Was ist mit dem "Tütenfaktor"?
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Mittwoch, 26. Juli 2017
Laut eines etablierten Immobilienunternehmens gehört der Grüne Markt in Bamberg zu den meistbesuchten Einkaufsmeilen Deutschlands - in der Kategorie unter 100 000 Einwohner. Doch die Händler reagieren zurückhaltend.
Anna Lienhardt
Sie haben gezählt, die deutschen Mitarbeiter des international agierenden Immobilienbüros "Jones Lang LaSalle" (JLL). Am Samstag, 6. Mai, von 13 bis 16 Uhr, haben sie sich in Einkaufsstraßen in ganz Deutschland postiert und sich per Hand notiert, wie viele Menschen vorbeiströmen.
Herausgekommen ist die Auswertung zu "Deutschlands beliebtesten Einkaufsmeilen". Untersucht wurde zeitgleich in 170 Städten - auch in Bamberg. In der Kategorie unter 100 000 Einwohner zählten die Immobilienfachleute hier durchschnittlich 4 655 Passanten pro Stunde. Damit liegt der Grüne Markt - innerhalb seiner Kategorie - auf Rang 2. Getoppt wurde Bamberg lediglich von der "Großen Bäckerstraße" in Lüneburg mit durchschnittlich 4715 Besuchern.
Bamberg also vorne bei den meistbesuchten Einkaufsmeilen - ein Grund für Euphorie? Ruth Vollmar, Leiterin der Wirtschaftsförderung Bamberg sagt: Ja, sie freut sich. Gleichzeitig ordnet sie die Erhebung ein. Bei JLL handle es sich um einen großen Konzern, dessen Arbeit seriös eingestuft werden könne. So sei auch das Ergebnis, dass Bamberg auf dem zweiten Platz gelandet sei, realistisch. Vollmar bestätigt: "Die Passantenfrequenz bei uns ist sehr hoch."
Diese Tatsache sei positiv und auch notwendig "für einen erfolgreichen Einzelhandel". Gleichwohl weißt sie darauf hin, dass sich der Einzelhandel trotzdem bemühen müsse, um attraktiv für die Kunden zu sein.
Das weiß man auch im Handel selbst. Eine nicht repräsentative Umfrage vor Ort am Grünen Markt zeigt ein verhaltenes Echo auf die Ergebnisse der Einkaufsmeilen-Zählung. So kann Benno Buchta, Inhaber von "Schuh im Hof", sich zwar auch sehr gut vorstellen, dass Bambergs zweiter Platz realistisch ist. Buchta macht jedoch darauf aufmerksam, dass ein Großteil der gezählten Menschen wohl Touristen sind - die zwar in der Innenstadt unterwegs seien, sich dort aber nicht explizit zum Einkaufen aufhalten würden.Trotzdem sei die Zahl derer, die in Bamberg etwas erwerben, nicht zu vernachlässigen. "Hätten wir die Touristen nicht, könnten wir zusperren."
Deutliche Worte, vor denen auch ein anderer Händler nicht zurückschreckt. Andreas Zeller vom gleichnamigen Schuhhaus schwärmt einerseits vom "tollen Flair" am Grünen Markt und den Stammkunden. Doch auch er bestätigt: "Es sind viele Menschen da, doch darunter sind auch viele Touristen, die einfach vorbei gehen."
In Bezug auf die Ergebnisse aus der Passantenzählung der Immobilienagentur JLL vermutet er: "Wenn die Schiffstouristen da sind, ist schon beeindruckend viel los." Zeller glaubt jedoch nicht, dass sich die Zählung in irgendeiner Weise positiv für den Handel auswirkt. "Man kann Menschen zählen, aber eigentlich müsste man Einkaufstüten zählen. Das ist der Tütenfaktor." Der ist es schließlich, der sich monetär auswirkt. "Wir müssen einen bestimmten Umsatz erwirtschaften, um die Ladenmieten bezahlen zu können."
Ein sensibler Punkt, den auch jemand anders anspricht - ein Angestellter eines weiteren Geschäfts am Grünen Markt, der nicht namentlich genannt werden möchte. "Die gezählten Passanten sind meiner Meinung nach nicht die Leute, die zum Einkaufen in die Stadt kommen. Sondern die Flusskreuzfahrer." Die Touristen würden sich häufig nur im Laden umsehen, anstatt tatsächlich etwas zu kaufen.
"Die veröffentlichte Passantenzählung ist für den Einzelhandel keine große Geschichte." Der Mitarbeiter hat eher die Sorge, dass sich aus der Erhebung Nachteile ergeben könnten. Dann nämlich, wenn der Hausbesitzer wieder die Ladenmiete erhöht.