Druckartikel: Weil gemeinsam eben mehr geht

Weil gemeinsam eben mehr geht


Autor: Rainer Lutz

Ahorn, Montag, 12. Oktober 2015

Bilanz  Deutschland feiert 25 Jahre Wiedervereinigung. Die Initiative Rodachtal arbeitet seit ihrer Gründung im Jahr 2001 daran, die einstige Grenze auf ganz lokaler Ebene durch interkommunale Zusammenarbeit zu überwinden.
Christine Bardin und Martin Finzel ziehen positive Bilanz zur Arbeit der grenzübergreifenden Initiative Rodachtal. Foto: Rainer Lutz


von unserem Redaktionsmitglied Rainer Lutz

Ahorn — Wenn es um das Jubiläum der Wiedervereinigung geht, hat die Initiative Rodachtal auch etwas zu sagen. Ihr Vorsitzender, Ahorns Bürgermeister Martin Finzel (parteilos), wartete damit, bis der allgemeine Jubel verhallt ist. Jetzt zog er zusammen mit seiner Stellvertreterin Christine Bardin (Bürgermeisterin von Ummerstadt, parteilos) Bilanz zur Arbeit dieses interkommunalen Zusammenschlusses, dessen Zweck es ja gerade ist, die Grenze auch im alltäglichen Leben zu überwinden.
Ins Leben gerufen wurde die Initiative 2001. Seßlachs damaliger Bürgermeister Hendrik Dressel (FW) habe sich dabei besonders engagiert, so Martin Finzel. Um die Zusammenarbeit auf unterster, auf direkter Ebene zwischen benachbarten Kommunen, sei es in erster Linie gegangen. Schnell schlossen sich immer weitere Städte und Gemeinden an. Zurückblickend auf die Grenzöffnung ist Christine Bardin heute überzeugt: "Die Menschen haben sich nach Jahrzehnten der Trennung aufeinander gefreut."


Zusammen stärker

Immer mehr Nachbarn erkannten, dass zusammen manches erreichbar wird, was alleine schwierig wäre. Inzwischen gehören die Thüringer Kommunen Straufhain, Schlechtshart, Gombertshausen, Westhausen, Bad Colberg-Heldburg, Schweickershausen, Hellingen und Ummerstadt zur Initiative. Auf bayerischer Seite haben sich Bad Rodach, Weitramsdorf, Seßlach, Ahorn, Itzgrund und Untermerzbach angeschlossen. Wie ein blaues Band verbindet der Flusslauf der Rodach die beteiligten Gebiete. "Wir haben immer versucht, vernünftig zu wachsen", betont Christine Bardin. Vernünftig, das bedeutet für sie, dass Neumitglieder in ihrer Art und Struktur zu den anderen passen müssen. Es bedeutet aber auch, dass bei allem Wachstum eine Balance zwischen thüringischen und fränkischen Mitgliedern gewahrt bleiben soll. Zurzeit gibt es einen Überhang auf fränkischer Seite. Hier erfasst die Initiative in den beteiligten Städten und Gemeinden rund 24 000 Menschen. Auf Thüringer Seite sind es gerade knapp 8300. Eine Chance für die interessierte Stadt Eisfeld, in Thüringen durch einen Beitritt wieder für Gleichgewicht zu sorgen. Gespräche werden geführt.


Netzwerk der Bürgermeister

"Alle Bürgermeister der Initiative sind Mitglieder des Vorstands", erklärt Martin Finzel. Sie stünden in engem Kontakt und träfen sich regelmäßig. So ist ein Netzwerk entstanden, das für ständige Abstimmung untereinander sorge.
Tourismus sei eines der ersten gemeinsamen Arbeitsfelder gewesen. So entstand ein Netz von Wanderwegen. Etwa 650 Kilometer sind im Raum der Initiative ausgeschildert und müssen regelmäßig gepflegt werden. Dafür werde an einer Gruppe von Wegewarten gearbeitet, die diese Aufgaben übernehmen sollen. Die Initiative hat ein gemeinsames Energiekonzept entwickelt und veranstaltet regelmäßig einen "Energiegipfel". Mit einem integrierten Entwicklungskonzept für die Beteiligten hat man sich eine Perspektive mit Blick auf das Jahr 2020 gegeben.
Ein eigener Freizeitplaner fasst Angebote aus Kultur, Natur und Kur zusammen. Immerhin gehören mit Bad Rodach und Bad Colberg gleich zwei Thermen zum Gebiet der Initiative. Attraktionen wie die Veste Heldburg mit dem Deutschen Burgenmuseum, das Zweiländermuseum in Streufdorf oder das mittelalterliche Städtchen Seßlach locken Touristen an. "Es geht uns darum, die Leute auch mal für ein paar Tage in der Region zu halten", erklärt Bardin die Entwicklungsziele im Tourismus. Wer bleiben soll, muss übernachten. Vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe besteht Entwicklungsbedarf. Um gleichzeitig alte Bausubstanz in den attraktiven Altstädten zu erhalten, wurde die Idee geboren, mehrere Gebäude zu einem Hotel zusammenzufassen.


Höhere Förderung

Wo Entwicklung stattfinden soll, wird Geld gebraucht. Da kommt Finzel zum Grund, der Kommunen bewegt, sich der Initiative anzuschließen. Zum einen gibt es Förderkulissen, die eine bestimmte Gebietsgröße erfordern.
Außerdem findet grenzübergreifende Zusammenarbeit erhöhte Beachtung bei den Stellen, die über Fördermittel zu entscheiden haben. "Es ist so, dass bei Förderzusagen Gemeinden der Initiative regelmäßig mit fünf bis zehn Prozent mehr Zuwendung rechnen dürfen", schätzt Martin Finzel. Eine Größenordnung, wie er findet, die den Mitgliedsbeitrag an die Initiative schnell lukrativ erscheinen lässt.