Vulkanausbruch lässt die Ernte ausfallen
Autor: Manfred Welker
Herzogenaurach, Donnerstag, 22. Sept. 2016
Vor 200 Jahren sorgten Staubteilchen aus Indonesien für eine globale Klimaveränderung, die auch in Franken das Wachstum des Getreides verhinderte. Das Wort "Erntedank" bekam so ein Jahr später für die Menschen eine ganz neue Bedeutung.
Vor 200 Jahren brachte eine schlechte Ernte ein Hungerjahr in unserer Region und nahezu der ganzen Welt. Diese Katastrophe traf ein durch langjährige Kriege erschüttertes Europa.
Am 6. September 1802 waren bayerische Truppen in Bamberg eingerückt. Der Bamberger Fürstbischofs Christoph Franz von Buseck (1724-1805) unterzeichnete das Abdankungsdekret am 29. November 1802. Das Fürstbistum Bamberg hatte aufgehört zu existieren. Damit fielen die bambergischen Ämter Herzogenaurach und Höchstadt an Bayern. Durch den Staatsvergleich zwischen Bayern und Preußen vom 30. Juni 1803 fiel das Amt Herzogenaurach an Preußen und wurde dem Fürstentum Bayreuth zugeordnet.
Die preußische Phase war nur von kurzer Dauer.
Der unglücklich verlaufene Krieg Preußens gegen Frankreich im Jahr 1806 brachte schon im Oktober die Besetzung der fränkischen, nunmehr preußischen Fürstentümer durch Frankreich mit sich. Der Tilsiter Friede vom 7./9. Juli 1807 brachte die staatsrechtliche Abtretung der fränkischen Fürstentümer an Frankreich. Im Pariser Vertrag vom 28. Februar 1810 übergab Napoleon die Provinz Bayreuth nach dem status quo vom 1. April mit Wirkung vom 7. April dem Königreich Bayern.
Herzogenaurach kam nach der Urkunde, die der Herzogenauracher Pfarrer Georg Joseph Schleicher für den Turmknopf der Stadtpfarrkirche verfasste, am 30. Juni 1810 an Bayern. Das bayerische Wappen wurde an der südlichen Fassade des Rathauses angeschlagen. Durch die am 23.
September 1810 erfolgte territoriale Einteilung gelangte Herzogenaurach zum Rezatkreis (Ansbach). Pfarrer Schleicher schilderte die Lebensverhältnisse in Herzogenaurach in einem Brief an Landarzt Riedmüller in Dürrwangen vom 25. Juli 1812. Er beschrieb Herzogenaurach als Landstädtchen von 215 Häusern mit 1479 Einwohnern, die größtenteils Gewerbe betrieben oder Handwerker waren. Hervorhebenswert waren für Schleicher 42 Tuch- und Zeugmacher, die etwa 80 Familien mit Wollspinnerei beschäftigten. Auch der Feldbau an Korn und Hopfen war beträchtlich. Noch 1802 war Herzogenaurach eine der wohlhabendsten Landstädte, der Wohlstand war allerdings im Gefolge der napoleonischen Verwerfungen gesunken.
In diese Situation hinein ereignete sich weit entfernt eine Naturkatastrophe, deren Auswirkungen niemand erahnen konnte. Zwischen dem 10. und 15.
April 1815 entwickelte der Tambora-Vulkan auf der östlich von Java gelegenen Insel Sumbawa in Indonesien starke vulkanische Aktivitäten. Die Asche, vermischt mit Regen, gelangte bis Borneo, Sulawesi, Java und die Molukken, mehrere 10 000 Menschen fanden den Tod. Die Staubteilchen wurden durch Luftströmungen über nahezu die ganze Welt verteilt und bewirkten eine globale Klimaveränderung.
Bis zum Beginn des Jahres 1816 kostet in Herzogenaurach der Scheffel Korn 36 Gulden, der Scheffel Weizen 39 Gulden, der Scheffel Gerste 34 Gulden, der Scheffel Hafer neun Gulden und 42 Kreuzer. Für einen Zentner Heu mussten ein Gulden 75 Kreuzer bezahlt werden, der Schober Stroh schlug mit acht Gulden und 15 Kreuzern zu Buche.
Lebensmittelpreise stiegen enorm
Die Situation in Herzogenaurach entsprach der in der ganzen Region.
Bedingt durch den Vulkanausbruch regnete es im Jahre 1816 den Sommer hindurch fast beständig. Die außerordentliche Menge an Regen verursachte große Überschwemmungen und verhinderte das Wachsen und Gedeihen der Feldfrüchte. Dadurch war das zu den benötigten Lebensmitteln erforderliche Getreide nicht mehr verfügbar. Der Preis der Lebensmittel stieg in enorme Höhe. Der Scheffel Korn kostete daher 60 Gulden, der Scheffel Weizen 85 Gulden, der Scheffel Gerste 45 Gulden. Das Pfund Brot kostete zehn 3/4 Kreuzer, das Pfund Rindfleisch war für 14 Kreuzer zu haben, das Pfund Schweinefleisch für 26 Kreuzer. Die Maß Bier, die sonst für drei Kreuzer zu haben war, kostete nun acht Kreuzer.Die Situation traf die Bürger unvorbereitet und sorgte für Hunger in der Bevölkerung, da die Preise der Grundnahrungsmittel stark angestiegen waren und viele Familien sich die hohen Preise nicht leisten konnten. Erst als im Jahr 1817 eine gute Ernte eingefahren werden konnte, gab es in der ganzen Region Freudenfeiern. Der immer noch gepflegte Erntedankfestzug in Fürth geht darauf zurück.