Wegen Frank
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Donnerstag, 01. Oktober 2015
Markus Häggberg Als ich auf die Straße trat, die Tür hinter mir schloss und nach wenigen Metern in eine Seitenstraße bog, begegnete ich einer ehemaligen Schulkollegin. Uns verband ...
Markus Häggberg
Als ich auf die Straße trat, die Tür hinter mir schloss und nach wenigen Metern in eine Seitenstraße bog, begegnete ich einer ehemaligen Schulkollegin. Uns verband nie viel, außer einer Schwäche für das schwarzhaarige und grünäugige Mädchen, mit dem sie zu Schulzeiten befreundet war und mit dem ich so gerne befreundet gewesen wäre. Kaum haben wir in den 28 Jahren seitdem Begegnungen oder Gespräche gehabt.
Aber just an diesem Tag grübelte ich mal wieder über einen damaligen Schulfreund, von dem ich immer dachte, dass er den Landkreis gewechselt haben dürfte. Oft fragte ich mich, was wohl aus diesem Jungen geworden sein mochte, seit er unsere Klasse verließ. Er war ein Gewinnertyp, er hatte Schlag bei den Mädchen, konnte ungemein leger auf einem Stuhl sitzen und er war ein guter Fußballer.
Unsere 6a führte er zum Sieg im Schulturnier und die trug ihn auf Schultern und er ließ es sich gefallen. Sein Selbstbewusstsein und seine Pose mit gen Himmel gereckter Faust blieben die prägendste Erinnerung an ihn. Seine Stimme hingegen verlosch mit der Zeit und auch sonst verlor er an Kontur.
Er war 15, als er von uns ging, und ich auch und somit ist das jetzt 29 Jahre her. Oder etwa 10 500 Tage. An keinem dieser Tage liefen wir uns über den Weg, weshalb ich vor ungefähr zehn Jahren zu grübeln begann.
Als ich Monika in der Seitenstraße begegnete, grüßten wir einander und kamen ins Gespräch. Über damals, über ihre mittlerweile einschneidend veränderten Lebensverhältnisse und - über Frank. Er war nicht in ihrer Klasse und doch begann sie von ihm zu sprechen und ob ich gehört hätte, dass er tot sei.
Was für ein eigentümlich vielschichtiger Moment das war, endlich Auskunft über den Verbleib Franks gebend, seinen krankheitsbedingten Tod bedauernd und sich wie der Startschuss in die Unausweichlichkeit anfühlend.
Wenn Frank einen Unfall gehabt hätte, dann hätte sein Schicksal nur einen Ausnahmefall gebildet. So aber folgt sein Verbleiben einer Natürlichkeit, die uns alle einholen wird und ab nun engere Kreise zu ziehen beginnt. Meine Schulkollegin erzählte mir, was Frank gearbeitet hatte, und das ließ den zwingenden Schluss zu, dass er die Kreisstadt und ihr Umland nie verlassen haben dürfte.
Welch eine Merkwürdigkeit, einem Menschen nie mehr zu begegnen, obwohl man in räumlicher Nähe zueinander lebt. Dann gingen wir zum Weihnachtsmarkt, wo wir Glühwein tranken, Lebkuchen aßen und uns ein gesundes Neues Jahr wünschten.