Wollüstige Wallungen in der Venus-Welt
Autor: Martin Köhl
Bamberg, Sonntag, 23. Juni 2019
Wenn Ehrendirigent Herbert Blomstedt zum symphonischen Saisonabschluss nach Bamberg kommt, sind im Keilberthsaal fest geschlossene Reihen garantiert. Er alleine genügt als Publikumsmagnet, weshalb auf...
Wenn Ehrendirigent Herbert Blomstedt zum symphonischen Saisonabschluss nach Bamberg kommt, sind im Keilberthsaal fest geschlossene Reihen garantiert.
Er alleine genügt als Publikumsmagnet, weshalb auf ein Solokonzert verzichtet werden kann. Dafür gab es schwergewichtige Symphonik und mit "Tod und Verklärung" sowie der "Tannhäuser"-Ouvertüre geradezu emblematische Beiträge zum Saisonmotto "Symphonische Erzählungen". Für den als sehr gläubig geltenden Blomstedt wird die Wagner-Musik, wahrlich eine Apotheose des Chorals, besondere Bedeutung besitzen.
Freilich ließ sich nicht überhören, dass ihm die wollüstigen Wallungen der Venusmusik ähnlich leicht von der Hand gingen - ein Schlitzohr ist der Maestro halt auch! Einmal mehr überraschte es, wie anders Wagner doch klingen kann, wenn das Orchester aus dem Graben auf die Bühne gehievt wird.
Verlieren sich die Streicherpassagen in Bayreuth ätherisch im Raum, so wirken sie hier dominant und widerstreiten geradezu dem weihevollen Klang der Blechbläser.
Strauss wird billiger
Von Richard Strauss, der 1949 starb, wird es fürderhin wohl mehr zu hören geben, denn mit Ablauf der fatalen Schutzfrist von 70 Jahren ist es vorbei mit den unverdienten Tantiemen der Erben.
Etwas platt ausgedrückt: Strauss wird billiger. Die Bamberger Symphoniker haben sich bezüglich dieses Komponisten mit der wichtigen Einspielung des Frühwerks große Verdienste erworben. Herbert Blomstedt hatte sich mit "Tod und Verklärung" ebenfalls für ein frühes, aber überaus reifes Werk entschieden. Ob der Titel ihm, dem über 90-Jährigen, melancholische Abschiedsgedanken nahe legte?
Famoses Erlebnis
Die Musik klang mitnichten danach, denn Blomstedt erreichte mit seinem stets gestenarmen Dirigat ein facettenreiches, zwischen Abgründigkeit und hymnischer Übersteigerung oszillierendes Klangerlebnis, das auf die Unfehlbarkeit des Orchesters zählen durfte - famos!