Druckartikel: "Wohlfühlgarten" besserer Begriff

"Wohlfühlgarten" besserer Begriff


Autor: Markus Häggberg

Ebensfeld, Freitag, 07. August 2020

Rund 30 Fahrradfahrer machten bei ihrer Fahrt durch Deutschland am Ebensfelder Badesee Zwischenstation.
Radler, Geologe, Ladenbetreiber und Kundschafter: Paul Kappler aus Heidelberg weiß jetzt, dass es sich lohnt, am Obermain Urlaub zu verleben.


Das hatte die Marktgemeinde so noch nicht bei sich zu Gast. Die diesjährige "Tour de Natur" führte am Donnerstag an den Obermain und selbigen Tags auch von ihm weg. Was vor Jahren als Bürgerprotest begann, steigt alljährlich auf die Sättel und in die Pedale. Ansichten aus einem kleinen Großereignis.

Radler aus ganz Deutschland

Direkt pünktlich waren sie nicht, pünktlich war nur einer, und das war der Bürgermeister. Bernd Storath war schon vor 10 Uhr vor Ort. Aber da war am Naturbad noch nichts von Fahrradklingeln zu hören. Es hatte seinen guten Grund, weshalb man sich hier begegnen wollte, denn wenn das Kind schon "Tour de Natur" heißt, dann sollten die aus ganz Deutschland stammenden Radler auch in einem See Abkühlung finden, der mit einem weltweit gültigen Qualitätssiegel prämiert wurde. Stichwort: Blaue Flagge.

Und während Storath noch gedanklich zusammenfasste, was er den Ankommenden wohl darüber erzählen würde, näherte sich der Tross allmählich. Um 10.40 Uhr war er da; die Radler kamen durch den Eingang, manche sanken ermattet ins Gras, andere holten Karten zur Orientierung heraus, wieder andere gönnten sich erst einmal eine Erfrischung. Aber dann bildeten sie auch bald eine Zuhörer-Traube vor Storath. Doch was Menschen antreibt, bei einer bald 30 Jahre alten Tradition mitzustrampeln, wie erleben sie die an ihnen vorüberziehende Welt und wie ausgerechnet die am Obermain?

Hanno Neurohr macht wenig Umschweife. Bald, nachdem er vom Rad gestiegen ist, nimmt er den See ins Visier und springt in die Fluten. Die Blaue Flagge, das hat er von Storath gehört, wird hier nahezu alljährlich gehisst beziehungsweise vergeben.

Der Mann hat Spaß, und als er aus dem Wasser steigt und spricht, da möchte man nicht glauben, dass er Mittelfranke ist. "Zu lange in Schwaben gelebt", sagt er über seinen Dialekt und bei der Frage, wie es ihm hier so an Ort und Stelle gefällt, macht er gleich einen Übertrag in seine Heimat. "Ich habe 20 Jahre am Bodensee gelebt, ich bin froh, dass ich in Franken wohn'."

Gruber im Organisationsteam

Gerd Weibelzahl ist ein Hiesiger. Der Mann kommt aus Grub am Forst, ist diesjährig ins Organisationsteam der Tour de Natur gekommen. Den Ernst hinter der Tour kennt er genau. Auch in der DDR hatte es eine Naturschutzbewegung gegeben und aus ihr entstand die Grüne Liga Dresden e.V., die Weibelzahl als Tour-Veranstalter nennt. Zu Nicht-Corona-Zeiten war die Tour auch oft mit einer Botschaft zum Naturschutz verbunden, war quasi eine Demonstrationsfahrt. Aber Demonstrationen sind jetzt coronabedingt schwer möglich, darum firmiere die Tour jetzt rechtlich eher in Richtung Radsportveranstaltung.

2020 ist vieles anders

Eigentlich dauert sie zwei Wochen und führt bei jährlich wechselnden Streckenverläufen über Distanzen von über 450 Kilometern. Aber 2020 ist vieles anders. Jetzt ist sie kürzer, es nehmen nicht so viele Menschen teil, und was zwischen Start am Stausee Hohenfelden und Zielort Bamberg liegt, sind nur 250 Kilometer Strecke. "150 bis 200 Radler nähmen üblicherweise am Tag teil", so Weibelzahl, und er erklärt, dass es eine Art Zusteigesystem gibt. Aber 2020 war man weit von solchen Zahlen entfernt. "Wo will ich 150 Leute übernachten lassen, wenn ich keine Sporthallen kriege?"

Unter den 30 Radlern, die sich noch auf dem sechsten und letzten Teilstück nach Bamberg befinden und jetzt den See genießen, ist auch Paul Kappler. Der Heidelberger radelt seit gut zehn Jahren mit und hat einen guten Grund, gerade jetzt dabei zu sein: "Für mich ist das eine Pilot-Tour", sagt er und das heißt: Er will herausbekommen, ob es sich hier gut urlauben lässt. "Es ist lieblich hier", so der studierte Geologe zu dem Umstand, dass hier das "Tal noch gut erkennbar" ist. Er meint, auch den Menschenschlag erkannt zu haben. "Was ich angenehm finde, ist die innere Ruhe der Menschen", sagt er. Er glaubt, dass die hier gesprochene "weiche Sprache" Anteil daran hat und ahmt das Fränkisch nach: "Dur de Nadur - das ist die Weichheit des Herzens." Nur den Begriff Gottesgarten findet er ein bisschen hoch gegriffen, denn Gottesgärten gebe es überall auf der Welt.

Lutz Wallis aus Leipzig würde den Gottesgarten umtaufen in "Wohlfühlgarten". Zu Kloster Banz kann er sagen, dass es ein "Schmankerl fürs Auge" ist, aber zur Güte der Obermaintal-Radwege ist aus der Gruppe nicht viel zu erfahren.

So gegen 13 Uhr stellt man die Räder parat, zurrt noch einmal das Gepäck fest und sitzt auf. Der See hat erfrischt, Bamberg kann kommen.