35 Prozent der Beschäftigten im Kreis Bad Kissingen drohen Mini-Renten, berichtet die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in ihrer Rentenprognose.
Dem Landkreis Bad Kissingen droht Altersarmut - in einem größeren Ausmaß als bislang angenommen. Das befürchtet die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Rund 15 000 Arbeitnehmer im Kreis Bad Kissingen würden - so, wie sie heute arbeiten - nur eine Rente unterhalb der staatlichen Grundsicherung bekommen, schreibt die Gewerkschaft in einer Mitteilung. Und das, wenn sie nach immerhin 45 Berufsjahren in den Ruhestand gingen. Das sind 35 Prozent aller Beschäftigten im Kreis.
Die Schwelle für "Alters-Hartz-IV" liegt im Kreis Bad Kissingen bei aktuell 698 Euro im Monat. Dabei sind insbesondere die Kosten fürs Wohnen berücksichtigt. Dies geht aus einer Renten-Analyse des Pestel-Instituts hervor. Die Wissenschaftler aus Hannover haben dabei für die Gewerkschaft NGG amtliche Statistiken ausgewertet.
Deutlicher Anstieg erwartet
Demnach könnte die Zahl armutsgefährdeter Rentner im Landkreis Bad Kissingen künftig noch deutlich steigen - nämlich dann, wenn die durchschnittliche Rente bis zum Jahr 2030 auf nur noch 43 Prozent des Einkommens abfallen sollte. Dann gäbe es mehr als 22 000 Menschen, die nach 45 Beitragsjahren bei einer Rente unterhalb der Grundsicherung landen, so das Pestel-Institut. Ibo Ocak, Geschäftsführer der NGG-Region Unterfranken, spricht von "alarmierenden Zahlen". Wer ein Leben lang gearbeitet habe, müsse später auch von seiner Rente leben können. "Am Ende steht hier das Vertrauen in die staatliche Altersvorsorge und damit der gesellschaftliche Zusammenhalt auf dem Spiel." Die
Bundesregierung hat eine Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis lediglich 2025 vereinbart.
"Rentenniveau stabilisieren"
"Das reicht nicht aus", so Ocak. Die Große Koalition müsse das Rentenniveau längerfristig stabilisieren und möglichst anheben. Zugleich sieht die NGG die Arbeitgeber in der Pflicht. "Klar ist, dass aus Mini-Löhnen keine Spitzen-Renten werden", betont Ocak. Gerade in Branchen wie dem Gastgewerbe und Bäckerhandwerk müssten im Kreis Bad Kissingen viele Beschäftigte im Alter aufstocken. "Dabei haben Hoteliers, Gastronomen und Bäckermeister bei der Bezahlung durchaus Spielraum. Anstatt auf Aushilfen mit wenigen Wochenstunden zu setzen, sollten sie reguläre Vollzeitstellen schaffen - und zwar bezahlt nach Tarif", so der Gewerkschafter.
Viele Beschäftigte hätten zwar das Glück, dass der Partner mehr verdiene und so die Haushaltskasse im Rentenalter aufbessere. Doch häufig sei das Geld selbst dann sehr knapp. Gerade wer einen Teilzeit- oder Minijob habe, müsse sich auf einen "extrem mageren Rentenbescheid" einstellen. Frauen seien davon besonders häufig betroffen. Sogar unter Vollzeitbeschäftigten hat nach Berechnungen des Pestel-Instituts aktuell rund jeder Dritte im Kreis Bad Kissingen einen Rentenanspruch von weniger als 1000 Euro monatlich - nach 40 Arbeitsjahren. Eine gute tarifliche Altersvorsorge könne zwar dabei helfen, dass im Alter etwas mehr übrig bliebe. "Aber Zusatzrenten sind nicht dafür da, ein immer geringeres Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen", so Ocak. Sein Fazit: "Der Staat muss die gesetzliche Rente sichern. Alle Beschäftigten sind auf sie angewiesen. Und die Arbeitgeber müssen bei Löhnen, Arbeitszeiten und Zusatzvorsorge viel mehr tun, damit die Menschen ihren Lebensabend genießen können." red