Von wegen Restschule!
Autor: Johanna Blum
Mühlhausen, Donnerstag, 03. November 2016
Dass es auch mit einem einfachen Hauptschulabschluss oder Quali beruflich aufwärts gehen kann, beweisen nach dem Aufruf der Mittelschule Mühlhausen "Exschüler mit Karriere gesucht!" etliche "Ehemalige".
Elisabeth Gillinger und Martin Wichert hatten sich stolz gemeldet und nun saßen sie bei einem völlig entspannten Schulbesuch in der Mittelschule Mühlhausen und erzählten über ihren beachtlichen beruflichen Werdegang, den sie nach Abschluss der damaligen Hauptschule einschlugen.
Lehrerin machte Mut
Die 28-jährige Elisabeth Gillinger hat 2004 ihren Quali (Qualifizierender Hauptschulabschluss) einschließlich Englisch mit einem Schnitt von 1,9 geschafft. "Ich war nicht immer eine gute Schülerin.", denkt sie zurück. "Erst in der 7./8. Klasse bei Frau Ignatzek fiel der Groschen", fährt sie fort. "Vorher hatte ich einfach nicht begriffen, wie wichtig Schule ist." Ihre Lehrerin machte ihr damals viel Mut. "Als ich dann das Lernen gelernt hatte, flutschte es nur so." Nach dem erfolgreichen Quali wusste sie noch nicht genau, wo es langgeht. "Ich dachte erst mal, ich mache was mit Gastronomie und besuchte drei Jahre lang die Hauswirtschaftsschule in Höchstadt", erzählt sie rückblickend. Während der vielen Praktika erkannte sie, dass ihr der soziale Bereich eher liegt.
Mit der Mittleren Reife in der Tasche schrieb sie sich an der BOS (Berufsoberschule) in Bamberg ein und schaffte ihr Abitur nach weiteren drei Jahren. "Das war echt happig und viele im Bekanntenkreis meinten, das wäre zu schwer für mich", erinnert sie sich. Die BOS ist wirklich anspruchsvoll und von 17 Schülern blieben nach der Probezeit nur noch zwei übrig. "Ich war eine davon", erklärt sie zufrieden. Sie musste dazu noch in die Technikklasse, weil sich für den sozialen Zweig zu wenig Schüler gemeldet hatten. "Ich bin aber ein Dickkopf. Ich wollte unbedingt studieren und so hab ich die drei Jahre bis zum erfolgreichen Abi durchgezogen." Nun folgte ein Pädagogikstudium mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik. Sechs Semester studierte sie an der Uni in Bamberg. "Anschließend bekam ich im Jahr 2015 einen Job am Landratsamt Erlangen-Höchstadt in der Clearingstelle für Flüchtlinge." Hier blieb sie ein Jahr und wechselte im 2016 zum Allgemeinen Sozialdienst im Landkreis Fürth.
Grundstock in Schule gelegt
Nun beschäftigt sie sich zum Beispiel mit Kindeswohlgefährdung, Hilfen für Familien, hilft Kindern bei der Suche nach einer Wohngruppe und mehr. "Ich habe eine hohe Entscheidungsfähigkeit, kann also viel selbst entscheiden", strahlt sie zufrieden. Nun sitzt sie nicht mehr als Schülerin im Klassenzimmer und ist ganz stolz auf das, was sie geschafft hat.
"Die Lehrer der Mittelschule Mühlhausen haben bei mir den Grundstock gelegt, haben mir Arbeitshaltung und Leistungsbereitschaft beigebracht und ich habe mich durchgekämpft und mein Ziel erreicht. Das macht mich glücklich und zugleich bin ich dankbar dafür", strahlt sie selbstbewusst.
Informatik war Hobby
Neben ihr sitzt Martin Wichert. Er ist 28 Jahre alt und hat 2003 die Hauptschule abgeschlossen - allerdings nur mit dem KtB Quali (kommunikationstechnischer Bereich). "Ich war ein mittelmäßiger Schüler und Englisch und Mathe gehörten nicht zu meinen Lieblingsfächern", lacht er. "Meine Stärken waren schon immer Informatik, Physik und Musik, also mehr der musisch-technische Bereich." Nach der Hauptschule absolvierte er eine Ausbildung in Wachenroth als Kaufmann für Bürokommunikation. Informatik war sein Hobby und sein Ziel, also wollte noch weitermachen. Bei Adidas hat er sich in den letzten Jahren zielstrebig hochgearbeitet. "Das war für mich eine Bestätigung, dass man etwas erreicht, wenn man es wirklich will", erklärt er. Er wollte es den Kritikern zeigen, dass man mit der nötigen Motivation etwas schaffen kann. "Es ist wichtig, an sich selber zu glauben und immer weiterzumachen", findet er. In Englisch war er als Schüler nicht besonders gut - jetzt nun spricht er zu 70 Prozent Englisch in seinem beruflichen Tagesablauf. Vor allem von seiner Mutter wurde er immer unterstützt, aber auch der Vater stand hinter ihm.
Beim Besuch des Informatikraums - seines früheren Lieblingsraums - erfuhr er von der Rektorin Gudrun Boss, dass die Mittelschule Mühlhausen in Nordbayern das einzige zertifizierte Prüfungszentrum für den internationalen PC-Führerschein ist. "Das gab es leider zu meiner Zeit noch nicht", bedauert er.
"Die Lehrer haben wahrscheinlich schon mein Potenzial erkannt und im Musikunterricht bekam ich oft von meiner Lehrerin, Frau Beate Ehbauer-Dörres, den Ansporn, was zu machen und auch im übrigen Leben hat mich so mancher ,Tritt in den Hintern' sanft motiviert", erklärt er ernsthaft. "Ich habe es wirklich sehr weit gebracht und darauf bin ich unheimlich stolz", fährt er fort. 21 Zertifizierungen hat er sich seit 2008 bis heute erarbeitet. "Zu dem Job, den ich innehabe, braucht man normalerweise einen Universitätsabschluss", erklärt er. Er wurde damals trotz seines einfachen Hauptschulabschlusses genommen.
Wenn etwas Spaß mache, habe man auch Erfolg. "Ich habe meine Berufung zum Beruf gemacht", schwärmt. Heute ist er IT-Business Consultant bei Adidas.