Wenn das Fässla bockt
Autor: Klaus Klaschka
Stadtsteinach, Montag, 27. Februar 2017
Warum ein Treffen der Kulturinitiative "Die Wüste lebt" eine ziemlich überschäumende Angelegenheit war.
"Helau!", ein Tusch ... die Stunksitzung der Kulturinitiative "Die Wüste lebt" funktioniert so nicht. Man trifft sich zwar pünktlich "so etwa ab 21 Uhr" im Gewölbekeller des Alten Rathauses, wo's beim ersten Höhepunkt des Abends gleich klemmt. Ein 30er-Fass "Schübel" bockt und gibt nur Schaum von sich. Das erfordert die volle Aufmerksamkeit mehrerer Diplomingenieure und solcher, die sich dafür halten.
Die lang erwartete Rede zum Auftakt des diesjährigen Marothon-Wahljahres muss deshalb zeitlich verschoben werden. Die Umstände wegen des Schaumbiers sind dennoch günstig, denn Frau Professor Dr. Dr. Henriette Blökheim-Strunz hat sich ohnehin andernorts vertrödelt.
Lockerer Plausch
Das närrische Publikum wendet sich deshalb im lockeren Plausch zunächst bedeutenderen Ereignissen zu: Wer denn die riesigen Bäume im Stadtpark umgehauen hat, ob denn Urnenbestattungen genauso feierlich sein können wie andere und dass der Ploner nebenan doch heute seinen 60. Geburtstag feiert und deshalb nicht kommen wird.Das "Schübel" schäumt dann zwar immer noch, aber inzwischen hat sich die jetzt parteilose und vormals Abgeordnete sämtlicher etablierter Parteien im Wählerlokal eingefunden.
Hausherr Wolfgang Martin preist ihren "neuen politischen Stil" sowie ihre "richtungsweisende Ansprache" an, zu der Blökheim-Strunz (Ingrit Gabriel) alsdann auch anhebt. Die Frisur stramm zu einem Dutt hochgeknebelt, verströmt sie Klarheit. Mit einem schwarzen Kostüm, hochgeschlossen versteht sich, stellt sie Seriosität dar.
Kräftige Handbewegungen verleihen ihren Worten die notwendige Entschlossenheit. "Meine Damen und Herren" starrt sie geübt leer in die Zuhörerschaft, streift flüchtig ihr Manuskript und spricht mit ausladenden Formulierungen eine Vielzahl von Themen an (ohne sie zu benennen), um ihre Absicht, nämlich deren Lösung "entschlossen zu erarbeiten" kund zu tun. Nach einem "Lassen Sie mich zum Schluss kommen" (tosender Applaus), führt sie dann noch viele Floskeln politischer Rede aus, bevor sie endlich schweigt.
Den andauernden tosenden Applaus nimmt die Rednerin mit Gesten der Bescheidenheit und des Wohlwollens sowie als Ansporn für ihr weiteres politisches Wirken entgegen.
Die Umwelt steckt im Fernseher
Neben der Bühne wird langsam ein Rumpeln und Gezeter stärker. Ein Herr, der sich nicht näher vorstellt, tritt an das vorherige Rednerpult, das sich zwischenzeitlich zur Kneipentheke gewandelt hat. Der extra angeheuerte Diskjockey (Markus Stummer) wird forsch zum Schweigen gebracht. Der Herr im Bademantel (Wolfgang Martin) will sein Abendbier nicht wortlos in sich hineinschütten. Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, bewegen ihn bedeutende Themen der Zeit. "Fotowollteich" beschäftigt ihn spontan. "Mit dem kann man doch CO 2 sparen, das man mit dem Auto wieder verknattern kann." "Nicht verknattern", klärt ihn sein Gesprächspartner auf. "Elektroautos sind ganz leise." Die Umwelt braucht der Herr im Bademantel nicht. Im 7. Stock am Balkon hat er "Blümsche, die sind Umwelt genug". Umwelt und Naturschutzgebiete braucht er nicht. "Die sind alle schon in mein Fernseher drin. Da kann man die anschauen und muss deswegen auch nicht erst weit fahren." Überhaupt erfinden die Chinesen jetzt Drohnen, weiß der Herr im Bademantel auch aus seinem Fernseher. Damit kann man von A nach B schweben und muss nicht mehr über Fußgänger an den Straßen nachdenken. Und dann gibt es bestimmt auch bald Lastendrohnen und Zeppeline, für die man auch keine Umgehungen bauen muss, spinnt der Herr im Bademantel weiter, was Eingeweihte im Publikum kurzzeitig an Stadtsteinach denken lässt.
Soweit - zum Großteil improvisiert - über kommende Ereignisse aufgeklärt, begibt sich das Publikum alsdann zum weiteren intellektuellen Gedankenaustausch über Gott und die Welt und Stanich wieder in das andere Gewölbe unter dem Alten Rathaus, wo man sich jeden Freitagabend trifft, auch wenn nicht gerade Fasching ist.