War das Opfer einverstanden?
Autor: Pauline Lindner
Erlangen, Donnerstag, 13. Juni 2019
Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Erlangen gegen Feuerwehrleute, die ihrem Ausbildungsleiter einen ganz besonderen Abschied bescheren wollten, hat das Zeug dazu, in die Justizgeschichte einzugehen.
Nach weit auseinanderliegenden Verhandlungstagen wurde im Fall eines aus dem Ruder gelaufenen Abschiedsscherzes bei der Berufsfeuerwehrausbildung ein Urteil gesprochen, nachdem 23 Zeugen und ein Sachverständiger gehört worden waren (siehe auch FT vom gestrigen Donnerstag). Das Opfer und einer der Angeklagten kommen aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt.
Ein Ausbilder war im April 2017 in einem Käfig mit Löschschaum eingesprüht worden und erlitt dadurch zuerst Hautreizungen. Er entwickelte anschließend eine posttraumatische Belastungsstörung, durch die er acht Monate seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Im Prozess hatte er das Erlebnis auf dem Hof der Erlanger Feuerwehr als "Nahtoderlebnis" und "das Schlimmste, was mir je passiert ist", bezeichnet.
Amtsrichterin Birgit Griem sprach die beiden Angeklagten - den Ausbildungsleiter und einen Auszubildenden - der gefährlichen Körperverletzung in einem minderschweren Fall bzw. der Anstiftung dazu schuldig. Sie sprach eine Verwarnung unter Strafvorbehalt aus.
Das deutsche Strafrecht kennt diese selten angewandte Sanktion der Verwarnung, bei der eine Strafe - im vorliegenden Fall eine Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu 40 bzw. 50 Euro - auf Bewährung verhängt wird. Wenn die so Verurteilten ein Jahr keine weitere Straftat begehen und die Bewährungsauflage, an das Opfer 2500 bzw. 1500 Euro als Entschädigung zu zahlen, erfüllen, ist für sie der Fall ausgestanden.
"Tohuwabohu" im Gerichtssaal
Juristisch gesehen ist das zu beurteilende Geschehen äußerst komplex. Es gäbe ganz viele Punkte, so Griem in ihrer Urteilsbegründung, an denen angesetzt werden könne, wo Beteiligten eine Fehleinschätzung unterlaufen sei. "Der Fall wird sicher in juristischen Klausuren auftauchen, denn der Fall ist interessant für die Fragen des allgemeinen Teils des Strafrechts", fuhr sie fort. Denn im Kern war die Frage des Anstiftens zu einer Straftat zu würdigen und die Frage, ob das Opfer womöglich in den Scherz eingewilligt habe.
Was war passiert? Im Detail stellte Sitzungsstaatsanwältin Kerstin König das Geschehen auf dem Gelände der Erlanger Feuerwehr am 12. April 2017 dar. Angehende Berufsfeuerwehrleute befanden sich in ihrem zweiten Ausbildungsabschnitt. Den Ausbildungsleiter wurmte es zu diesem Zeitpunkt, dass die Gruppe den vorherigen Ausbilder ohne Scherzritual verabschiedet hatte. Er führte am Morgen dieses Tages deswegen Bilder einer früheren Verabschiedung vor, die die Auszubildenden dazu animieren sollte. Die Bilder zeigten einen Ausbilder, wie er gefesselt an einen Masten mit Löschschaum eingesprüht wurde und dabei lachte. "Das geschah nicht an einem spaßigen Abend", betonte Griem. Denn gerade darin sah sie den auslösenden Impuls des Ausbildungsleiters, dessen Meinung aufgrund seiner Autorität hohes Gewicht hatte.
Während die Gruppe von der Ausbildungsstätte in Fürth zu einer Löschschaumübung zur Erlanger Wehr fuhr, diskutierte man, wie man den Ausbilder dieses Abschnitts an diesem Tag gebührend verabschieden könne. Die Idee vom Einschäumen geisterte schnell in den Köpfen herum, auch wenn ein Beteiligter vor möglichen Gefahren für die Augen warnte.