Druckartikel: Zum Schutz für sich und andere

Zum Schutz für sich und andere


Autor: Udo Güldner

Haßfurt, Donnerstag, 13. Sept. 2018

Ein psychisch erkrankter Mann kommt in Sicherungsverwahrung. Nur so könne er erfolgversprechend therapiert werden, sagen die Gutachter. Der Mann hat sich viele Körperverletzungsdelikte zuschulden kommen lassen.
Das Haßfurter Krankenhaus (rechts der Eingangsbereich), in dem sich die Attacke des psychisch kranken Angeklagten auf einen Arzt und zwei Polizisten abgespielt hatte Foto: Klaus Schmitt


Am Ende des ausführlichen Sicherungsverfahrens am Landgericht Bamberg waren sich alle einig. Wilhelm G. (Name geändert) ist eine Gefahr für sich und die Allgemeinheit. Anlass des Prozesses war der Angriff des 65-jährigen Rentners aus dem Landkreis Haßberge auf einen Arzt und zwei Polizisten im Haßfurter Krankenhaus.

Jetzt ist Wilhelm G. genau da, wo er nicht hinwollte: in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Schloss Werneck. Den Ausschlag für die Unterbringung des renitenten Rentners gaben die psychiatrischen Sachverständigen Walter Bogner (Bamberg), Roland Schaumann (Werneck) und Christoph Mattern (Bayreuth). Die Ärzte vereinen beinahe 80 Jahre Berufserfahrung und erklärten unisono, dass eine erfolgversprechende Therapie nicht außerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses möglich sei. Wilhelm G. nehme immer wieder seine Medikamente nicht und rufe dadurch neue manisch-depressive Schübe hervor: "Er sieht nicht ein, dass er krank ist."

Wie der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt vortrug, war der Vorfall im März 2018 nicht der erste, wohl aber der gravierendste einer langen Krankengeschichte, die bis in die 80er Jahre zurückreicht; wohl weil durch die seelische Erkrankung auch die geistigen Fähigkeiten litten und die Einsicht in falsches Tun immer mehr geschwunden ist.

Auslöser

Der Tod seiner zweiten Ehefrau vor zwei Jahren, die seinen Zustand zu kontrollieren wusste, warf  Wilhelm G. vollends aus der Bahn. Zuvor war Wilhelm G. bereits wegen Beleidigung, Sachbeschädigung, Diebstahl, Bedrohung, Urkundenfälschung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mehrfach wegen vorsätzlicher Körperverletzung auffällig geworden. Allerdings wurden fast alle Strafverfahren wegen seiner psychischen Erkrankung und der daraus folgenden Schuldunfähigkeit eingestellt.

In einem Fall hatte er ein 20 Zentimeter langes Messer zur Hand, mit dem er sein Gegenüber bedrohte. Bei der Tat im Haßfurter Klinikum waren es gar drei, von denen zwei zum Einsatz gekommen waren.

Mit einem davon hatte er vor der Notaufnahme auf die Polizeibeamtin eingestochen, die glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt wurde. Zwischen den manischen Ausbrüchen, in denen Wilhelm G. von Größen- und Verfolgungswahn getrieben war, gab es immer wieder depressive Phasen, "in denen man sich eher in sich zurückzieht und nicht auffällt", so der Leitende Oberarzt in Werneck. War G. in Hochstimmung, glaubte der gelernte Starkstrom-Elektriker, wahlweise Arzt, Ingenieur, Astrophysiker oder gar GSG-9-Mitarbeiter zu sein und hielt dann leeren Stühlen stundenlang Vorträge.

Wer ihm widersprach oder ihn mit der Realität konfrontierte, der musste sich auf lautstarke Beschimpfungen gefasst machen. Das traf die eigene Ehefrau, seine Nachbarn und seinen Schwager, dem er androhte, ihm "die Haut in kleinen Streifen bei lebendigem Leibe abzuziehen".

Wer gar anzweifelte, dass G. stets von der Polizei überwacht und sein Telefon abgehört werde, da er "die Machenschaften durchschaut" habe, hatte mit Folgen zu rechnen. Welche genau, blieb auch im Gerichtssaal ungesagt. Auf jeden Fall hatte der Angeklagte nach eigener Aussage stets eine Klinge bei sich, um sich zu wehren.

Auch ohne gefährliche Waffe ist Wilhelm G. nicht zu unterschätzen. Das mussten vor wenigen Wochen erst drei Krankenpfleger im Bezirkskrankenhaus Bayreuth am eigenen Leib erfahren, denen er mit der Faust ins Gesicht schlug.

Konsens

Mit dieser Vorgeschichte blieb den beiden Verteidigern Ronald Lubas (Schweinfurt) und Oliver Teichmann (Bamberg), die das "sehr faire Verfahren" lobten, nichts übrig, als dem Plädoyer des Oberstaatsanwaltes Matthias Bachmann beizupflichten, der eine Unterbringung beantragte. Nach dem versuchten Totschlag, der gefährlichen, vorsätzlichen und versuchten Körperverletzung sowie dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte seien weitere unkontrollierte Aggressionen und schwere Straftaten zu befürchten.

Regelmäßig begutachtet

Wie lange Wilhelm G. unter ärztlicher Aufsicht eingesperrt bleibt, ist vorerst ungewiss. "Es wird ein langes Ringen werden, um ihn dazu zu bringen, einzusehen, dass er krank ist und Hilfe braucht", waren sich alle medizinischen Sachverständigen einig. Was aber nicht "lebenslänglich" heißen müsse, denn seine Gefährlichkeit werde jedes Jahr gerichtlich überprüft.