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"Wenn die Leute vernünftig sind"


Autor: Günther Geiling

Kirchlauter, Montag, 23. November 2020

Corona stellt Arztpraxen vor enorme Herausforderungen. Der Mediziner Johannes Schröpfer ist dennoch zuversichtlich, dass die Menschen über den Winter kommen. Voraussetzung: Sie machen mit und beherzigen wichtige Regeln.
Johannes Schröpfer, Facharzt für Allgemeinmedizin im "Ärztezentrum Maintal", gab bereitwillig einen Einblick in seine Praxis. Er blickt trotz aller Probleme zuversichtlich in die Zukunft und hofft, dass die Bürger vernünftig sind und bestimmte Maßnahmen beherzigen.  Foto: Günther Geiling


"Corona-Testverordnung führt zu Terminchaos in den Arztpraxen." "Besorgte Eltern legen mit ihren Kindern Arztpraxen lahm." Solche und viele andere Schlagzeilen beherrschen derzeit die Medien. Die Fragen um Corona, Testpraktiken und Auswirkungen auf die Arztpraxen spielen in der medizinischen Versorgung eine wichtige Rolle. Wir fragten deshalb nach, wie Ärzte das Problem lösen und mit ihren Patienten über den Winter kommen wollen.

Die Hausärzte sind bei Verdacht auf eine Covid-19-Infektion oft erste Ansprechpartner für die Patienten. Die zweite Welle hat die Lage verschärft. Das spürt man derzeit auch im Landkreis. Dazu kommt, dass der Winter mit seinen typischen Erkrankungen wie Erkältungen und Grippe, die ähnliche Symptome wie Corona hat, im Anmarsch ist. Sind niedergelassene Ärzte mit ihren Praxen am Limit angelangt?

Wir warfen deswegen einen Blick in die Praxis "Ärztezentrum Maintal", der größten Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin im Kreis Haßberge mit Standorten in Eltmann, Ebelsbach und Kirchlauter, auch als Praxis der "Doktoren Schröpfer" bekannt. Für die Patienten stehen zehn Ärzte und 24 medizinische Fachangestellte bereit. Sie versorgen im Schwerpunkt den Einzugsbereich der Stadt Eltmann und der Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach.

"Alles, was derzeit mit Corona zu tun hat, ist in schnellem Wandel. Da kann man schon von einem Chaos von Vorgaben sprechen, die gemacht werden und schnell wieder geändert werden", sagt Johannes Schröpfer, Facharzt für Allgemeinmedizin. Die derzeitige Lage führe vor allem in kleineren Praxen zu Unruhe, erklärt der Mediziner, der uns Rede und Antwort stand.

Wer aus seinem Urlaub in einem Corona-Risikogebiet zurückkommt, soll in der Arztpraxis einen Corona-Test bekommen. Wie stehen Sie zu dieser Teststrategie, wenn die Labore doch jetzt schon aufgrund der vorhandenen Testkapazitäten an ihre Grenze kommen?

Johannes Schröpfer: Um die Labore nicht zu überlasten, sollten meiner Meinung nach nur diejenigen Menschen auf Sars-CoV-2 getestet werden, die nach ärztlicher Einschätzung Symptome einer Corona-Infektion haben, die direkten Kontakt zu einem bereits positiv getesteten Virusträger hatten oder die aus einem Risikogebiet einreisen.

Allerdings finde ich es persönlich als ungerecht, wenn Minister Spahn den reiselustigen Mitbürgern Tests zu Lasten der Allgemeinheit verspricht. Damit werden die bestraft, die jetzt brav zu Hause bleiben und so der Pandemie am besten entgegenwirken. Wer derzeit verreist, sollte auch die Kosten der anschließenden Testung bei der Rückreise selbst tragen müssen. Wunschtestungen halte ich im Hinblick auf die Testkapazitäten und Ressourcenschonung nicht für sinnvoll und für Geschäftsreisende könnten Sonderregelungen getroffen werden.

In den kommenden Wochen gesellen sich die üblichen Viren der kalten Jahreszeit zu Corona. Führt dies zu Chaos in den Arztpraxen, und wie steht es mit verunsicherten Eltern, deren Kinder vielleicht wegen Schnupfens nicht in die Schule dürfen und deswegen auch den Arzt aufsuchen?

Aufgrund der relativ unspezifischen Symptome von Covid-19 mit ganz unterschiedlicher, individueller Ausprägung ist es nicht immer leicht, eine Corona-Erkrankung von einer normalen Erkältung zu unterscheiden. Das verunsichert die Menschen und führte zu einer höheren Frequentierung der Arztpraxen. Anhand der Fallzahlen kann ich bestätigen, dass uns die für die Jahreszeit typische Erkältungswelle bereits erfasst hat. Noch sind unsere Kapazitätsgrenzen nicht überschritten, und wenn die Leute vernünftig sind und die Hygienemaßnahmen der Regierung beherzigen, wird dies auch in den Wintermonaten nicht passieren.

Was fordern nun die Tests in der Praxis, und welche Hygienevorschriften gilt es umzusetzen?

