Druckartikel: Wenn Straßen zu Sparbüchsen werden

Wenn Straßen zu Sparbüchsen werden


Autor: Werner Baier

Hirschaid, Mittwoch, 30. März 2016

Der Staat eröffnet den Kommunen einen neuen Weg der Refinanzierung von Straßenerneuerungen. Hirschaid macht sich schlau.
Bei Straßenerneuerungen werden Grundstücksbesitzer von den Kommunen gerne zur Kasse gebeten. Es geht aber auch anders. Foto: dpa


Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für die Erneuerung und Verbesserung von Ortsstraßen stiftet häufig Unfrieden in den Kommunen: Grundstücksbesitzer, die vor Jahrzehnten ihren Herstellungsbeitrag für "ihre" Straße gezahlt haben, werden für Reparaturen, Gehwegverbreiterungen, neue Straßenbeleuchtung oder anderes nochmals kräftig zur Kasse gebeten. Und wollen sich dafür eigentlich nicht zur Kasse bitten lassen. Nun gibt es eine interessante Alternative.
Die herkömmliche Art der Refinanzierung durch Ausbaubeiträge wird vielerorts von Bürgerinitiativen oder Interessenvertretungen der Haus- und Grundeigentümer attackiert. Auch verschiedene Gemeinden finden die Praxis bedenklich; die finanzkräftige Landeshauptstadt München hat ihre Satzung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Ende 2014 aufgehoben. Und das Ministerium des Innern, für Bau und Verkehr stellte vor einem Jahr fest, dass in ganz Bayern 500 Gemeinden keine solche Satzung erlassen haben, das sind immerhin 27 Prozent, im Regierungsbezirk Niederbayern 39 Prozent. Dabei geht es um viel Geld: 2013 und 2014 haben die Kommunen in Bayern jeweils rund 62 Millionen Euro für Straßenausbaumaßnahmen umgelegt.
Unter Beschuss gerät diese Refinanzierung häufig deshalb, weil Grundbesitzer an einer Straße unter Umständen zu Kosten herangezogen werden, die sie gar nicht verursacht haben. Mal fällt es einem Gemeinderat ein, das Ortsbild durch Pflasterflächen und Baumpflanzungen aufzuhübschen.
Mal wird eine Siedlungsstraße durch allerlei schwere Baufahrzeuge, die ein angrenzendes Neubaugebiet ansteuern, ramponiert. Und dann wird auch noch die Anlegung von Gehsteigen erforderlich, weil plötzlich mehr Autos fahren und mehr Kinder zur Schule laufen. Je stärker frequentiert eine Straße wird, desto früher und umfassender muss sie erneuert werden. Und der Anlieger soll seinen finanziellen Beitrag dazu leisten, selbst wenn er schon älter ist und gar kein Auto mehr fährt.
Um dem Ärger zu entgehen, haben Bundesländer wie Hessen, Saarland oder Thüringen die "wiederkehrenden Beiträge" eingeführt. Und dieses System ist mit der zum 1. April 2016 in Kraft tretenden Änderung des Kommunalabgabengesetzes auch in Bayern zulässig. Der Marktgemeinderat Hirschaid ließ sich darüber von Klaus Halter von der Kommunalen Kalkulationen GmbH Nürnberg informieren. Ein Hurra-Gefühl löste das Konstrukt bei den Kommunalpolitikern erst einmal nicht aus. Man will fraktionsintern prüfen, ob die Einführung "wiederkehrender Beiträge" auch etwas für Hirschaid wäre. Bürgermeister Klaus Homann (CSU) hält sie für die "gerechtere Lösung".


Solidargemeinschaften

Kernpunkte dieses Systems der Refinanzierung von Straßenausbaumaßnahmen sind zunächst die Bildung von Einrichtungseinheiten für das gesamte Gemeindegebiet oder abgrenzbarer Gemeindeteile. Klaus Halter ermittelte für den Markt Hirschaid von Friesen bis Kleinbuchfeld 15 solcher Solidargemeinschaften. Das sind die einzelnen Ortsteile und im Hauptort Hirschaid Quartiere, die sich mithilfe der überörtlichen Verkehrswege (Eisenbahn, Kanal etc.) eingrenzen lassen.
In diesen "rechtmäßigen Einrichtungseinheiten" wäre es dann möglich, Straßenausbaumaßnahmen auf einen größeren Kreis von Beitragsschuldnern zu verteilen. Dafür könnte zum Beispiel ein Fünf-Jahres-Plan von verschiedenen Straßensanierungsmaßnahmen abgearbeitet werden. Die entstehenden Kosten der Straßenerneuerung würden dann auf die Grundbesitzer eines ganzen Ortsteils oder Quartiers umgelegt und durch jährliche Zahlungen finanziert. Mithin eine Alternative zu den einmaligen, oft schmerzlichen Straßenausbaubeiträgen, wobei es sich allerdings nicht um ein Ansparmodell handeln soll. Es dürfen nur tatsächlich entstandene Kosten abgerechnet werden.
Ob der Markt Hirschaid von der neuen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht oder nach dem herkömmlichen System Straßenausbauten refinanziert, gilt es nun zu entscheiden. Angesichts vieler ramponierter Straßen und eines ehrgeizigen Modernisierungsplans sollte die Denkpause nicht zu lange dauern, hoffen gewiss nicht wenige Hirschaider.