Wandel als Chance verstehen
Autor: Matthias Einwag
Bad Staffelstein, Montag, 30. Sept. 2019
Vor 20 bis 30 Jahren herrschte Aufbruchstimmung in Bad Staffelstein. Etliche junge Leute machten sich damals selbstständig oder übernahmen Familienbetriebe. Wie hat sich das Geschäftsleben seither verändert?
Matthias Einwag Viele Faktoren veränderten das Geschäftsleben in den vergangenen Jahrzehnten. Angefangen bei der Thermalbaderöffnung (1986) und Grenzöffnung (1989), die der Stadt viele Urlauber und Kurgäste sowie den Gewerbetreibenden neue Kundschaft brachten bis zur Digitalisierung, zum Onlinehandel und bargeldlosen Zahlungsverkehr. Wie sie den Wandel erlebten, schildern uns Heidi Aigner-Klob, Rosi Jörig, Christine Edelmann, Susanne Mayr, Rainer Büschel und Roger Mayer.
Vor genau 30 Jahren übernahmen Rosi Jörig und Heidi Aigner-Klob das Fotostudio Bornschlegel (heute "promedia"). "Zwei jungen Frauen wurde das damals nicht zugetraut", erinnert sich Heidi Aigner-Klob. Es sei ein weiter Weg gewesen von der analogen zur digitalen Fotografie. In Zeiten des Online-Handels haben die beiden Fotografenmeisterinnen jüngst die Erfahrung gemacht, "dass die Leute ein Geschäft mit einer Tür schätzen", wie Rosi Jörig sich ausdrückt. "Wir punkten mit Regionalität und mit Service, denn die Menschen wollen jemanden gegenüber haben", fährt sie fort. "Inzwischen haben wir in der Stadt eine ältere Klientel aus Hamburg, Stuttgart und Berlin, denn diese Menschen investieren dort in Immobilien, wo es ihnen gefällt", sagt Heidi Aigner-Klob.
Aufschwung durch die Therme
Diese Entwicklung stellt der Augenoptiker und Optometrist Rainer Büschel ebenfalls fest. Er hatte sich vor 30 Jahren ganz neu in Staffelstein angesiedelt, weil er die Entwicklung der Obermain-Therme als vielversprechend einschätzte: "Es gab damals eine Aufbruchstimmung, aber das ist heute anders." Als Geschäftsmann dürfe man jedoch nicht den Kopf in den Sand stecken, man müsse eben umgestalten. "Es ist eine normale Entwicklung: Die Leute haben heute mehr Kapital und kaufen mehr", sagt er. Generell sieht er für die Stadt eine gute Entwicklung: "Ich glaube, dass Bad Staffelstein eine Riesenzukunft hat."
Christine Edelmann, die 1989 die Drogerie ihrer Eltern übernahm und sie zur Parfümerie umwandelte, spricht von einer neuen Struktur durch den Internet- und Onlinehandel: Während die meisten Leistungen gleich geblieben sind , änderte sich der Verkauf. Inhabergeführte Parfümerien in Deutschland nähmen ab, denn Märkte und Ketten führten zu anderem Kaufverhalten. Die Stammkunden (Fußpflege, Maniküre, Kosmetikanwendungen) blieben treu, doch sei der Trend zu beobachten, dass sich Kunden im Internet vorinformierten und erwarteten, "dass man auf dem neuesten Stand ist".
Verlagerung an den Stadtrand
Zu den Filialen großer Ketten komme in Bad Staffelstein der Wandel durch die Umgehungsstraße (Frankenring), merkt Rainer Büschel an. Es sei zu einer Filialisierung am Stadtrand gekommen. Das Verhalten der Besucher umreißt er so: "Konsumiert wird nach dem Thermenbesuch außerhalb - und dann geht's noch zum Essen nach Loffeld." Er gibt zu: "Aldi & Co. gehören raus, an den Stadtrand. Ich wüsste auch nicht, wie man's besser macht." Und er zitiert Altlandrat Reinhard Leutner: "Am liebsten würden die Leut' am Sonntag in die Kirch' neifahr'n."
"Das große Problem liegt beim Fachpersonal", so Büschel weiter, denn in seiner Branche werde zu wenig ausgebildet. Christine Edelmann gibt ihm Recht, denn den Beruf des Drogisten erlerne heute ebenfalls kaum noch jemand. "Durch die Filialisten wird die Gesamtqualität der Leistungen verändert", sagt Christine Edelmann, und Rainer Büschel stimmt ihr zu: "Alles geht auf Masse und günstigere Personalkosten."
Susanne Mayr übernahm 1998 die 1911 von ihrem Urgroßvater in Kleukheim gegründete und seit 1954 in der Staffelsteiner Angerstraße angesiedelte elterliche Bäckerei; führt sie das Stadtcafé. Sie prangert die überbordende Bürokratie heutzutage an: "Mit der Meisterprüfung allein schaffst du's nimmer." Deshalb bildete sich die Konditormeisterin zur Betriebswirtin fort. 24 Angestellte hat sie, darunter fünf Lehrlinge. "Wir haben viel mehr Bürokratie, man kann sich weniger als früher ums eigentliche Geschäft kümmern - und für die Lehrlingsausbildung bleibt zu wenig Zeit." Durch die vielen Touristen im Staffelsteiner Land hat sie freilich volle Auftragsbücher, denn ihre Bäckerei und die Konditorei beliefern nicht nur den eigenen Laden und das Stadtcafé, sondern auch Hotels.