Weg frei für mehr Defibrillatoren
Autor: Werner Baier
Pettstadt, Donnerstag, 21. Januar 2016
Sonntagmittag, bei Schweinsbraten, Kloß und Sauerkraut kippt Opa vom Stuhl und gibt keinen Mucks von sich. Kein Puls, kein Herzschlag, kein Schnaufer. Was tun? Klar: Die 112 anrufe...
Sonntagmittag, bei Schweinsbraten, Kloß und Sauerkraut kippt Opa vom Stuhl und gibt keinen Mucks von sich. Kein Puls, kein Herzschlag, kein Schnaufer. Was tun? Klar: Die 112 anrufen und Rettung anfordern. Aber auch mit Blaulicht und Martinshorn braucht der Notarzt mit dem Sanitätsfahrzeug eine geraume Zeit (in Deutschland durchschnittlich acht bis zwölf Minuten), bis er an Ort und Stelle sein wird. Und dabei zählt jetzt jede Minute, damit Opa bald wieder mit am Tisch sitzen und sich seines Lebens freuen kann. Unverzüglich muss Erste Hilfe geleistet werden und fast jeder müsste dazu in der Lage sein, denn: Alle Autofahrer haben mal vor ihrer Fahrprüfung gelernt, wie eine Herzdruckmassage anzuwenden ist. Sie verdoppelt bis verdreifacht die Überlebenschancen des Kranken.
Ab dem Moment, da ein Mensch nicht reagiert und nicht normal atmet, muss man davon ausgehen, dass der Kreislauf steht und das Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird.
Also Herzdruckmassage, und die geht so: Patient auf den Rücken legen, Brustkorb freimachen, Handballen auf die Mitte der Brust stellen, Arme durchdrücken, möglichst senkrecht über dem Brustkorb des Betroffenen. Und dann das Brustbein fünf bis sechs Zentimeter tief nach unten drücken, fest und schnell, etwa 100 bis 120 Mal pro Minute. Nicht aufhören, bis professionelle Hilfe eintrifft, gegebenenfalls sich mit anderen Anwesenden abwechseln. Die Herzdruckmassage ist anstrengend und die Helfer riskieren kleine Verletzungen wie Rippenbrüche beim Patienten. Egal, es geht um Leben und Tod. Eine Mund-zu-Mund-Beatmung erhöht die Überlebenschancen zusätzlich.
Doch jetzt gibt es in Bamberg und zunehmend in den Gemeinden des Landkreises noch eine maschinelle Hilfe, um einen Herzstillstand zu überwinden: das Defibrillationsgerät.
In einer Gemeinschaftsaktion von Rotem Kreuz, der Sparkasse Bamberg, einigen Banken und den Gemeinden wird für eine Verbreitung dieser handlichen Automaten gesorgt.
Pettstadt ist Vorreiter
Pettstadt ist eine der ersten Kommunen im Bamberger Umland, die ein solches Gerät erhielt. Ein zweiter "Defi" wird demnächst in der Zweigstelle der Raiffeisenbank Burgebrach-Stegaurach deponiert. Bürgermeister Jochen Hack (FWG) ist froh, dass mit den beiden Standorten im östlichen und westlichen Gemeindebereich eine flächendeckende Nahversorgung erreicht ist. Dankbar für die finanzielle Unterstützung der Geldinstitute äußerte Hack gleichwohl die Hoffnung, dass kein Dorfbewohner in eine derart bedrohliche Situation gerät, in der ein Defibrillator eingesetzt werden muss. Und wenn doch: Das Gerät liegt in einem Glaskasten gleich neben dem Geldautomaten bereit. Und zum Selbstbedienungsbereich der Geldinstitute kann sich heute jeder Zugang verschaffen, der eine Bank-, EC- oder Kreditkarte besitzt. Beim Öffnen der Behältertür ertönt ein schriller Pfeifton, der vor missbräuchlichem Zugriff schützen soll.
Ist der Behälter mithilfe der gelben Laschen geöffnet, erklärt sich der "Defi" selbst: Eine Lautsprecherstimme aus dem Gerät leitet den Ersthelfer Schritt für Schritt an. Die beiden Elektroden sind auf dem Oberkörper, an exakt beschriebenen Stellen des Hilfsbedürftigen, anzubringen, nachdem die Klebefolie entfernt ist. Der Defi prüft dann, ob die medizinischen Voraussetzungen für einen Schock gegeben sind. Falls ja, fordert das Gerät den Helfer auf, den Patienten nicht zu berühren, aber die Schocktaste zu drücken. Sofort nach der Defibrillation ist die Herzdruckmassage wieder aufzunehmen und solange fortzusetzen, bis der Notarzt eintrifft oder der Patient wieder normal atmet.
Die Defibrillationsgeräte werden vom Roten Kreuz gewartet und gepflegt und nach einem Einsatz wieder in den Normalzustand versetzt. Pro Exemplar steuern Sparkassen und einige Banken 500 Euro zum Kauf bei, die Gemeinden zahlen 1500 Euro pro Stück. Ein vergleichsweise geringer Aufwand, um Menschleben zu retten. Bleibt zu hoffen, dass die Geräte von Vandalismus und Missbrauch verschont werden. Bürgermeister Hack kündigte Kurse des Roten Kreuzes in Pettstadt an, um eine Anzahl von Bürgern in Erster Hilfe und Anwendung der Defibrillatoren zu unterweisen. Auch im Internet lassen sich Videos finden, um mal wieder seine Kenntnisse einer Herz-Lungen-Wiederbelebung aufzufrischen.