Druckartikel: Vor 120 Jahren klingelte es in Kronach

Vor 120 Jahren klingelte es in Kronach


Autor: Gerd Fleischmann

Kronach, Freitag, 17. November 2017

Zwölf Teilnehmer waren nötig, um das Netz aufbauen zu können. Initiator war Kommerzienrat Melchior Voitländer. Start war am 1. Dezember 1897


War der Fernsprechapparat schon 1860 von dem deutschen Lehrer Philipp Reis erfunden und von ihm am 26. Oktober 1861 in Frankfurt erstmals öffentlich vorgeführt worden, so sollten noch fast 40 Jahre vergehen, bis das Telefon auch in Kronach Einzug hielt.
Aller Anfang ist schwer und am 1. Dezember 1897 war es soweit! Nach großem Widerstand in der Bevölkerung konnte man von der Lucas-Cranach-Stadt aus telefonieren. Eine echte Sensation für die damalige Zeit. An der Schwelle zum nächsten Jahrhundert erlebte das etwa 6700 Einwohner zählende Kronach einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Just zur Telefonpremiere hatte Rosenthal seine Produktion aufgenommen. Bereits zum Start am 15. Oktober 1897 fanden 200 Menschen Arbeit und Brot in diesem Unternehmen. Weitere Porzellanfabriken sowie die Gas-Union trugen zum Aufschwung bei. Schließlich erlebte auch die Firma Voitländer, die sich mit Mineralprodukten befasste, einen wirtschaftlichen Höhenflug. Ein günstiges Klima also für die Durchsetzung dieser "teuflischen Erfindung", die innerhalb weniger Jahrzehnte rund um den Erdball einen beispiellosen Siegeszug antrat.


Ringen um Teilnehmer

Allerdings brachte man anfangs im Frankenwald dieser neuzeitlichen Errungenschaft wenig Verständnis entgegen. Am 1. März 1883 wurde in München die erste Telefonanlage mit 118 Anschlüssen in Betrieb genommen. Es folgten Nürnberg-Fürth (1885), Bamberg (1886), Würzburg (1887) und Hof (1890).
Schon bald erkannte der Kronacher Kommerzienrat Melchior Voitländer (1857 bis 1934) die Vorteile des Fernsprechers für den Geschäftsverkehr. Bereits zu Beginn der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts bemühte er sich persönlich, diese zukunftsträchtige Innovation für Kronach dienstbar zu machen. Obwohl Melchior Voitländer in Kronach Rang und Namen hatte, fand er für seine Initiative bei der örtlichen Geschäftswelt zunächst wenig Verständnis. Trotz umfassender Werbung verpflichteten sich 1894 nur neun Firmen zur Beteiligung an einer Fernsprechanlage. Voraussetzung für diese Investition waren allerdings zwölf Teilnehmer. Unverdrossen kämpfte der Kommerzienrat um den Fortschritt. Die vom Handelsgremium wiederholt für Kronach beantragte Errichtung einer Telefonanlage wurde 1896 vom Ministerium genehmigt. Sie kam aber erst im Herbst 1897. Die Inbetriebnahme erfolgte dann am 1. Dezember 1897 mit immerhin dreizehn Teilnehmern.


"Sensationelle Neuheit"

Die Zeitung "Fränkischer Wald" widmete dem Thema mehrere Artikel und bekundete damit größtes Interesse an dieser sensationellen Neuheit. Am 26. November 1897 schrieb das Blatt folgendes: "Mit dem 1. Dezember sind wir um eine zeitgemäße Errungenschaft reicher, indem an diesem Tage die hiesige Telephonanlage dem Verkehre übergeben wird. Dieselbe ist mit sämtlichen Telephonanlagen Bayerns r. d. Rh. und mit einem großen Theil des Königreichs Sachsen (Dresden, Leipzig, Zwickau ec.) verbunden. Die Abonnenten können bereits drei Tage vor der Eröffnung, also Sonntag, Montag und Dienstag, unter sich Gespräche führen."
Am 30. November 1897 schreibt die Zeitung: "Die Dienststunden des hiesigen Umschaltebureaus sind auf die Zeit von 7 Uhr morgens bis 9 Uhr abends festgesetzt. Was die hiesige Telephonanlage anbelangt, so ist zu constatieren, dass dieselbe vorzüglich funktioniert. Es ist nur zu wünschen, daß sich bald noch recht viele hiesige Industrielle dieses zeitgemäßen Verkehrsmittels bedienen."
Trotz aller Vorbehalte war der Siegeszugs des Telefons nicht mehr aufzuhalten. 1903 zählte die Kronacher Anlage 50 Teilnehmer und zu Ende des Jahres 1912 hatten sich die Interessenten auf nahezu 150 vermehrt.
Der 1927 vollendete Neubau des jetzigen Postgebäudes in Kronach am Bahnhof machte eine Verlegung des Fernsprechbetriebes aus dem alten Postamt in das neue Postgebäude notwendig. Am 3. Juni 1927 wurde hier ein Selbstanschlussamt in Betrieb genommen. Dieses Wunderwerk der Technik bot Anschlussmöglichkeiten für 500 Teilnehmer. Diese konnten sich ohne Inanspruchnahme des Amtes den gewünschten Teilnehmer nun selbst wählen.
In der Folgezeit wurde der westliche Frankenwald in das allgemeine Fernsprechnetz einbezogen durch Errichtung von Anlagen in Mitwitz, Tettau, Wallenfels und Nordhalben, die durch direkte Verbindungsleitungen an das Fernsprechnetz Kronach angeschlossen wurden. Dessen Sprechbereich wurde schließlich auf Deutschland und das Ausland ausgedehnt.
Amerikanische Jagdbomber und Shermann-Panzer sorgten am 12. April 1945 in Kronach für ein grausames Inferno. Durch Beschuss wurde das Postamt übel zugerichtet. Ein Jagdbomber schoss den viereckigen Dachständer mit den Kabeln vom Dach des Postgebäudes. Der Tatkraft des damaligen Pos tamtsvorstandes Josef Pöschl war es zu verdanken, dass die Schäden wenigstens notdürftig behoben und der Fernsprechdienst am 19. September 1945 vorerst mit drei Beamtinnen wieder aufgenommen werden konnte.


"Fräulein vom Amt"

Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierten die schwarzen Wählscheibenapparate. Und für die Handvermittlung war das "Fräulein vom Amt" im Orts- und Fernverkehr zuständig. Zwischenzeitlich gab es tausende Telefonanschlüsse - im wesentlichen nur bei Firmen und lebenswichtigen Einrichtungen. Im Kronacher Fernamt waren Angestellte damit beschäftigt, Verbindungen in alle Welt herzustellen. Erst nach Einführung des Selbstwahlferndienstes 1965 wurde das "Fräulein vom Amt" überflüssig.
Die Einführung des Selbstwahlferndienstes sowie der Umzug der Orts- und Knotenvermittlungsstelle vom Postamt Kronach in den Neubau auf dem Gaz bildeten das Fundament für die Weiterentwicklung. In den folgenden Jahren verkabelten Monteure die letzten Blankdrahtlinien. 1980 schnellten die Telefonanschlüsse auf 15 300. 1987 erfolgte dann die erste Glasfaserkabelverlegung. Und mit der Einführung von ISDN 1994 im Ortsnetz Kronach wurden die Einsatzmöglichkeiten wesentlich verbessert. Mit fast 40 000 Anschlüssen hat sich das Telefonnetz bis heute ganz erheblich erweitert.