Villon wurde auf Bühne lebendig
Autor: Andreas Welz
Bad Staffelstein, Sonntag, 19. Juli 2015
Auftritt Jan Burdinski und Lutz Götzfried widmeten sich im Brückentheater dem Leben des französischen Liedermachers.
von unserem Mitarbeiter Andreas Welz
Bad Staffelstein — Mit "Himmelsflüge-Höllenstürze" reihte sich eine weitere Perle an die Aufführungen des Fränkischen Theatersommers. Im Brückentheater im Kurpark von Bad Staffelstein erlebten die Zuschauer einen wunderbaren Konzertabend, in dem ausgewählte Balladen aus dem Buch "Die lasterhaften Balladen und Lieder des François Villon" in der Übersetzung von Paul Zech dargebracht wurden.
Rollen auf den Leib geschnitten
Für die Vertonung der Balladen zeichnete Jan Burdinski verantwortlich. Die romantische, mit Jazz-Einschlag besetzte Gitarrenmusik ließ die Aussagen der Texte auf wirksame Weise aufleben. Mit Ankläger Lutz Götzfried und Jan Burdinski als Villon fanden die derb-zynischen Balladen zwei Interpreten, denen die Rollen auf den Leib geschrieben schienen.
Lutz Götzfried glänzte darüber hinaus als Ganove, Zellengenosse oder Tippelbruder, wenn er aus dem schwarzen Talar schlüpfte.
Poetisch aber rau
Poetisch sinnliche Liebesballaden "Sie war nur armer Leute Waisenkind und wollte sein wie ein Baum im Sommerwind" oder "Ich bin so wild nach Deinem Erdbeermund" oder raue, rebellische Jammer- und Räuberballaden beschrieben die eigenen, unterschiedlichsten Lebenslagen des genialen Dichters. Zahlreiche Liebesbeziehungen, diverse kriminelle Aktivitäten und Gefängnisstrafen zogen sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Die ausdrucksstarke Rezitation wurde durch die meditative, teils kraftvolle Musik der Saiteninstrumente bereichert.
Sogar das Publikum bezogen die beiden Mimen in den Gesang mit ein.
Den Refrain "Der kleine Herr Ranunkel aus Brabant" aus der Ballade von einem netten kleinen Barbier sang es kräftig mit, unterstützt vom Gesangverein Unnersdorf, der an diesem Donnerstag einen Ausflug in den Kurpark machte.
Publikum mit einbezogen
Die Einheit, die den Gegensätzen wie Tod und Leben, Liebe und Trennung, Reichtum und Armut allesamt innewohnt und die Villon messerscharf auf den Punkt gebracht hat, vollziehen Götzfried und Burdinski durch perfekte mimische Darstellung. Burdinski verstand es, die Person Francois Villons förmlich vor den Augen der Zuschauer lebendig werden zu lassen. Seine Präsenz schloss das Publikum unmittelbar in das Geschehen mit ein. Götzfried hingegen verkörperte eine weltfremde Justiz, die sogar Kleinkriminelle an den Galgen brachte und eine Begnadigung seitens der Landesherren als Katastrophe ansah.
Villon überwindet die damals vorherrschende Troubadourdichtung, indem er in seinen Balladen eindringlich und erschütternd seine eigene komplexe Persönlichkeit offenbart. Sein unmittelbarer natürlicher Tonfall und seine Ausdruckskraft machen ihn zum ersten großen französischen Lyriker der Moderne.
Zugleich gibt er in seinen Gedichten ein Bild des zeitgenössischen Frankreich, welches vom Hundertjährigen Krieg mit England noch sehr stark gezeichnet war und dessen Rechtsprechung entsprechend darniederlag.
Der deutsche Expressionismus hat sich mit dem Schriftsteller Paul Zech, auf dessen Nachdichtung sich das Programm stützt, verdient gemacht.