Virtuoser Liederabend
Autor: Redaktion
Kronach, Sonntag, 12. Februar 2017
Mezzosopranistin Nadiya Zelyankova und Pianistin Vita Gajevska überzeugen im Kreiskulturraum mit einem ausgefallenen Programm.
Lernen sich zwei Menschen kennen, fällt das Urteil über Antipathie oder Sympathie in Sekundenbruchteilen. Im Konzert entscheiden wenige Takte, ob man sich entspannt den Musikern überlassen kann oder eben nicht. Am Samstagabend jedenfalls bereitete die russische Mezzosopranistin Nadiya Zelyankova gleich mit der ersten Arie das Feld für einen wunderbaren Liederabend. Der Einstieg war klug gewählt mit drei bekannten Arien aus Vorklassik, Belcanto und Romantik, mit denen sie sich das Vertrauen des Publikums erwarb. Gleichzeitig nahm sie damit Anlauf auf die russischen Romanzen von Rachmaninoff und Rimsky-Korsakov, die hierzulande schon wegen der Sprache wenig aufgeführt werden.
Einfühlsame Begleitung
Die Lettin Vita Gajevska unterstützte die Sängerin am Klavier so virtuos wie einfühlsam. Zwar ist sie ausgebildete Solopianistin, aber ihr Herz schlägt für das gemeinsame Musizieren und die Interaktion mit anderen Musikern. Nicht umsonst wurde sie mehrfach für ihre Klavierbegleitung ausgezeichnet. In der Erarbeitung ihres Programms entwickelten die beiden jungen Künstlerinnen offensichtlich ein gemeinsames Verständnis über die Musik. Gajevskas Moderationen waren übrigens genauso leichthändig wie ihr Klavierspiel. Mit wenigen Worten charakterisierte sie die einzelnen Stücke und fügte den kurzen Liedtiteln ergänzende Informationen hinzu.Zelyankova stieg in den Abend ein mit zwei Hosenrollen-Arien, die klassisch mit Mezzosopran besetzt werden. Zum einen erklang Orpheus Klage "J'ai perdu mon Eurydice", zum anderen Tancredis Sehnsuchtsgesang nach seinem Vaterland und der Geliebten "Oh Patria ... Di tanti palpiti". Die Sängerin brillierte in den Koloraturen, schaffte mühelos die Höhen und blieb volltönend in den beachtlichen Tiefen. Dalila leitet ihre erfolgreiche Verführung von Samson in Camille Saint-Saëns Oper "Samson et Dalila" mit dem Lied "Mon coeur s'ouvre à ta voix" ein. Wer im Publikum sein Herz der wunderbaren Stimme Zelyankas bisher nicht geöffnet hatte, tat dies spätestens hier.
Auf diese Weise bereitete sie die Zuhörer bestens auf vier Romanzen von Sergej Rachmaninow vor, die allesamt verschiedene Ausprägungen der Liebe thematisierten.
Da war die Erinnerung an Liebeserfahrungen im schwummrigen Dunkel, die Liebe zur Heimat, zu Gott und das verzehrende Warten auf den geliebten Menschen bei Einbruch der Nacht. Rachmaninow als Programmpunkt auf einem Liederabend dürfte für einige Skepsis gesorgt haben.
Aber der Zugang zu seinen Liedern gelingt leicht, denn sie zeigen die russische Seele in all ihren Facetten, dabei immer leidenschaftlich, ob in Trauer oder Freude. Zelyankovas ausdrucksvolle Stimme, die wenige Gesten braucht und die weiche russische Sprache tun das ihre, diese Stimmungsbilder zu transportieren.
Melancholisch
Kurz vor der Pause wird es noch einmal melancholisch tief mit der Arie der Magdalena aus Wilhelm Kienzls Oper "Der Evangelimann", in der sie sich an ihre Jugendtage erinnert, während sie ihren kranken Mann pflegt. Für die Pause rüsten die Künstlerinnen ihr Publikum mit einem schmissigen Ohrwurm aus, nämlich mit der "Seguidilla" aus Carmen. Zelyankova singt so lasziv wie temperamentvoll. Tiefgründelnd deutsch ging es weiter mit zwei Liedern von Johannes Brahms, "Wie Melodien zieht es mir" und "Von ewiger Liebe". Danach besang sie die Nacht "Noch" von Anton Rubinstein, dem Gründer des Sankt Petersburger Konservatoriums, das heute den Namen von Nikolai Rimsky-Korsakov trägt, der dort als Professor tätig war. Seine drei Lieder aus der Romantik stellen die Auswirkungen von Naturphänomenen auf die Liebe dar. Auch hier ist die Nähe zur russischen Volksmusik hörbar. Vor sechs weiteren Romanzen von Rachmaninow, von tief traurig bis heiter freudig, zeigt Nadiya Zelyankova noch einmal ihr großes dramatisches Potenzial. Nach der großartigen Darbietung von Ebolis Arie "O, Don Fatale" aus der Oper "Don Carlos" von Guiseppe Verdi gibt es spontane Bravorufe aus den Rängen.
Was der Anfang versprochen hatte, wurde bis zum Schluss gehalten: Zelyankova schöpft ihre Register voll aus und ist in allen Lagen volltönend in forte und piano.
Beim Applaus zeigt sich, dass nicht nur das Publikum angetan war, auch die Künstlerinnen haben sich sichtlich wohlgefühlt. Mit Puccinis "O mio babbino caro" entlassen Nadiya Zelyankova und Vita Gajevska ihre Zuhörer heiter beseelt in das restliche Wochenende.