Um die größtmögliche Sicherheit unserer Patienten und Mitarbeiter zu gewährleisten, haben wir unsere Klientel in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Infekt-Sprechstunde, in der nur Patienten mit Anzeichen für infektiöse Erkrankung (zum Beispiel Fieber, Husten, Halsschmerzen, Schnupfen, Erbrechen, Durchfall) untersucht und behandelt werden, und eine reguläre Sprechstunde, in der alle anderen Probleme gelöst werden. Dies praktizieren wir zeitlich parallel zueinander, aber räumlich strikt getrennt.

Wir bestellen im Zehn-Minuten-Takt ein, so dass sich die Wartezeiten auf ein Minimum beschränken. Wir bitten auch um Verständnis, dass die Infekt-Patienten im Freien warten müssen, da hier die Infektionsgefahr am geringsten ist. Alle im Team tragen Schutzmasken der FFP-2-Klasse und achten auf Mindestabstand und die übrigen Hygienestandards. Arzt und Ärztin in der Infektionssprechstunde arbeiten im Vollschutz.

All die Maßnahmen greifen aber nur, wenn auch die Patienten mitspielen. Deshalb appelliere ich an die Vernunft der Leute, dass bei Vorliegen eines der oben genannten Symptome nicht einfach in die Praxis marschiert wird. Vielmehr sollen sich alle telefonisch anmelden und bekommen damit einen zeitnahen Termin in unserer Infekt-Sprechstunde.

Wie löst man das Problem, wenn im Winter mehr Patienten kommen?

Je höher der Durchlauf an erkrankten Menschen ist, desto höher ist natürlich auch die Ansteckungsgefahr. Gerade für Ältere und chronisch Kranke geht dies mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko einher. Deshalb haben wir schon während der ersten Corona-Welle diese Risikopatienten soweit wie möglich am Telefon beraten.

Mittlerweile haben wir unser telemedizinisches Angebot um eine Videosprechstunde erweitert. Über diese können Beratungen, visuelle, symptombezogene Untersuchungen, Ausarbeiten von Medikationsplänen und bestimmte Verordnungen erfolgen. Leider wird das Angebot im Moment noch kaum wahrgenommen.

Wird es bald mehr Raum für Telefon-Anamnese und Video-Behandlung geben, und was können Sie sich da von der Praxis zukünftig vorstellen?

Für eine Erstvorstellung in unserer Praxis bitten wir weiterhin um persönliches Erscheinen. Aber zukünftig erwarten auch wir von der Telemedizin noch mehr. Ich denke dabei an interdisziplinäre Videokonferenzen, telekonsiliarische Fallbeurteilungen durch andere Fachärzte oder direkte telemetrische Übertragung von medizinischen Untersuchungen an unsere Praxis. Die Anmeldung und die Terminvergabe für die Videosprechstunde erfolgen wie gewohnt telefonisch, aber Interessierte benötigen hierzu einen Internetzugang sowie ein Gerät mit Kamera und Bildschirm. Eine flüssig funktionierende Umsetzung dieser Möglichkeiten wird eine technische und politische Herausforderung. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und der Teststation?

Leider musste ich in den vergangenen Wochen feststellen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Gesundheitsämter gesunken ist. Dies ist mit Sicherheit auf die immense Mehrbelastung der Ämter und die damit einhergehende Personalknappheit zurückzuführen. Durch das Aushilfspersonal kam es wohl vereinzelt zu Ungereimtheiten in den Beratungsgesprächen. Ich kann mich aber über die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gesundheitsamt nicht beschweren und fühlte mich bei meinen bisherigen Anfragen immer kompetent beraten. Die Teststation Wonfurt testet ja nur Kontaktpersonen.

Wie sieht es in diesem Jahr mit der Grippe-Schutzimpfung aus? Man spricht von einem größeren Run darauf und einem Mangel an Impfstoff.

Die Impfbereitschaft ist auf jeden Fall höher als im Vorjahr und hier setzt mein Kritikpunkt an. Erst hat man große Werbung gemacht und dann war zu wenig Impfstoff vorhanden. Nach vier Wochen hatten wir mehr verbraucht als die ganze letzte Saison, und plötzlich war alles weg. Wir halten deswegen jetzt nur für Risikopatienten, ältere Leute und solche mit chronischen Erkrankungen Impfstoff vor. Wie ist die aktuelle Stimmung in Ihrem Praxisteam, und wie sind Sie bisher durch die Pandemie gekommen?

Durch die Einhaltung der Schutzmaßnahmen konnten wir bislang eine Corona-Infektion unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis verhindern. Ich will aber nicht verschweigen, dass wir durch den zusätzlichen Aufwand und die Belastungen täglich an unsere Grenzen gehen. Unsere medizinischen Fachangestellten leisten eine großartige Arbeit, und ich kann ihnen in diesem Zusammenhang nicht genug für ihre Geduld und ihr Durchhaltevermögen danken.

Mein großes Lob gilt auch unseren Assistenzärztinnen und -ärzten, die mit viel Engagement, Know-how und Herzblut bei der Ausarbeitung und Umsetzung unseres Krisenmanagements sowie der Gestaltung der Sprechstunden mitwirken.

Das Gespräch führte unser

Mitarbeiter Günther Geiling