Wenn das Wasser kommt...
Autor: Friederike Stark
LKR Haßberge, Freitag, 16. Dezember 2016
Das Wasserwirtschaftsamt in Bad Kissingen hat Karten erstellt, die die Auswirkungen verschieden starker Überflutungen darstellen. Mit Hilfe dieser Risikokarten können Gemeinden im Landkreis ihren Hochwasserschutz planen.
Friederike Stark
Groß-Augsfeld müsste komplett evakuiert werden, genauso wie die südwestliche Altstadt von Haßfurt. Die Bewohner der Wülflinger Straße ebenso wie die Bewohner des Alten- und Pflegeheims am Unteren Turm in Haßfurt. Sie alle müssten ihre Häuser verlassen, wenn ein Hochwasser des Ausmaßes käme, wie es etwa alle 100 Jahre der Fall ist.
Feldbetten, Decken und Wasser
"Insgesamt müssten wir rund 1000 Menschen evakuieren und in Turnhallen oder anderen Gebäuden unterbringen", so Martin Volpert, der in der Stadt Haßfurt für den Brand- und Katastrophenschutz zuständig ist. Doch das wäre längst nicht alles: Zwar hätten die evakuierten Menschen ein Dach über dem Kopf, aber sie bräuchten auch Feldbetten, Decken, Trinkwasser und Lebensmittel. "Wichtig ist in einem solchen Fall auch die psychosoziale Betreuung durch Notfallseelsorger", erklärt er. Evakuierung ganzer Stadtteile, Versorgung von 1000 Menschen - ein Gedankenspiel, das nur schwer vorstellbar ist. Dass aber Gemeinden wie Haßfurt sich mit genau diesen Szenarien beschäftigen, liegt an den so genannten Hochwasserrisikomanagement-Richtlinien - einer Vorgabe aus Brüssel.
Folgen für Schutzgüter verringern
Die Europäische Union sorgt sich um Auswirkungen von Hochwasser innerhalb der EU. Daher gibt Brüssel Richtlinien zum Umgang mit Hochwasserrisiko vor, mit dem Ziel, die negativen Folgen von Hochwasser für die vier Schutzgüter menschliche Gesundheit, Umwelt, Kulturgüter und wirtschaftliche Tätigkeit beziehungsweise erhebliche Sachwerte zu verringern. Die EU gab 2010 vor, dass sich die Länder mit dem Hochwasserrisiko und -schutz auseinandersetzen müssen. Daher wurden unter anderem Hochwasserrisikokarten erstellt. "Für das bayerische Maineinzugsgebiet gibt es diese Karten bereits, die im Internet öffentlich einzusehen sind", erklärt Frank Pilhofer, der beim Wasserwirtschaftsamt in Bad Kissingen zuständig für den Landkreis Haßberge ist (www.hopla-main.de). Mit der Hilfe dieser Karten können präventive Schutzmaßnahmen wie etwa Hochwasserrückhaltebecken, Talsperren oder technischer Hochwasserschutz besser geplant und schließlich umgesetzt werden. "Und die Gemeinden können auf diesen Karten ihre Risikogebiete erkennen", erklärt Pilhofer.
"Dank dieser Karten wissen wir in Haßfurt auch, dass bei einem Hochwasser der Stärke HQ 100 die Kläranlage komplett überspült werden würde", erläutert Volpert. "HQ 100", das ist die Bezeichnung für ein Hochwasser, das es statistisch gesehen nur alle 100 Jahre gibt. Und statistisch gesehen ist es in Haßfurt überfällig. "Ein Hochwasser dieser Größenordnung gab es bei uns zuletzt im Jahr 1845", gibt Pilhofer zu bedenken. Vernünftig also, sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten. "Daher hat der Stadtrat in Haßfurt nun auch der Planung eines baulichen Hochwasserschutzes, der die Kläranlage sowie die südwestliche Altstadt schützen würde, zugestimmt", sagt Volpert. Er begrüßt diese Entscheidung, auch wenn es um viel Geld geht: "Denn machen wir das nicht, würde laut Wasserwirtschaftsamt ein durch ein HQ 100 verursachter Schaden bei rund 14 Millionen Euro liegen."
Auch in Eltmann bemüht man sich um eine gute Vorbereitung. "Wir haben hier seit Jahren einen Hochwassermaßnahmenplan", erklärt Klaus Pfuhlmann von der Stadt Eltmann. Dieser werde jährlich beziehungsweise nach jedem Hochwasser überarbeitet. "Der Plan regelt beispielsweise, bei welchem Pegel welche Straße gesperrt werden muss oder wann Bewohner benachrichtigt werden müssen", sagt Pfuhlmann. Neben diesem Plan gibt es in Eltmann bereits einen Hochwasserschutz, der das Industriegebiet selbst bei einem 100-jährigen Hochwasser vor den Fluten bewahren würde.
Freilich, einen hundertprozentigen Schutz vor Hochwasser gibt es nicht. Ein Hochwasser hält sich nicht an die Statistik. "Natürlich kann ein Hochwasser auch einen viel höheren Pegel erreichen, ein HQ extrem werden", sagt Pilhofer. Doch Prävention, Pläne und bauliche Schutzmaßnahmen helfen, im Notfall mehr Handlungsspielraum zu haben. Zwar erscheint es paradox: " Wir investieren hier Geld in eine Sache, die hoffentlich nie eintreten wird", sagt Volpert. Trotzdem ist Volpert, der auch Kommandant der Feuerwehr ist, von der Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen überzeugt: "Denn bisher hatten wir einfach Riesenglück."