Vom Schlosser zum Schriftsteller
Autor: Corinna Tübel
Lichtenfels, Sonntag, 21. Juni 2020
In Lichtenfels entstehen Romane wie "Mord in Rothenburg". Aus historischen Stoffen und fiktiven Geschichten werden statt Büchern "Kunstprojekte" aus Text und Bild. Dahinter stehen Werner Diefenthal und zwei Gleichgesinnte. Ein Portrait.
Rothenburg 1526: Ein Scharfrichter und eine Magd. Sie wird des Mordes durch Hexenkraft angeklagt, er möchte sie vor dem Scheiterhaufen zu bewahren. So etwas gibt es doch gar nicht! Oder doch? Den Romanen Werner Diefenthals und seiner Co-Autorin liegen historische Gegebenheiten zugrunde. So auch in "Mord in Rothenburg" - einer Geschichte, die in einem Stadtteil von Lichtenfels entstand. Seitdem sind viele weitere gefolgt: "Engelsklinge" oder "Blut für die Kirche" sind nur einige der weiteren Titel aus der Feder Werner Diefenthals.
Dieser wurde 1963 im Rheinland geboren und hat sich vor rund 20 Jahren in Lichtenfels, im Stadtteil Oberwallenstadt, niedergelassen. Dort fühlt er sich pudelwohl: "Lichtenfels ist noch ein bisschen gemütlich, könnte man sagen. Es hat nicht die Hektik einer Großstadt, aber man findet im Stadtkern doch ein gutes Angebot. Auch wenn der ein oder andere Pub in den letzten Jahren geschlossen wurde", lächelt er doch fast ein wenig wehmütig. "Außerdem liegt man hier sehr zentral und ist schnell in Nürnberg oder München, nicht komplett abseits."
Veröffentlichung nach 18 Jahren
Nach einer Ausbildung im Schlosserhandwerk und einer späteren Weiterbildung im Qualitätsmanagement ist er seit 1998 in diesem Bereich tätig. Seine Liebe zur Schriftstellerei entstand in den 1990er Jahren. Die Idee zum Buch "Das Schwert der Druiden" entwickelte sich während eines Trödelmarktbesuchs, als ihm ein altes Schwert ins Auge fiel. "Ich hatte plötzlich fast den ganzen ersten Band dazu im Kopf", erinnert er sich. Das erste Manuskript war noch handschriftlich und entstand im Jahr 1993 in einem Bistro bei vielen Tassen Kaffee.
Die ersten Ernüchterungen folgten: Die Suche nach einem Verlag gestaltete sich mühselig und zeitaufwendig, doch letztlich glückte sie - 18 Jahre nach der eigentlichen Fertigstellung des Buches. Bis zu diesem Zeitpunkt war er beruflich bedingt noch viel unterwegs und das Schreiben noch nicht sein "Brotberuf". Erst im Jahr 2011 schied Diefenthals krankheitsbedingt aus seinem alten Beruf aus und widmete sich in vollem Maß seinen schriftstellerischen Ideen. War es Zufall oder Fügung? Im Jahr 2014 lernt Diefenthal in einem Internetforum seine Mitautorin Martina Noble kennen. Sie texten bis heute zusammen, redigieren, motivieren und kritisieren sich. Ihr Erstlingswerk "Der Henker von Rothenburg: Mord in Rothenburg" haben die beiden innerhalb von nur zwölf Wochen verfasst - und dabei genügend Stoff für drei Teile gehabt.
Geschichtsstunde im Romanstil
Stets stehen in den Romanen historische Fakten und Geschichten im Vordergrund, in der Regel zur Zeit des Mittelalters bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts. Doch auch ein Familienepos, das bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs reicht, schwebe dem Autor bereits im Kopf herum. Um die geschichtlichen Tatsachen herum konstruieren Noble und Diefenthal eine fiktive Geschichte, die sich aber an den Tatsachen "entlanghangelt", so der Autor.
"Wir bieten eine Art Geschichtslehrstunde im Romanstil." Das können Henker, Engel, Teufel oder Freiheitskriege sein, aus dem In- und Ausland - oder ganz besondere Persönlichkeiten der Vergangenheit: Der 57-Jährige wurde einmal während seiner Recherchen auf das "Gerücht" aufmerksam, Jack the Ripper sei eine Frau gewesen - und verarbeitete das Thema in einer seiner Geschichten. Zu Beginn einer jeden Geschichte gibt es einen Ideenaustausch. Meist übernehme Diefenthal die Recherchearbeit, meist über das Internet, um die historischen Fakten und Zusammenhänge zu ergründen. Zusammen bauen sie den groben Plot und schmücken Details aus - oft genderspezifisch zu den jeweiligen Figuren. Doch nicht alles kann in einem Roman geplant werden. Vieles entsteht im Fluss des Schreibens. So kann ein Text schon 20 oder 30 Mal an einem Tag zwischen den beiden hin- und herwechseln, geändert, gestrichen oder fortgeführt werden.
Zu ihrem Erfolg gehören deshalb umso mehr viel Geduld, Willensstärke, Selbstdisziplin, die Fähigkeit zur Selbstkritik - und Ruhe. Diese findet er zurzeit, bedingt durch die Corona-Krise, etwas weniger: "In solch einer Zeit ist es schwierig, freie Gedanken zu finden und das alles auszublenden." Deshalb schreibe er nicht zu festen Zeiten und meist in seinem "Wohn-Schreib-Arbeitszimmer", wenn ihm danach sei. "Es gibt Tage, da kann ich schon mal meinen eigenen Text nicht mehr sehen, ich hasse ihn. Ist er dann aber fertig und steht kurz vor der Veröffentlichung, will ich ihn fast nicht mehr loslassen. Wie ein Baby", lächelt er. "Das ist einerseits befreiend, auf der anderen Seite beklemmend."