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Vom Küken zur PolEnte


Autor: Rainer Lutz

LKR Coburg, Donnerstag, 08. Juli 2021

Rettung  Die Mutter von sechs kleinen Entlein wird auf der Straße im Weichengereuth totgefahren - jetzt hat sich die Polizei der Jungtiere angenommen, bis sie groß sind.
Eine Polizistin hält eines der geretteten Entlein in der Hand.


Tiertragödie im Weichengereuth. Eine Entenmutter führte ihre sechs Küken am Mittwoch ausgerechnet auf die viel befahrene Straße im Coburger Süden. Unglücklicherweise wurde die Mutter dabei überfahren und getötet. Die Küken wussten ohne ihre Führung nicht wohin. Sie verließen die gefährliche Straße aber nicht, weil sie die tote Mutter nicht verlassen wollten.

Gegen 11.45 Uhr erhielt die Polizei die Mitteilung, dass die sechs Küken weiter ziellos auf der Fahrbahn umherwatscheln. Nun galt es, wenigstens die Entenkinder zu retten, ehe auch sie unter die Räder kommen. Coburger Polizeibeamten gelang es wenig später tatsächlich, alle sechs Küken wohlbehütet einzufangen. Doch wohin nun mit den verwaisten Entenkindern?

Sich diese einfach anzueignen, ist übrigens nicht erlaubt. Es handelt sich um Wildtiere, die unter das Jagdrecht fallen. In Absprache mit dem zuständigen Jagdpächter übernimmt jetzt aber ein Coburger Polizist die "Vaterschaft". Er hat ein geeignetes Grundstück, um den Küken eine artgerechte Kinderstube zu bieten. Dort können sie nun aufwachsen, ohne wieder in Konflikt mit dem Straßenverkehr zu geraten.

Auswildern geplant

Haustiere sollen die Kleinen aber nicht werden. Sobald die jungen Enten groß genug sind, werden sie wieder ausgewildert, versichert die Polizei.

Die Chancen, dass so etwas funktionieren kann, stehen nicht schlecht, sagt Frank Reißenweber. Der Biologe ist Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz in Coburg. "Die Prägungsphase der Küken sind die ersten zwölf bis 17 Stunden", sagt er. Wären sie in dieser Zeit von einem Polizisten aufgenommen worden, hätte es tatsächlich sein können, dass sie auf ihn geprägt worden wären. Dann wären sie als Küken wohl Menschen in Polizeiuniform hinterhergelaufen. Aus den Versuchen von Konrad Lorenz dazu ist bekannt, dass die Tiere dann sogar ihr Balzverhalten auf das Wesen ausrichten, auf das sie geprägt wurden.

Sind sie - wie in diesem Fall - schon älter, ist die Prägungsphase vorüber. "Sie wissen jetzt, dass sie Enten sind", sagt Frank Reißenweber. Sie werden dann zwar durchaus von Menschen Futter annehmen, aber ihre Prägung bleibt eben die auf ein Leben als Ente unter Enten. Menschen stehen sie neutral gegenüber.

"Sie werden normales Entenverhalten zeigen, allerdings wohl etwas zahmer sein, weniger Scheu vor Menschen haben als Wildtiere", sagt Frank Reißenweber. Trotzdem werden sie sicher in der Natur zurechtkommen, wenn sie dann in die Freiheit entlassen werden.

Wie alle anderen Wildtiere müssen sie dann lernen, mit den Gefahren zu leben, die von Menschen, Hunden, dem Straßenverkehr oder natürlichen Feinden vom Fuchs bis zu den Greifvögeln auf sie warten. Dafür werden sie frei sein - und hoffentlich vorsichtiger als ihre Mutter, wenn sie später selbst Küken haben und mit ihnen über eine Straße müssen.