Druckartikel: Wer pfänden will, muss fühlen

Wer pfänden will, muss fühlen


Autor: Andreas Lösch

Rentweinsdorf, Dienstag, 24. Januar 2017

Obergerichtsvollzieher Wilfried Elflein geht in den Ruhestand. Am Amtsgericht in Haßfurt wurde der Rentweinsdorfer verabschiedet und erzählte davon, wie es so ist, als staatlich legitimierter Schuldeneintreiber. "Kuckuck" aufkleben und fertig? Mitnichten.
Wilfried Elflein mit dem Pfandsiegel, umgangssprachlich auch "Kuckuck" genannt, den Gerichtsvollzieher einsetzen können. Elflein wird ihn nicht mehr einsetzen: Er geht jetzt in den Ruhestand. Foto: Andreas Lösch


Andreas Lösch

Wenn Wilfried Elflein künftig an Türen klingelt, wird das etwas anders ablaufen als die Jahre zuvor. Er wird nicht mehr sagen, dass er im Auftrag der bayerischen Justiz hier ist, er wird nicht mehr Unterlagen hervorziehen und sich auf Gerichtsbeschlüsse beziehen, wenn er die Vermögensverhältnisse der Bewohner genau betrachtet. Er wird vielleicht zu einem Freund an der Tür sagen: "Schön, dich zu sehen" und dann ein sehr nettes Gespräch führen.
All die Jahre zuvor war das anders, zumindest, wenn er dienstlich unterwegs war. Wenn er als Gerichtsvollzieher Wege gesucht hat, Schulden einzutreiben, und gleichzeitig versuchte, den Schuldnern wiederum Wege aufzuzeigen, wie sie ihre missliche Situation wieder in den Griff kriegen können.
"Das war nicht immer einfach", sagt der 63-Jährige nachdenklich. Schließlich erhalte man viele Einblicke in unterschiedliche Lebensgeschichten. Manche davon sind bis zu einem gewissen Punkt gut verlaufen, bis sich plötzlich alles in eine andere Richtung entwickelt hat, manche liefen schon immer oder sehr lange Zeit verkehrt, bei anderen ist Pech im Spiel, und ob selbstverschuldet oder nicht, eines hat sich Elflein dabei immer gefragt: Welche Lösung ist möglich und sinnvoll?
Der 63-Jährige Rentweinsdorfer erzählt sehr differenziert von seinen Erlebnissen, die ihm in über 30 Jahren als Gerichtsvollzieher widerfuhren. Nach insgesamt 45 Jahren im Dienst der bayerischen Justiz wurde Wilfried Elflein jetzt am Amtsgericht in Haßfurt in den Ruhestand verabschiedet. Kollegen und Wegbegleiter waren dabei, als der 63-Jährige (an diesem Freitag wird er 64) von Amtsgerichtsdirektor Holger Ebert die Ruhestandsurkunde überreicht bekam. Elflein erzählt davon, wie das so war, wenn es darum ging, im Namen des Staates, legitimiert durch einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel, Geld einzutreiben. Da gab es zum Beispiel auch "Spezialisten", die sich ganz bewusst mit dem Staat anlegen wollten.


Es kommt immer darauf an

In einem Fall etwa wusste Elflein ganz genau, dass es nicht an den finanziellen Möglichkeiten mangelt, einen relativ geringen Geldbetrag zu begleichen. Da ging es dem Schuldner ums Prinzip, ums Recht haben.
Dumm nur, wenn durch ein rechtskräftiges Urteil diese Frage bereits geklärt ist. Da hilft dann die harte Tour: Ein Vollstreckungshaftbefehl kann dann die Folge sein, der Schuldner kommt für eine bestimmte Zeit ins Gefängnis. Das ist aber eher die Ausnahme. Elflein will jede Situation für sich bewerten. Mancher, der in finanzielle Nöte geraten war, so erklärt Elflein, hatte keineswegs auf der faulen Haut gelegen und sich dennoch übernommen. Mit einem Mindestlohn von etwas über 8,50 Euro in der Stunde vermag man keine wirklich großen Sprünge zu machen, bemängelt der Rentweinsdorfer, und das bei Vollzeitarbeit: ungerecht.
Elflein erklärt, dass es nie darum gegangen sei, in Wohnungen zu marschieren und überall den berühmt-berüchtigten "Kuckuck" - das staatliche Pfandsiegel - aufzukleben, am besten noch grimmig dreinzugucken und die Betroffenen vorzuführen ob ihrer desolaten Situation. "Man muss mit den Leuten reden", betont Elflein. "Wenn der Gerichtsvollzieher kommt, müsste eigentlich noch ein Sozialarbeiter kommen und ein Seelsorger", sagt er. Das aber sieht der Staat nicht vor. Dienst nach Vorschrift, staatliche Inkassotätigkeit ohne mit der Wimper zu zucken, kam für Elflein jedoch nicht in Frage. Gerade wenn es dem Gegenüber an die Existenz geht, ist Einfühlvermögen gefragt und Hilfestellung. "Es ist mir auch gelungen, über lange Jahre manchen Schuldner schuldenfrei zu machen", sagt er.


Hohe Fachkompetenz

Dass er seine Arbeit sehr gut gemacht hat, das bestätigte ihm auch Direktor Ebert: "Sie haben zuletzt gut 30 Jahre lang die sehr schwierige Tätigkeit eines Gerichtsvollziehers mit hoher Fachkompetenz ausgeübt und die damit verbundenen vielfältigen Herausforderungen mit Bravour gemeistert." Mit Wilfried Elflein scheidet innerhalb weniger Monate der dritte Gerichtsvollzieher im Bezirk des Amtsgerichts Haßfurt altersbedingt aus, bevor ihm Ende Februar ein weiterer Gerichtsvollzieher in den Ruhestand folgen wird, teilte Ebert zudem mit.
Der Direktor sprach in diesem Zusammenhang von einem "Totalumbruch" und bedauerte, dass die vier ausscheidenden Beamten nur durch drei neue Gerichtsvollzieher ersetzt werden, so dass ab März statt vormals fünf nur noch vier Gerichtsvollzieher am Amtsgericht Haßfurt tätig sein werden.