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Zwei Sturmopfer - zwei Schicksale


Autor: Verena Stephan

Herzogenaurach, Mittwoch, 17. März 2021

Familien werden ganz verschieden vom Starkregen erwischt.
Familie Negri kann auf die pünktliche Eröffnung anstoßen. Fotos: Verena Stephan


Familie Negri hatte am Dienstag mehr als Glück, als das schwere Unwetter über Herzogenaurach hereinbrach. Zwei Tage vor der geplanten Neueröffnung der "Casa Negri" im ehemaligen "Bayerischen Hof" drückte es im hintersten Lagerraum Unmengen Wasser aus dem Gully. "Ich hab' gedacht, ich bin im falschen Film", erzählt Gabi Negri. "Mit so etwas rechnet ja niemand und so etwas habe ich auch noch nie gesehen." Mit "so etwas" meint sie unter anderem den reißenden Fluss, in den sich die Flughafenstraße verwandelt hatte. Das Wasser lief durch den gesamten hinteren Bereich des Gebäudes und bahnte sich den Weg in Richtung Gastraum. Mit Hilfe der ganzen Familie und zahlreichen Handtüchern schafften es die Negris, das Wasser an der Tür zum Restaurant lang genug aufzuhalten: "Hinten haben wir ja überall Fliesen und Laminat, da war es nicht so dramatisch, aber wenn das Wasser nach vorn auf den alten Holzfußboden und die Inneneinrichtung gelaufen wäre, dann wär's das gewesen." Der Verpächter war mit einer Pumpe ebenfalls schnell vor Ort und leistete "Erste Hilfe" bis die Feuerwehr eintraf. Gabi und Domenico Negri hatten wirklich Glück, denn es entstanden kaum Schäden, und am Donnerstag eröffnete das "Casa Negri" pünktlich um 11.30 Uhr.

Weniger Glück hatte Familie Fischer: Hans-Joachim und Petra Fischer, die den Bio-Archehof in der Reuth oberhalb der Reha-Klinik betreiben, wurden schwer von den Schäden des Unwetters getroffen: "Ich war gerade in Weisendorf zum Heuwenden, als das Gewitter aufzog", berichtet Hans-Joachim Fischer, "ich hab sofort meine Frau angerufen und sie hat mich abgeholt. Und als wir im Auto saßen, ging es los". Sie hätten kaum noch die Straße gesehen und seien auf direktem Weg zum Hof gefahren, um nach den Tieren zu sehen.

"Die Tiere haben zum Glück alle überlebt, aber den Hof hat es komplett verwüstet" erzählt Petra Fischer. "Alles stand unter Wasser, ein Baum ist auf den Stall gekracht, das Dach von unserem mobilen Hühnerstall hat es runtergerissen und mein Gemüsebeet ist total durcheinandergewirbelt worden."

Die Familie ist verzweifelt: Die Schäden zu reparieren, wird viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen und mit ihren Kräften sind alle fast am Ende. "Aber damit war ja nicht genug: Während wir hier auf dem Hof versucht haben, zu retten, was ging, ist bei uns im Wohnhaus der Keller vollgelaufen und stand 20 Zentimeter unter Wasser." Zuhause war die ältere Tochter der Fischers mit den drei jüngeren Geschwistern allein und musste die Feuerwehr rufen. "Da ist auch einiges kaputt gegangen", sagt Hans-Joachim. "Unser ältester Sohn ist grade erst wieder zuhause eingezogen und hatte sein ganzes Hab und Gut im Keller gelagert. Instrumente, Abizeugnis - alles hinüber."

Schon länger kämpft die Familie dafür, auf dem Hof ein Wohnhaus zu errichten, um sich vieles zu erleichtern. So eine Katastrophe macht ihnen deutlich, wie schwierig es ist, nicht dort zu wohnen, wo sie ihren Lebensinhalt haben. "Wir waren wirklich an einem Punkt, an dem wir überlegt haben, hinzuschmeißen. Wir sind finanziell und psychisch langsam am Boden."

In ihrer Verzweiflung geht die Familie einen Schritt, gegen den sie sich lang gesträubt hat und startet einen Spendenaufruf (das Archehof-Konto hat die IBAN DE87 7636 0033 0006 4422 18). Die Fischers hoffen, dass einige Menschen sehen, wie viel Arbeit und Herzblut sie reinstecken und dass ihre Arbeit auf dem Hof etwas ist, worum es sich zu kämpfen lohnt. Das Ehepaar ist sich einig: "Selbst wenn nur ein paar Euro zusammenkommen, immerhin haben wir es versucht. Wir wollen ja auch in Zukunft gern Aktionen und Programm am Hof anbieten und ein bisschen Unterstützung bei den Reparaturen wäre mehr als wir uns je erträumen könnten." Die Familie setzt auf die Stadtgemeinschaft und den Zusammenhalt in Herzogenaurach. vs