Zweites Kreuzchen fürs Fernsehen
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Samstag, 23. Sept. 2017
In Ebern erhoben Wahlforschungs-Institute die Daten für die Hochrechnungen ab 18 Uhr bei ARD und ZDF. Dazu wurden die Wähler gebeten, anonym einen zweiten Zettel auszufüllen. Deren Auswertung erfolgte stündlich.
Nein, die Bundestagswahl wurde am Sonntag nicht in Ebern entschieden. Aber bei den Hochrechnungen im Fernsehen ab 18 Uhr und den weiteren Analysen spielte die Kleinstadt schon eine gewichtige Rolle. Ausgewählt von ARD und ZDF sowie vom Bundeswahlleiter aufgrund der Ergebnisse vor vier Jahren als repräsentativ für Bayern und den Bund. Soll heißen: Vor vier Jahren wurde in Ebern so ähnlich gewählt, wie's am Ende ausgegangen ist. Und wie verlief's diesmal? Wir haben uns umgehört und umgeschaut.
Mit dem Fotografieren wurde es schon schwieriger. Schuld sind die neuen Techniken. Weil mitteilungsbedürftige Parteigänger meinten, sie müssten in die Welt hinausposaunen, wo sie eben ihr Kreuzchen gesetzt hatten, wurde das verboten. Wie aber ein Wahlvorstand nachprüfen will, wenn in der Kabine jemand sein Handy zückt, bleibt dennoch offen.
Drei besondere Wahllokale
Offen waren ab 8 Uhr in Ebern jedenfalls drei Wahllokale mit Besonderheiten. So erhoben in der Grundschule und im Kindergarten Meinungsforscher die Daten von Wählern, die - freiwillig - nochmals einen zweiten, anonymen Stimmzettel ausfüllten. Diese "Zweitwahl", nicht zu verwechseln mit der Zweitstimme, wird im Verlauf das Tages im regelmäßigen Turnus ausgewertet und das Ergebnis im Stundentakt an eine Zentrale weitergemeldet. Im Fall der Grundschule waren es die Meinungs- und Wahlforscher von dimap in Berlin, wo die Vorabumfragen aus einigen hundert der insgesamt 88 000 Wahlbezirke in ganz Deutschland zusammenlaufen.Weil die im Vorfeld zum Teil nach dem Zufallsprinzip zum Teil so ausgewählt worden waren, dass sie aufgrund des Ausgangs der letzten Bundestagswahl als repräsentativ angesehen werden, kommen Prognosen zustande, die meist sehr nahe am Endergebnis liegen.
Im städtischen Kindergarten passierte das selbe durch einen Mitarbeiter der Forschungsgruppe Wahlen fürs ZDF.
Bis 17 Uhr haben die beiden Fragesteller ihre Erkenntnisse von Ebern aus in die jeweilige Zentrale "gefunkt". So auch der aus Bamberg stammende Christoph Popp, der bereits zum dritten Mal in Ebern aktiv war. Zwei Mal in Unterpreppach, jetzt in der Grundschule, wo es "ein bisschen gemütlicher ist", wie er am Sonntag gegenüber unserer Redaktion feststellte.
Fränkisches Ur-Misstrauen
Freundlich, aber zurückhaltend spricht er die Menschen beim Rückweg von der Wahlrune an, ob sie zwecks Hochrechnung einen zweiten Bogen ausfüllen möchten? Ohne Namensangabe natürlich.Aber das fränkische Ur-Misstrauen gegenüber allen Neuerungen trifft hier auf den Wissensdurst. "Nicht jeder macht mit. Manche fürchten, dass etwas Böses dabei rauskommt", beschreibt Popp seine Erfahrung. "Gerade ältere Menschen sind skeptisch." Auch der Gruppenzwang und der Herdentrieb spielen eine Rolle. "Wenn einer mitmacht, ziehen meist die anderen nach. Wenn sich ein Ehepartner verweigert, hat der andere meist keine Chance."
"Eigentlich ned", "keine Zeit mehr" lauten Ausflüchte, die öfter zu hören sind. Andere tun so, als ob sie den Umfrage-Mann gar nicht bemerken oder huschen flugs vorbei. Keiner muss.
Es gibt aber auch Fälle, wo das Ehegespons vorgeschoben wird: "Füll Du aus. Einer langt!" Und dann versucht die Partnerin doch tatsächlich zu spitzen...
Und wer gibt die Garantie, dass der Zweitzettel exakt so ausgefüllt wird wie der eigentliche Wahlscheine? "Diese Gewissheit gibt es nicht", heißt es aus der Zentrale der Meinungsforscher.
Statistische Auswertung
Konkreter, aber immer noch anonym und geheim, ging's in der Rathaushalle zu. Dort wurden die Wahlzettel nach Geschlecht und Altersgruppe getrennt ausgegeben. Zwölf Haufen lagen somit bereit, wenn die Wähler mit ihrer Wahlbenachrichtigung aufkreuzten.Die Stimmzettel werden im Nachgang vom Bundeswahlleiter sowie den statistischen Ämtern ausgewertet, um Rückschlüsse auf das Wahlverhalten der Gesamtbevölkerung zu erhalten. Ebern war einer von 2750 Stichproben-Bezirken, die dazu ausgewählt worden waren.