Wenn der Strom zu teuer wird
Autor: Sabine Weinbeer
Haßfurt, Dienstag, 24. Juni 2014
Energieschulden Immer öfter drehen Energielieferanten säumigen Kunden den Strom ab. Die Allgemeine Sozialberatung im Landkreis lud alle Beteiligten zu einem Gespräch ein - bis auf die Stromkunden.
von unserer Mitarbeiterin Sabine Weinbeer
Haßfurt — "Für Menschen mit geringem Einkommen, ALG II- oder Grundsicherungsempfänger sind die Schlussabrechnungen ihres Stromanbieters am Jahresende immer öfter ein Problem", erklärt Thomas Jakob, Leiter der Sozialen Beratungsdienste der Caritas. Gemeinsam mit Heike Först von der Schuldner- und Insolvenzberatung informierte er gestern in einem Pressegespräch zur bundesweiten Aktionswoche der Schuldner-Beratungsstellen. In deren Mittelpunkt stehen in diesem Jahr die Energieschulden.
Immer öfter wird auch hier im Landkreis der Strom abgestellt, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden. Im Rahmen der Aktionswoche luden Jakob, Först und Karin Rosin von der Allgemeinen Sozialberatung am Montag alle Beteiligten (außer den Stromkunden selbst) zu einem Arbeitsgespräch.
Und sie waren überrascht, wie viele kamen: Sozialamt, Jobcenter, Energieberater Günther Lieberth vom Umweltbildungszentrum (Ubiz), die Stadtwerke Haßfurt und Zeil und die Unterfränkische Überlandzentrale. Nur die große Eon konnte niemanden finden, der zuständig gewesen wäre. "Und gerade die großen Versorger sind es auch, die sehr kurzfristig und rigoros abstellen", erklärte Jakob in einem Pressegespräch.
Strom ist heutzutage ein wichtiges Grundbedürfnis. In einer modernen Wohnung funktioniert ohne Strom fast nichts, weder Heizung noch Herd oder Kaffeemaschine oder Licht. Deshalb ist für Strom auch eine Pauschale im Hartz-IV-Regelsatz vorgesehen - 31 von den 391 Euro für einen Alleinstehenden. Auch wenn das für die Abschlagszahlungen manchmal ausreicht, kommt oft mit der Jahresabrechnung das böse Erwachen.
"Dann wird der Abschlag erhöht und die Nachzahlung muss abgestottert werden und irgendwann bleiben die Rechnungen unbezahlt", erklärt Heike Först, an deren Tür die meisten Klienten erst klopfen, wenn die Androhung der Stromsperre im Briefkasten lag.
Mit örtlichen Anbietern wie Stadtwerken oder Lülsfeld könne man dann noch reden, erklärt Först, doch mit einer zentralen Mahnstelle gebe es keine Verhandlungen und Stundungsabsprachen. Oftmals schaukle sich so ein Rückstand auch auf durch mehrere Anbieterwechsel hintereinander und falsche Angaben beim Zählerstand.
Auch für die Anbieter sind Stromabstellungen und unbezahlte Rechnungen ein Problem, wie in dem Fachgespräch deutlich wurde. So müssen diese die Steuern und Abgaben auch auf unbezahlte Rechnungen an den Staat abführen - das sind rund 50 Prozent der Rechnung.
Die Überlandzentrale hat knapp 60 000 Kunden in Unterfranken und schreibt monatlich rund 800 Mahnungen. Zehn bis 15-mal pro Monat gibt es Sperren. Das ist verhältnismäßig wenig, denn die Stadtwerke Haßfurt haben 9500 Kunden und müssen monatlich zwölfmal Stromanschlüsse sperren. In Zeil sind es bei 2500 Kunden drei bis vier Sperren monatlich. Im Gespräch in dieser Woche wurde deutlich, dass es verschiedene Lösungsansätze gibt. Zum einen wäre es notwendig, dass bei den Sozialleistungen die Stromkosten den Kosten für die Wohnung zugeordnet und der Preisentwicklung angepasst werden, wie das bei den Heizkosten auch stattfindet. Zum anderen würde das Jobcenter für ALG II-Empfänger den monatlichen Abschlag auch direkt an den Stromanbieter überweisen. Oftmals ist das Konto nämlich leer, wenn die Abbuchung des Stadtwerks kommt.
Geht die Buchung zurück, schreibt das Stadtwerk eine Rechnung, dann zwei Mahnungen, nach insgesamt sechs Wochen droht die Sperre.
Eine engere Zusammenarbeit mit Energieberater Lieberth wäre durchaus sinnvoll, erklärte Heike Först, doch viele Klienten würden eine Vor-Ort-Beratung benötigen und dafür genüge die personelle Ausstattung des Ubiz nicht.
Beratung jedoch stößt an ihre Grenzen, weil die Strompreise weiter steigen. Deshalb richten die Schuldnerberatungsstellen ganz klare Forderungen an die große Politik. Sie fordern eine sozial gerechte Energieversorgung mit kostengünstigen Sockeltarifen, eine wirksame Strompreisaufsicht und eine Anpassung der Sozialleistungen an die Preissteigerungen. Die Beratung sollte gefördert werden.
Für das bisher recht erfolgreiche Programm "Energiecheck", mit dem Arbeitslose zu Energieberatern ausgebildet wurden, die Vor-Ort-Beratungen durchführten, fehlt dem Jobcenter Haßfurt derzeit das Geld.
Auch wenn das Thema sehr abhängig von der Bundespolitik ist, habe das Fachgespräch doch viele Erkenntnisse gebracht und auch Ansätze für eine künftige Zusammenarbeit, so Jakob und Först, die allen Teilnehmern sehr viel Interesse und Verständnis für die Problematik bestätigten. Allen Familien mit niedrigen Einkommen, die mit ihren Stromrechnungen kämpfen, empfehlen sie, sich Hilfe zu suchen, bevor die erste Mahnung ins Haus flattert.