Wenn "Meister Adebar" unterwegs ist
Autor: Redaktion
LKR Kronach, Freitag, 16. März 2018
Schon die Zeit vor und nach der Geburt eines echten Frankenwaldkindes ist reich an Brauchtum und Aberglauben. Es "brunz'n lassen" im Wirtshaus gehört unbedingt dazu, "däss aus dem Gunga amoll a woss gscheids wädd".
Nach altem Volksglauben wird im Frankenwald der werdende Mensch im Mutterleib körperlich und geistig stark beeinflusst von allem, was seine Mutter tut, was sie erfreut und erleidet. Aus diesem Grund muss die Schwangere größte Vorsicht bei all ihrem Tun walten lassen, um böse Mächte zu vertreiben und Schäden von ihrem Kind abzuwehren.
Die werdende Mutter darf nicht stehlen und nicht lügen, damit aus dem Kind kein Dieb oder Lügner wird. Weiterhin darf sie nicht zu oft in den Spiegel schauen, wenn der neue Erdenbürger nicht eitel werden soll. Betrachtet sie dagegen immer wieder das Bild eines bestimmten Menschen, so kann das Kind dessen Züge annehmen.
"Keine Maus oder Spinne töten"
Außerdem soll sich die werdende Mutter bemühen, nur an schöne Dinge zu denken. Denn dieses Tun soll durch ein besonders hübsches Kind belohnt werden. Oberstes Gebot für jede Frau und jedes Mädchen ist es, keine Maus oder Spinne zu töten, weil dieser Tat immer Totgeburten folgen würden. Die Entstehung von "Muttermalen" und der "Hasenscharte" bringt man mit Ereignissen in Zusammenhang, die während der Schwangerschaft auf die werdende Mutter schreckhaft wirken.Während der Geburt achtet man streng darauf, dass die Wöchnerin nicht mit den Füßen zur Tür hin liegt. Da jeder Tote mit den Füßen zuerst aus dem Haus getragen wird, glaubt man, dass diese Stellung der jungen Mutter ihren baldigen Tod heraufbeschwört.
Von erheblicher Bedeutung ist das erste Bad des Neugeborenen. Die Hebamme wirft ein Geldstück ins Badewasser, das dem Kind Reichtum und Glück bringen soll. Von daher lässt sich auch die Redensart deuten: "Im Geld schwimmen". Weint der Säugling bei diesem ersten Bad, so gilt es als Zeichen, dass die Paten nur ungern ihr Amt übernehmen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit war es noch üblich, bei Kindern den Glauben an den Klapper-storch mit folgender Darstellung zu wecken: Den neuen Erdenbürger bringt "Meister Adebar" aus einem großen Weiher mit blühenden Seerosen. Viele Frankenwaldkinder versuchten daher, wenigstens beim Geschlecht des Neugeborenen nach ihren Wünschen "mitmischen" zu dürfen. So heißt es weiter: Wenn ein Kind Zucker oder Salz auf das Fensterbrett streut und dabei folgendes Verslein aufsagt, wird sein Wunsch in Erfüllung gehen: "Storch, Storch, Bester, bring mir eine Schwester" oder: "Storch, Storch, Guter, bring mir einen Bruder!"
Sobald die Nabelschnur des Neugeborenen abfällt, wird auch die Hebamme mit einer Münze, einem "Batze", bedacht. Die Nabelschnur wird von der Kindesmutter sorgfältig aufbewahrt und ihr nach dem Tod mit ins Grab gegeben. Dieser Brauch soll auf den ewigen Zusammenhang zwischen Mutter und Kind sowohl im Leben als auch im Tod hinweisen. Ein alter Brauch ist auch das "Wochensuppentragen". Nach dem überlieferten Recht der Nachbarschaftshilfe erhält die Wöchnerin ein Pflichtgeschenk. Ursprünglich war es eine kalorienreiche Kraftbrühe, die der jungen Mutter wieder die nötige "Power" verleihen sollte. Später wurde diese "Wochensuppe" auf Gesundheitskuchen und "Weißwein" ausgedehnt.
"Dank für wunderbare Hilfe"
Die erste Tat des jungen Vaters ist es, sein Kind im Wirtshaus "brunz'n" zu lassen. Das ist allerdings nur sinnbildlich gemeint und heißt, dass er einige Runden Bier und Schnaps spendieren muss, "däss aus dem Gunga amoll a woss gscheids wädd". Hierbei wird ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern vorgenommen. Bei einem Stammhalter feiert man das Ereignis und den stolzen Vater weitaus mehr als bei einer Tochter.Zwar wird auch hier angestoßen, aber der Vater gilt von nun an als "Büchsenmacher". Denn seit alters her steht im Frankenwald der Vater eines Jungen in größerem Ansehen, und der Gedanke von der Vorrangstellung des männlichen Geschlechts ist trotz der Gleichberechtigung noch nicht verschwunden, sondern findet im Brauchtum weiterhin seinen sichtbaren Ausdruck. Der streng festgelegte Tag für diesen Brauch war einst der Vorabend der Taufe.
Das Ende des "Wochenbettes" wird durch den "ersten Kirchgang" der Wöchnerin angezeigt, wobei sie in das Gebet der Kirchengemeinde mit eingeschlossen wird. Verläuft die Geburt ohne Komplikation, so findet dieses Ereignis schon acht Tage später statt. Bis dahin darf die junge Mutter das Haus nicht verlassen, also nicht in der Öffentlichkeit auftreten. Dieses Verbot liegt in dem Glauben begründet, dass die Wöchnerin bis zum ersten Kirchgang unrein ist. Nach alter Frankenwaldtradition möchte man es in einem anderen Sinn sehen: Der erste Gang sollte zu Gott hinführen, um ihm für seine wunderbare Hilfe zu danken.