Auf einer Schiefertafel an der Wand steht, wann Schnecke, Anni und Distel Geburtstermin haben. Idylle? So groß ist der Unterschied zu anderen Milchviehbetrieben gar nicht. "Die Tierhaltung umzustellen, ist nicht so problematisch", sagt Harald Reblitz. Im Konventionellen habe sich in den vergangenen Jahren immerhin auch einiges getan in Sachen Tierwohl. Er kennt auch den Vorwurf, dass die Biobetriebe in Sachen CO2 -Bilanz schlechter abschneiden, weil sie für die gleiche Produktionsmenge an Milch mehr Tiere im Stall stehen haben müssen. Und: "Ja, wenn ein Tier krank ist, dann kommt bei uns auch der Tierarzt und es wird behandelt. Wenn ein Antibiotikum gegeben werden muss, dann ist das nicht zu ändern." Aber prophylaktisch Medikamente zu verabreichen, das geht eben nicht.
Futtergetreide darf Harald Reblitz nur von Bioland-Betrieben kaufen. Anderes Futter, wie etwa Kleegras, kann er auch von Bauern kaufen, die nicht im Verband sind. Aber es müssen EU-zertifizierte Biobetriebe sein. So bekommt er von einem Biobauern, der nur Landbau betreibt, Grünfutter, und der bekommt dafür Gülle vom Reblitz-Hof. Chemischer Dünger darf ja nicht verwendet werden. "Was in der Natur vorkommt, darf auch ausgebracht werden, ist so eine Richtschnur", sagt er. Kali wäre also möglich. Kupfer auch. Kupfersalze sind als Pflanzenschutzmittel etwa gegen Pilze erlaubt - und umstritten, weil eben auch giftig.
Biolandwirte wollen Produkte liefern, die Vertrauen bei den Konsumenten genießen. Dass viel von diesem Vertrauen vorhanden ist, zeigen wachsende Absatzmengen an Bioprodukten, die längst die Reformhäuser verlassen haben und in jedem Supermarkt und Discounter zu finden sind.
Dass andererseits dieses Vertrauen von schwarzen Schafen missbraucht wird, hängt mit dem rasch wachsenden Markt für Bioprodukte zusammen. Einem Markt, auf dem illegal viel Geld zu machen ist. So werden immer wieder Fälle aufgedeckt, wo konventionell erzeugte Ware zu Bio umdeklariert wird, um die Nachfrage zu decken - schließlich ist Bio stets ein wenig teurer. Entsprechend groß die Gewinnspanne bei der Umetikettierung. Weil mit Masse Kasse zu machen ist, gibt es auch längst Großbetriebe - etwa mit zigtausenden von Hühnern. Das sind keine Verstöße. Die Richtlinien lassen das zu oder bieten Lücken, die es ermöglichen. Etwa durch das Aufteilen des Bestandes auf mehrere Stallgebäude.
Titel "Bio-Lüge"
Die Wochenzeitung "Die Zeit" wollte wissen, wie groß der dunkle Fleck auf der weißen Bio-Weste ist. Über das Informationsfreiheitsgesetz verschaffte sich eine Journalistin Einblick in Hunderte Unterlagen - die Ökokontrollberichte aus zwei Jahren. Berichte voller dokumentierter Verstöße. Sie begleitete Tierrechtler, die in Ställe einbrechen und Tierleid mit der Kamera festhalten. Szenen, die niemand in einem Biobetrieb vermuten würde, der beim Einkauf auf Bio seztzt. Am Ende steht ein Dossier mit dem Titel "Die Bio-Lüge"
Massentierhaltung mit üblen Bedingungen, als Bio deklarierte konventionelle Ware, Hormonbehandlung, zu enge überbelegte Ställe... Wie sieht es im Coburger Land aus? Harald Reblitz kann sich so etwas hier unter seinen Berufskollegen nicht vorstellen. Die Antwort auf eine Anfrage beim Landratsamt Coburg gibt ihm Recht. Wie Sprecherin Corinna Rösler mitteilt, hatten die Amtsveterinäre in den Biobetrieben des Landkreises bisher keine tierschutzrechtlichen Beanstandungen.
Biobauern müssen sich an einige Vorgaben halten, die sie von konventionellen Betrieben abheben sollen. So gibt es laut AELF für ihre Betriebe Platzvorgaben für alle Tierarten und Altersstufen, und alle Tiere müssen Zugang zum Freien haben sowie eine eingestreute Liegefläche. Im Landbau sind nur Dünger auf natürlicher Basis erlaubt. Pflanzenschutzmittel sind im Anhang zur EU-Öko-Verordnung aufgeführt. Sie sind auf mineralischer Basis (etwa Kupfersalze) oder auf pflanzlicher Basis (wie Nem-Extrakt) hergestellt.
In den landwirtschaftlichen Bildungsprogrammen wie der staatlichen Landwirtschaftsschule oder dem Bildungsprogramm Landwirt (Bila) werden die grundlegenden Inhalte der ökologischen Landwirtschaft vermittelt, wie Christine Reininger informiert. Darüber hinaus werden Spezialseminare zur Vertiefung angeboten.
Konventionell wird ökologischer
Allerdings hat sich auch in der konventionellen Landwirtschaft bereits viel bewegt, in Sachen Umweltschutz und Tierwohl. Daran erinnert Hans Rebelein, Geschäftsführer beim Bayerischen Bauernverband in Coburg. Chemischer Dünger und Pflanzenschutzmittel wurden durch Vorschriften im Einsatz begrenzt, Zeiten, in denen Gülle ausgebracht werden darf (auch für Biobetriebe) immer enger gefasst. Die Anforderungen an Ställe und Platzangebot für Tiere immer höher. Konventionell wird also immer ökologischer. Und nicht nur Hans Rebelein stellt die Frage: "Wie bio sind Lebensmittel, die im Ausland produziert und dann über weite Strecken zu uns gebracht wurden?"
Er verweist auf Umfragen, nach denen Kunden inzwischen mehr Wert auf Regionalität legen als auf ein Bio-Label. Fazit: "Wer beim Einkaufen ein richtig gutes Gewissen haben möchte, der sollte vor allem regional und saisonal kaufen, dann darf es natürlich auch gern auch bio sein."