auch keinen Alkohol mehr verkaufen dürften.

Problem nur verlagert?

Die Stadt wiederum sieht das anders. "Der Beginn des Verbots für den Außer-Haus-Verkauf wurde bewusst auf 20 Uhr festgelegt, weil dann auch die Supermärkte schließen und ein direktes Einkaufen von ,Nachschub' nicht mehr möglich ist", argumentiert Steffen Schützwohl.

Florian Müller glaubt derweil nicht daran, dass das Stehbier-Verbot nachhaltige Wirkung zeigt. "Leute, die Feiern wollen, sitzen das jetzt aus." Vorübergehend werde das Problem, also die Menschenansammlungen, nur an andere Orte verlagert. In den Hain, an die Konzerthalle oder auf die Erba-Insel also. "Es sei denn, die Polizei will immer an den Wochenenden mit fünf bis sieben Bussen in der Innenstadt vor Ort sein." infranken.de