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Vorsorge nicht schleifen lassen


Autor: Simone Bastian

Lichtenfels, Donnerstag, 23. April 2020

Chefarzt fordert, die Früherken- nungstermine für Kinder wahrzunehmen. Die Facharztpraxen sind trotz Corona dazu in der Lage. In der Coburger Kinderklinik geht es zurzeit ruhiger zu.


"Wir stecken im Moment gern etwas zurück, um Leben von Erwachsenen zu retten", sagt Prof. Peter Dahlem, der Chefarzt der Kinderklinik im Klinikum Coburg. Er ruft aber dazu auf, die üblichen Vorsorgetermine bei den Kinderärzten wahrzunehmen. Alle hätten ihre Praxen inzwischen so organisiert, dass eine Ansteckung bei anderen Patienten oder Eltern kaum mehr möglich sei. Einzelne Ärzte würden auch Videosprechstunden anbieten.

Das tun auch die Medizinischen Versorgungszentren von Regiomed in Coburg, Lichtenfels und Seßlach. Robert Wieland, für diesen Bereich zuständiger Geschäftsführer, beschreibt das Prozedere so: Der Patient meldet sich telefonisch oder per E-Mail im MVZ an und erhält einen Link und Zugangsdaten für die Videosprechstunde.

Diese finde auf speziellen Online-Plattformen statt, die von der Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen sein müssen. Die Videosprechstunde biete sich an für Wundkontrollen, Verlaufsgespräche und bestimmte Beschwerden, sagt Wieland. Sie ermögliche den Kontakt zum Arzt ohne weite Wege.

Normalerweise dürfen Ärzte maximal ein Fünftel ihrer Patienten auf diesem Weg betreuen. Diese Begrenzung sei aber wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt, sagt Wieland.

Ab nächster Woche will Regiomed auch in seinen MVZ in Hildburghausen und Themar Videosprechstunden anbieten. Wann genau, kann Wieland nicht sagen. "Wir warten noch auf die Kameras."

Seltener krank

Schulen und Kindertagesstätten geschlossen - das hat Auswirkungen. Zumindest auf die Kinderklinik im Coburger Klinikum: "Kinder und Jugendliche werden derzeit einfach seltener krank", sagt Prof. Peter Dahlem, der Chefarzt der Kinderklinik. Zumindest der Rückgang bei Infektionskrankheiten wie Influenza oder "Magen-Darm" dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Kinder derzeit wenig zusammen kommen und Erreger sich weniger verbreiten. Denn die meisten der jungen Patienten kommen normalerweise wegen Infektionskrankheiten ins Klinikum.

"Die Kinderklinik ist geschrumpft", sagt Dahlem: Derzeit befinden sich etwa 15 Kinder im Klinikum. Doch nicht nur die Infektionskrankheiten haben nachgelassen, auch unspezifische Symptome wie Bauch- oder Kopfweh führen derzeit weniger junge Patienten ins Klinikum. Dahlem vermutet hier einen Zusammenhang mit weniger Schul- und Freizeitstress für die Kinder.

Auch die Zahl der Frühgeburten sei zurückgegangen, was ein Indiz dafür sein könnte, dass Schwangere weniger unter Stress leiden. Bewiesen sei das alles nicht, betont Dahlem - aber "es wäre spannend, das wissenschaftlich aufzuarbeiten. Alle entspannen und entschleunigen sich. Freies Spiel ist möglich und wichtig. Da kann man vielleicht aus der Krise lernen."

Corona spielt allerdings auch auf der Kinderstation eine Rolle: Weil jede Atemwegsinfektion als Verdachtsfall gilt, werden diese Kinder sofort isoliert und getestet. Während dieser Zeit müssen sie allein im Zimmer bleiben und dürfen es erst verlassen, "wenn der Abstrich negativ ist oder sie als geheilt entlassen werden", sagt Dahlem. Bei Kindern unter acht Jahren darf aber ein Elternteil mit im Isolierzimmer bleiben und zur Not auch übernachten.

Keine Infektion bei Kindern

Bislang wurde keine Corona-Infektion in der Kinderstation nachgewiesen. Bei Kindern verlaufe die Infektion meist harmlos, sagt Dahlem: Schwere Fälle habe es bislang dann gegeben, wenn Herz oder Lunge vorerkrankt waren.

Einschränkungen gibt es für den Betrieb der Kinderstation dennoch: Die Notaufnahme hat einen eigenen Eingang im fünften Stock, damit Kinder und Eltern nicht durchs ganze Krankenhaus laufen müssen.

Die Eltern - und nur sie - dürfen ihre jüngeren Kinder in der Klinik besuchen, aber nur einzeln. Spielen auf dem Gang ist verboten, das Spielzimmer wurde zum Triage-Aufnahmezimmer umfunktioniert, berichtet Dahlem: Dort wird entschieden, ob ein Kind sofort auf Normalstation kommt oder erst isoliert werden muss. SB