Zwei Lehrstunden, nicht nur für Amerikaner
Autor: Berthold Köhler
Berlin, Freitag, 19. Februar 2016
"Pina" - das war wohl so etwas wie der Anfang. Seit Wim Wender 2011 die wirklich sehenswerte Dokumentation über das Tanztheater Wuppertal auf der Berlinale ...
"Pina" - das war wohl so etwas wie der Anfang. Seit Wim Wender 2011 die wirklich sehenswerte Dokumentation über das Tanztheater Wuppertal auf der Berlinale präsentierte, erkämpfen sich Dokumentationen immer mehr Raum im Festivalprogramm. Heuer schaffte es "Zero Days" (der Hintergründe zum weltweit gefürchteten "Stuxnet"-Computervirus lieferte) sogar in den Wettbewerb, Publikumsliebling wurde freilich - nicht im Geringsten überraschend - ein anderer: Der ewig streitbare Michael Moore ("Bowling for Columbine"), der seinen neuen Film "Where to invade next" vorstellte.
Ehrlich sollte man schon sein: Moores Weltreise auf der Suche nach gesellschaftlichen Lebens- und Umgangsformen, die den USA gut tun würden, ist keine Dokumentation im klassischen Sinne. Moore ist schließlich bekanntermaßen ein Selbstdarsteller bis an die Grenze des Erträglichen.
Das ist auch in "Where to invade next" deutlich zu sehen, wo seine Interviews zur One-Man-Show werden. Aber sie sind höchst unterhaltsam, weil Moores Respekt vor Respektspersonen wie dem slowenischen Ministerpräsidenten oder dem portugiesischen Gesundheitsminister nur in minimalen Dosen vorhanden ist.
Sogar in Franken hat Moore vorbeigeschaut. Beim Schreibgeräte-Imperium "Faber-Castel" lernte der Exzentriker, dass Mitbestimmung und geregelte Jahresurlaube kein sentimentaler Blödsinn (wie es manch Amerikaner glaubt), sondern wichtige Elemente für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sind. Land für Land fährt Moore im Film ab und klaut sich dort - das ist Ziel seines Films - als augenzwinkernder Eroberer gute Ideen für ein erfolgreiches Miteinander. Eine objektive Sicht der Dinge dieser Welt ist "Where to invade next" natürlich nicht. Aber er vermittelt nicht nur den Amerikanern neue Eindrücke.
Auch als Europäer kann man etwas lernen: Das es hier gar nicht so schlecht ist, wie einem die ewigen Miesepeter glauben lassen wollen.