Druckartikel: Ziegeleien gab es hier schon zu Urzeiten

Ziegeleien gab es hier schon zu Urzeiten


Autor: Redaktion

LKR Haßberge, Freitag, 17. März 2017

Einst widmete sich man von "Josefi bis Gallus" der Saisonarbeit am Ziegelanger: Dort entstanden in mühevoller Handarbeit Stück für Stück wertvolle Ziegel für die Bedachung. Auch im Maintal gibt es viele Hinweise auf solche früheren zentralen Ziegelproduktionsstätten.
Das Bruchstück eines uralten Ziegels. Die ungleichmäßigen Streifen zeugen von der Produktion durch Menschenhand, die den Ton in seiner Form einst abstrich. Reste von Hohlziegel, heute meist "Mönch und Nonne" genannt, findet man heute am häufigsten.


Der Sander Mark Werner widmet sich der heimatkundlichen Forschung mit einem besonderen Eifer. Er engagiert sich im Historischen Verein Haßberge und ist auch vielfach in der Flur unterwegs, um frühgeschichtliche Zeugnisse zu identifizieren. Über die Produktion von Dachziegeln, im Fränkischen meist einfach Ziegel genannt, hat er sich seine Gedanken für die hiesige Gegend gemacht.
Die Römer haben die Ziegel bis nach Mainfranken gebracht. Das Wissen wurde in Klöstern und Königshöfen am Leben gehalten und breitete sich im Frühmittelalter über ganz Deutschland aus. So ist etwa von Karl dem Großen ein Erlass erhalten aus dem Jahr 794 nach Christus zur Bedachung seiner Pfalzen und Wirtschaftshöfe.
Die Dacheindeckung war eine Prestigefrage. Im Burgen- und Kirchenbau wurde sehr früh zu Ziegel gegriffen. Es folgten Bürgerhäuser, Amtsgebäude und nicht zuletzt brandgefährliche Handwerksstätten (Schmieden, Bäckereien, Badehäuser), die schon für eine hohe Nachfrage zu einer Zeit sorgten, aus der für die Heimat kaum schriftliche Zeugnisse erhalten sind.


Viel Brennholz nötig

Die Produktion erforderte laut Mark Werner neben hohem Fachwissen große Mengen von Brennholz und verarbeitungsfähigen Lehm. Das Ziegeln war bis in die Neuzeit eine Saisonarbeit, die sich auf die frostfreie Zeit von Josefi (19. März) bis Gallus (16. Oktober) begrenzte. Minustemperaturen hätten die Ziegelrohlinge zerstört. Oder sie wären nicht getrocknet.
Der Winter mit seinen Niederschlägen und Frösten war vor allem nötig, um das Tongestein des Keupers (hier Lehrbergschichten) in den Gruben erst einmal zu dem werden zu lassen, was man zur Verarbeitung brauchte: Lehm. Die Wanderziegler kamen anfangs aus dem ehemals römischen Westen, wo sich die Handwerkskunst nahtlos seit der Römerzeit erhalten hat.
Das Material aus den Lehmgruben brauchte weitere Aufbereitung. Es musste noch gesumpft, gelöst und mit Sand gemagert werden, bevor man daraus in Modeln (Formen) Dachziegel herstellen konnte. Für diese Arbeiten brauchte es viel Wasser, ebene Flächen und Sand. So ist die Nähe der Siedlungsnamen Sand und Ziegelanger für Mark Werner "mit Sicherheit kein Zufall", denn Sand brauchte man nicht nur in bestimmten Körnungen, auch bei der Produktion diente es als Trennmittel in den Formen oder beim Brand.


Bestimmte Zeiten eingehalten

Vom Josefstag bis in den Sommer hinein war man vorrangig mit der Heranschaffung und Aufbereiten des Lehms beschäftigt, der Zeit stets einen bestimmten Feuchtegrad behalten musste. Die stete und kontrollierte Verfügbarkeit von Wasser wurde an Flüssen und Bächen durch Stauanlagen realisiert, woran in Sand bis heute die Flur "Wehrleinsleite" (etwa Hang zum kleinen Wehr) erinnern dürfte.
Auch viele andere Flur- und Familiennamen zeugen aus diesen Tagen, etwa der ehemalige Tongrubenweg im Maintal bei Ziegelanger oder die noch im Spätmittelalter in Sand überlieferte Modelsgass.
Im Sommer wurde der Ton in Form gebracht, die Rohlinge zum Trocknen in langen Regalen vorsichtig abgelegt. Die zigtausendfache Portionierung einer passenden Tonmenge, das Hinreichen zum Ziegler, die stete Bereitstellung von trockenem Sand und sauberem Wasser, das Abnehmen der noch weichen Werkstücke und Abtransport zum Gestühl (Regal) - für all das brauchte man geübte Fachleute und Helfer. Noch 1511 auch in hiesigen Breiten existierende Familiennamen wie Ziegler, Modlin und andere sprechen für sich.
Je nach Witterung waren die Rohlinge nach Wochen reif zum Brand. Den musste ein Meister betreuen. Der Bau des Ofens und seine Bestückung mit Holz, Kohle und Ruß in bestimmten Körnungen erforderte große Erfahrung.


Wissen um Hitze und Glut

Ebenso kontrollierte der Meister den Brand, der über verschiedene Zeiten unterschiedliche Temperaturen erforderlich machte, damit die Rohlinge nicht sprangen. Sonst wäre die Arbeit der ganzen Kampagne umsonst gewesen. Der Meister steuerte im Blick auf die Farbe des Rauches und der Glut seine Öfen. Der wochenlang beißende Rauch sorgte dafür, dass Ziegeleien nur selten in direkter Siedlungsnähe und schon gar nicht am Westrand einer Ortschaft betrieben wurden. Erst mit dem Bau hoher Schornsteine in der Neuzeit änderte sich dies.
Das Maintal war also ein idealer Standort im Mittelalter, doch die Nähe zum Fluss dürfte auch für den Untergang verantwortlich sein.
Große Hungersnöte verringerten seit dem Ende des 13. Jahrhunderts die Bevölkerung. Beim "Großen Hunger" starben 1315 bis 1317 sehr viele Menschen.
Starke Bevölkerungsrückgänge lassen die Nachfrage nach langlebigen Wirtschaftsgütern einbrechen, denn gebrauchte Ziegel von leer stehenden Gebäuden waren billiger als neue. Außergewöhnliche Hochwasser, spätestens das Jahrtausendhochwasser "Magdalenenflut" von 1342, dürften Wehre und Anlagen zerstört haben. Selbst wenn ein Wiederaufbau begonnen wurde, dürfte die um 1350 wütende Pest endgültig für das wirtschaftliche "Aus" gesorgt haben. Mark Werners Annahme unterstützen seine Kohlefunde im Maintal rund 1,8 Meter unterhalb der Oberfläche; das Landesamt für Denkmalpflege hat sie Kohle zuverlässig ins 14. Jahrhundert datiert.


Verlagerung in die Breite

Das Wissen um die Ziegelei hatte sich im Spätmittelalter verbreitet. Daneben hatte sich im 15. Jahrhundert die Kleinstaaterei durchgesetzt, so dass die einstigen Ziegeleizentren durch viele kleine Dorf- und Stadtziegeleien ersetzt wurden.
Was blieb, sind die Namen, weshalb, endet Mark Werner, die Dörfer Sand und Ziegelanger (vielleicht auch Limbach) am Sonntag, also an "Josefi", vielleicht so etwas ähnliches wie Namenstag haben. red