Von der DDR vergessen
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Mittwoch, 17. April 2019
Kati Naumann hat ein Buch über Zwangsumsiedlungen im Grenzstreifen geschrieben. Im Interview erzählt sie von ihren Gesprächen mit Zeitzeugen und ihrer verwunschenen Erinnerung an den Thüringer Wald.
Der Thüringer Wald ist die verwunschene Welt ihrer Kindheit. Ihre Großeltern lebten in Sonneberg, an der deutsch-deutschen Grenze. Der Wald hat Kati Naumann geprägt. Ihre frühesten Erinnerungen haben sie zu einem Buch inspiriert, das unsere Grenzlandgeschichte noch einmal lebendig macht. Sie erzählt vom Schicksal der Familie Dressel, die zwangsumgesiedelt wurde. Am Donnerstag, 23. Mai, liest sie um 20 Uhr in der Buchhandlung Coburg aus ihrem Roman "Was uns erinnern lässt".
Frau Naumann, was ist es, das Sie erinnern lässt?
Kati Naumann: Ich werde in einem Leiterwagen durch den Wald gezogen, das Licht flimmert durch die Zweige, ein Eichelhäher ruft, es raschelt im Gebüsch und man weiß nicht, ob gleich ein Fuchs oder eine gute Fee hervorspringt. Meine Schwester und ich haben immer die Sommerzeit im Thüringer Wald verbracht. Wir waren jeden Tag mit unseren Großeltern im Wald, der so tief und undurchdringlich war, mit seinen mächtigen Bäumen und dem weichen Moos, und der so dicht an der Grenze lag, dass wir genau wussten, bestimmte Wege waren verboten.Was fällt Ihnen heute zum Rennsteig spontan ein?
Wie viel Autobiografisches steckt in dem Buch? Gab es die Familie Dressel wirklich?
Meine Großeltern wohnten in Südthüringen im Sperrgebiet. Wir sind oft über die Wehd gewandert, und von dort hat man einen wunderbaren Blick nach Neustadt. Ich kann mich noch genau an dieses merkwürdige Gefühl erinnern, das dieser Blick in den Westen jedes Mal bei mir ausgelöst hat.Als Kind fand ich es völlig normal, wenn die Besuche bei den Großeltern beantragt werden mussten, dass wir ohne den Passierschein nicht zu ihnen durften, dass wir uns als allererstes, wenn wir dort ankamen, bei der Deutschen Volkspolizei melden mussten und dass wir auch im Wald immer wieder angehalten und kontrolliert wurden.