Vom Zauber der alten Postkarten
Autor: Gerd Fleischmann
Kronach, Dienstag, 20. August 2019
Dörfliche Lithografien geben Einblicke in gemeindliche Entwicklungen der ehemaligen Bezirksämter Kronach und Teuschnitz vor 120 Jahren.
Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Schon längst ist das Internet für viele zum Kommunikationsmittel Nr. 1 geworden. Obwohl es Mode ist, von überall, wo man sich gerade befindet, Selfies zu versenden, werden immer noch auf der ganzen Welt alljährlich Millionen Postkarten verschickt. Den Löwenanteil davon haben Ansichtskarten: Ein Gruß nach Hause oder an Freunde ist schnell geschrieben, und überdies kann man damit auch ein bisschen renommieren, wie weit man in der Welt herumkommt: Wer aber glaubt, dass dies ein relativ junges Ritual ist, der irrt.
Mit Kloster Melk begann alles
Den Anfang machte weltweit Wien. Am 1. Oktober 1869 gab die österreichische Postverwaltung die erste "Correspondenzkarte" heraus, und sie zeigt das Kloster Melk. Der Vorschlag stammte von Emanuel Hermann, der an der Wiener Neustädter Militärakademie Nationalökonomie lehrte.
In Deutschland wurde die Postkarte erst ein Dreivierteljahr später eingeführt. Kurz darauf gab es dann auch bereits die erste Bildpostkarte. Doch die Einführung der Postkarte war gar nicht so selbstverständlich, wie uns das heute erscheinen mag. Es gab nämlich schwerwiegende juristische Bedenken dagegen. Man fürchtete, Postboten, Kinder oder das Dienstpersonal könnten die offenen Karten lesen.
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 bewährte sich die Postkarte erstmals als Kontaktmittel zwischen Soldaten und Angehörigen daheim. Diese Feldpostkarten wurden kostenlos befördert. Bis Ende 1870 schickten deutsche Soldaten mehr als drei Millionen Karten in die Heimat. Ab 1872 durften auch privat gefertigte Postkarten in den Handel gebracht werden, auf die der Absender eine Briefmarke aufkleben musste.
Diese Möglichkeit bot nun endlich den Anreiz, eine Seite der Postkarte mit einem Bild zu bedrucken, und daraus entwickelte sich ein eigener, florierender Wirtschaftszweig. In Deutschland, das zum Branchenführer aufstieg, wurden 1899 etwa 90 Millionen Karten produziert.
Zunächst waren die ersten Ansichtskarten Lithografien, also auf Steinplatte kunstvoll gezeichnete Ansichten. Nach 1900 löste jedoch größtenteils die Fotografie die Zeichnungen ab. Bereits ab 1896 trat die arbeitsaufwendige Lithografie im Frankenwald ihren Siegeszug an.
Hoch gehandelte Sammlerstücke
Ab 1898 ging es dann in den Bezirksämtern Kronach und Teuschnitz so richtig zur Sache. Es entstanden in mühevoller Kleinarbeit wahre Kunstwerke. Schließlich stellen die alten Ansichtskarten bedeutsame Dokumente der kommunalen Entwicklung dar. Heute werden diese historischen Schätze bei den Heimatfreunden hoch gehandelt. Siebzig Euro für eine Karte sind da keine Seltenheit.