"Welche Labung für die Sinne..."
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Montag, 04. Mai 2015
Jubiläumskonzert Die Kissinger Sängervereinigung machte zum 170-jährigen Bestehen die Aufführung von Haydns Oratorium "Die Jahreszeiten" gemeinsam mit dem Haydnchor aus Eisenstadt zu einem unvergesslichen Konzertereignis.
von unserem Mitarbeiter Werner Vogel
Bad Kissingen — Die Kissinger Sängervereinigung machte sich zum 170-jährigen Jubiläum ein ganz besonderes Geschenk. Die Aufführung von Haydns Oratorium "Die Jahreszeiten" gemeinsam mit dem Haydnchor aus Eisenstadt wurde zu einem unvergesslichen Konzertereignis für die Chorgemeinschaft aus den Partnerstädten. Orchester, Solisten und die Klangfülle der über hundert Sängerinnen und Sänger hinterließen im Großen Saal des Regentenbaus bleibende Eindrücke.
Wenn die Kissinger Sängervereinigung ein gemeinsames Konzert mit dem befreundeten Haydnchor aus der Partnerstadt plant, dann kann nur Haydn auf dem Notenpult liegen. Dass man sich zum Jubiläum an Haydns großes Oratorium "Die Jahreszeiten", gewagt hat, zeigt, dass große Ziele einen. Sogar über Ländergrenzen hinweg.
Gut, man kennt sich, hat schon zweimal im Rahmen der Städtepartnerschaft zusammen auf der Bühne gestanden, aber aus zwei Chören ein überzeugendes Vokalensemble zu machen, dazu gehört viel Verständnis füreinander, präzise Absprachen und Fleiß, viel, viel Probenfleiß.
Haydns Kreislauf des Jahres
Dass der Frühling freudig begrüßt, die Sommersonne von tosendem Gewitter abgelöst wird, Weinseligkeit und Jagdfreuden den Herbst beschreiben und der Winter auch den zu Ende gehenden Lebenskreislauf des Menschen ahnen lässt: Haydns idyllische Naturverbundenheit und seine vielschichtigen Tongemälde vermochten Chor, Orchester und Solisten homogen und klangschön zu vereinen.
Ein Konzert wie aus einem Guss, mit einem großen überzeugenden Vokalensemble, das die Chorsätze des Volksoratoriums mit ausgeglichenen, satten Klängen und ganz klarer Intonation zum Klingen brachte.
"Komm holder Lenz" bitten die über hundert Sängerinnen und Sänger den Frühling, begleiten den Landpächter Simon, seine Tochter Hanne und den Bauern Lukas in den Sommer, wo der Chor die Sonne mit einem mächtigen Fortissimo erstrahlen lässt, um dann einem gewaltigen Gewittersturm "Ach, das Ungewitter naht", Platz zu machen. Voller Lebensfreude werden Sängerinnen und Sänger zum feiernden Landvolk beim Weinfest "Am Rebenstocke blinket jetzt" und zur ausgelassenen Jagdgesellschaft "Hört, das laute Getön". Der Winter wird gleichsam zum nahenden Ende des Lebenskreislaufs "Die Himmelspforten öffnen sich". Mächtige Klangwelten ertönten, die auch der Regentenbau nicht alle Tage erlebt.
Mitreißende Wucht der Chöre
Beide Chorleiter, Hermann Freibott für die Sängervereinigung und Thomas Landl in Eisenstadt hatten ihre Formationen exzellent vorbereitet. In den gemeinsamen Proben und den Einheiten mit dem Orchester bedurfte es nur noch der Feinabstimmung. Beide waren voll des Lobes über Einsatzbereitschaft und Disziplin ihrer Sänger.
Wolfgang Russ, Vorsitzender der Sängervereinigung betonte die Zusammenarbeit und Gabriele Wieger, Chefin des Haydnchores bestätigte: "Wir haben uns richtig gefreut auf die gemeinsamen Proben in Bad Kis singen". Die ansteckende Begeisterung erfasste auch Orchester und Solisten. Die Thüringen Philharmonie Gotha zeigte sich als geschmeidiger Klangkörper und einfühlsamer Begleiter bei den Rezitativen und Arien der Solisten.
Hermann Freibott leitete die Formation mit klaren Gesten, präzise fügte er Chor, Solisten und Orchester zu punktgenauen Einsätzen.
Solisten überzeugten
Die drei jungen Solisten setzten weitere Glanzpunkte. Simon Tischler, ehemaliger Regensburger Domspatz, Gast beim Kissinger Winterzauber, glänzte als kernig auftrumpfender Landpächter Simon nicht nur bei seiner Auftrittsarie "Schon eilet froh der Ackersmann".
Anna Nesyba hat schon beim Würzburger Mozartfest überzeugt, gibt derzeit in Kassel die Diana in Iphigenie auf Tauris, und verlieh Simons Tochter Hanne anmutigen Reiz. Ihr geschmeidiger klarer Sopran nahm die Zuhörer schon bei "Oh wie lieblich ist der Anblick" gefangen, ihre variablen Modulationen bei dem fast gehauchten "Willkommen jetzt, oh dunkler Hain", die selbst das Pianissimo der Violinen noch hören ließ, gehörte zu den ergreifenden Momenten der
Aufführung.
Der schlanke Tenor von Johannes Strauß passte zum jungen unbekümmerten Bauern Lukas. Sein natürliches Timbre kam besonders beim Rezitativ "Sei nun gnädig" mit langem Atem und ausgesungenen Bögen zur Geltung. Nach dem leise verklingenden Schlusswort "Amen" herrschte zunächst ergriffene Stille, bevor sich der ganze Saal zum Schlussapplaus von den Plätzen erhob.
Das Konzert übertraf die hochgesteckten Erwartungen meinten ziemlich gleichlautend Musiker, Solisten und die beiden Chorformationen. Hans Schieber, Chorsänger aus Eisenstadt bezeichnete angesichts der monatelangen Proben in beiden Chören die Zusammenarbeit als "epochales Ereignis" in der Städtepartnerschaft. "Wir Eisenstädter haben die Jahreszeiten ja nicht zum ersten Mal aufgeführt, aber an diesem Konzert hätte unser Josef Haydn seine helle Freude gehabt." Wie jubilierte doch Anna Nesyba als kokette Hanne im Sommer der Jahreszeiten: "Welche Labung für die Sinne."